Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola Larsen

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Fürstenkrone 11 – Adelsroman - Viola Larsen Fürstenkrone

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zu haben, der ihn hier abholte.

      Er hatte seine Stiefmutter gebeten, mit ihm zu fahren, damit sie Gesellschaft habe, aber Gräfin Colette hatte abgelehnt. »Ich würde in Tihany zu sehr an alles erinnert werden«, hatte sie erklärt und tief aufgeseufzt. Und er hatte sofort Verständnis für ihre Haltung gezeigt.

      Seinen Koffer gab er bei der Gepäckaufbewahrung ab. Dann trat er auf die Straße und bog kurz hinter dem letzten Haus in einen schmalen Feldweg ein.

      Der Ort hatte sich verändert. Neue Häuser waren gebaut worden, einige neue Plätze entstanden, die ein Brunnen und Blumenrabatten zierten.

      Aber der Feldweg war noch derselbe. Er führte zwischen Wiesen und Äckern hindurch, die ab und zu von einer kleinen Waldung unterbrochen wurden.

      Das Herz ging dem jungen Grafen auf, denn all dies gehörte zu seiner Heimat, war ihm vertraut von Kindheit an. Die zehn Jahre seiner Abwesenheit kamen ihm heute wie ein Tag vor. Als sei es gestern gewesen, blieb er stehen, blickte über die Tannenschonung hinweg und glaubte das rote Ziegeldach des Mitteltraktes von Tihany zu sehen.

      Er seufzte auf und beschleunigte seine Schritte, bis er heftig atmend vor der hohen Mauer stand, die den Park von Tihany umsäumte. Er musste noch etwa hundert Schritt gehen, bis er das hohe Eisentor erreicht hatte.

      Die freudige Erwartung, die ihn die ganze Zeit erfüllt hatte, wich jedoch jäh namenlosen Entsetzen.

      Der Park war nicht mehr sorgsam gepflegt wie einst, sondern verwildert, die Rasenflächen nicht geschoren, keine Blumen blühten in bunter Fülle, und das riesige Wasserbecken lag still und öde vor ihm.

      Graf Sandor stand einige Minuten wie vom Blitz getroffen. Dann öffnete er die schwere Eichentür und betrat den Park. Niemand war zu erblicken.

      Langsam schritt er durch die breite Anfahrtsallee auf das riesige Schloss zu, aus dem alles Leben gewichen schien. Kein Fenster war geöffnet, das große Eingangsportal war fest geschlossen.

      Erst stand er unschlüssig vor der breiten Freitreppe und sah zum Portal hinauf. Dann lief er die Stufen hinauf und setzte die Messingklingel in Bewegung. Sein Herz pochte wie rasend, während er auf jedes Geräusch achtete. Aber es näherten sich keine Schritte, kein Fenster wurde geöffnet. Es blieb totenstill.

      Graf Sandor rief: »Hallo!« Er klingelte wieder und wieder, aber es tat sich nichts.

      Gab es denn kein Personal mehr in Tihany? Träumte er, oder narrte ihn ein Spuk?

      Er schritt die gesamte Front des alten Schlosses ab. Aber niemand war zu sehen, niemand gab Antwort auf seine Rufe. Das Schloss schien von allen Menschen verlassen. Auch die Seiteneingänge und das Gartenportal waren fest verschlossen.

      Graf Sandor setzte sich erschöpft auf eine der weißen Marmorbänke, die den Parkweg zierten. Sein Auge glitt über den hinteren Teil des Parks, der genauso ungepflegt war wie die vordere Seite.

      Warum hatte seine Stiefmutter ihn nicht darauf vorbereitet, dass Schloss Tihany offensichtlich unbewohnt war? Sie wusste es doch! Aber warum das alles? Das Schloss musste doch saubergehalten werden. Oder hatte sie das Personal beurlaubt, solange sie in ihrem Stadtpalais wohnte? Ja, so musste es sein.

      Er beruhigte sich wieder etwas, aber dass seine Stiefmutter ihn hierherfahren ließ, ohne ihn einzuweihen, war unverantwortlich. War sie so in ihren Schmerz um den Verlust des Gatten verstrickt, dass sie das vergessen hatte?

      Was sollte er tun? Zurückfahren? O nein, nun war er einmal hier und wollte die Dinge klären. Irgendjemand musste einen Schlüssel zum Schloss haben. Auch das hätte die Gräfin ihm sagen müssen.

      Zu seiner Erleichterung fiel ihm der Gutsbetrieb ein, der zum Schloss gehörte und zu dem ein Fahrweg von etwa zweieinhalb Kilometern führte. Hoffentlich war das Gut wenigstens bewohnt.

      Seufzend erhob er sich und machte sich auf den Weg, der durch ein kleines Wäldchen führte, das kurz vor dem Wohngebäude des Gutes endete.

      Schon von Weitem hatte er das Wiehern der Pferde und das Gegacker des Federviehs gehört, das vom Rattern der Traktoren auf den Feldern mehrfach übertönt wurde. Gott sei Dank, hier war noch Leben, hier wurde offenbar genauso gearbeitet wie früher.

      Die Tür zum Wohnhaus von Gutsverwalter Lindemann stand offen. Das Haus war frisch gestrichen, Blumenkäs­ten hingen an den Fenstern.

      Zögernd betrat Graf Sandor die matt erhellte Diele des Hauses. Im gleichen Moment kam Frau Lindemann aus der Küche. Sie blieb wie erstarrt stehen, als sie den Fremden erblickte, und dann schrie sie auf:

      »Mein Gott, Herr Graf! Sind Sie es wirklich?« Sie rannte ins Wohnzimmer und rief: »Gustav, komm schnell! Der Herr Graf ist da! Mein Gott, nein, so etwas!«

      Dann stürzte sie wieder auf Graf Sandor zu und griff nach seinen Händen.

      »Herr Graf«, stammelte sie, während Tränen über ihr Gesicht rannen, »dass Sie wieder da sind! Nein, das ist zu viel für mich. Ich muss einfach weinen. Verzeihen Sie mir.«

      Sie trocknete ihre Tränen an der Küchenschürze und sah verlegen weg. Inzwischen war auch ihr Mann herausgekommen. Er stand ebenso verdattert da und starrte den Grafen an. Er war genauso gerührt wie seine Frau, versuchte aber, es zu verbergen, was ihm nur sehr schlecht gelang. Er bat den Grafen ins Wohnzimmer und bot ihm in einem Sessel Platz an.

      »Warum haben Sie mir nicht geschrieben, Herr Graf? Ich hätte Sie abgeholt. Waren Sie etwa zuerst im Schloss?«

      Entsetzt sah er den Grafen an.

      »Ja, natürlich«, murmelte Graf Sandor. »Würden Sie mir bitte eine Erklärung geben, Herr Lindemann?«

      »Das muss ich ja wohl, Herr Graf. Zuerst aber ruhen Sie sich mal etwas aus. Meine Frau wird Ihnen eine Tasse Kaffee machen. Kommen Sie direkt von Kanada, Herr Graf?«

      »Nein, ich war im Palais meiner Stiefmutter. Sie können sich denken, dass mich das alles sehr befremdet hat. Ist denn kein Mensch in Tihany?«

      Herr Lindemann senkte den Blick. Das Eintreten seiner Frau mit einem Tablett, auf dem eine Kanne Kaffee und frischer Kuchen standen, enthob ihn zunächst einer Antwort.

      »So, Herr Graf«, sagte er, »trinken Sie. Sind Sie denn den ganzen Weg von Neuburg hierher zu Fuß gegangen? Ich hätte doch den Wagen geschickt. Aber ich dachte, Sie kämen erst in vierzehn Tagen zur Beisetzung der Urne Ihres Herrn Vaters. Ich wollte bis dahin im Park und im Schloss ein wenig Ordnung machen. Den Schlüssel habe ich ja noch. Tut mir schrecklich leid, Herr Graf. Das muss wirklich eine böse Überraschung für Sie gewesen sein. Ich hätte Sie gern langsam darauf vorbereitet, dass Ihr Herr Vater mit seiner jungen Gattin seit einem Jahr nicht mehr auf Schloss Tihany gelebt hat.«

      »Warum?«, fragte Graf Sandor außer sich.

      Herr Lindemann zuckte mit den Achseln.

      »Ich habe mir meine eigenen Gedanken darüber gemacht. Ob sie stimmen, weiß ich nicht. Ich dachte, die Gräfin hätte Ihnen den Grund dafür genannt.«

      »Nein«, erwiderte Graf Sandor hart. »Sie hat mich völlig im Unklaren darüber gelassen. Ich möchte ins Schloss. Bitte, geben Sie mir die Schlüssel!«

      »Ich werde Sie begleiten, Herr Graf. Während der Fahrt werde ich Ihnen dann meine Ansicht über den

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