Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola Larsen
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Jeden Tag kämpfte er gegen den sehnlichen Wunsch an, einmal nach Jagdschloss Erlau zu fahren. Aber er unterdrückte diesen Wunsch, weil er wusste, dass es für ihn nur eine neue bittere Enttäuschung würde.
Auf den Brief seiner Stiefmutter hatte er nicht geantwortet. Wenn es irgend möglich war, wollte er ihr aus dem Weg gehen.
Aber er hatte nicht mit ihrer Kaltblütigkeit gerechnet. Eines Vormittags fuhr eine elegante Limousine vor. Ihr entstieg Gräfin Coletta, im schwarzen Modellkleid mit apartem Hut.
Sie trug einen Strauß weißer Rosen im Arm und schritt mit betonter Anmut die Freitreppe hinauf, nachdem sie einen kurzen abschätzenden Blick über das Schloss geworfen hatte. Sie stellte fest, dass der Rasen geschnitten war und zwei Blumenkübel zu beiden Seiten der Freitreppe standen.
Da kein Personal zu erwarten war, das sie empfing, betrat sie ungeniert die Halle.
Sie sah eine ältere Frau auf der Treppe Staub wischen und fragte, wo Graf Sandor sei.
»Der Herr Graf ist in seinem Arbeitszimmer«, sagte die Frau. »Wen darf ich ihm melden?«
»Das ist nicht nötig. Ich bin seine Stiefmutter. Außerdem kenne ich mich hier aus. Sind Sie neu engagiert hier?«
»Ja, mein Mann und ich. Wir heißen Braun. Mein Mann pflegt den Garten, und ich mache mich hier nützlich. Wir sind Rentner und wollen durch diese Arbeit unsere kleine Rente etwas aufbessern. Und wohnen tut man ja hier sehr schön.«
»Vernünftig von Ihnen. Der Aufenthalt hier ist für Sie bestimmt die reinste Erholung.«
Die Gräfin stieg die Treppe hinauf, nickte Frau Braun flüchtig zu und ging auf das Arbeitszimmer zu, in dem auch ihr verstorbener Gatte gesessen hatte.
Die Rosen hatte sie noch in der Hand, und ehe sie durch die nur angelehnte Tür eintrat, versuchte sie, ihrem Gesicht den Ausdruck tiefster Trauer zu verleihen.
Graf Sandor saß in Rechnungsbücher vertieft am Schreibtisch. Auch diesem Raum fehlte Verschiedenes, aber er hatte wenigstens noch die wichtigsten Möbelstücke behalten.
Graf Sandor gewahrte seine Stiefmutter erst, als sie bereits eingetreten war.
Er starrte sie sekundenlang wie einen Geist an. Dann sprang er auf, und aus seinen Augen schoss ein Blitz tiefster Verachtung und Empörung.
»Sandor«, hauchte die Gräfin, »ich habe die ganze Zeit gehofft, du würdest mich einmal besuchen. Es wäre noch so viel zu besprechen gewesen. Ich habe mich heute aufgerafft, um an der Gruft Stefans Blumen niederzulegen. Es tat mir so unendlich leid, dass ich nicht bei dir sein konnte, aber mein Arzt hat es mir strengstens untersagt.«
Sie seufzte auf, legte die Blumen auf einen Tisch und kam auf Sandor zu. Sie sah genau, was er von ihrem Besuch hielt, aber sie tat, als ob sie es nicht merkte.
»Wie kommst du zurecht, mein Lieber? Ich wollte dir doch helfen. Und weißt du, in der Aufregung hatte ich ganz vergessen, dir zu sagen, dass …«
Jetzt hatte er genug.
»Dass Jagdschloss Erlau verkauft worden ist, dass die Hälfte der Möbel von Tihany in dein Stadtschloss gewandert ist, und dass Tihany schon seit einem ganzen Jahr leer steht, das wolltest du mir doch sagen, nicht wahr?«, brüllte er außer sich.
»Sandor«, flehte sie und hob beschwörend beide Hände, »wie kannst du mir solche ungerechtfertigten Vorwürfe machen. Ich werde dir alles genau erklären, und du wirst einsehen, dass wir, dein Vater und ich, richtig gehandelt haben.«
»Das werde ich niemals einsehen«, entgegnete er kalt. »Den Verkauf von Erlau kann ich leider nicht rückgängig machen. Aber ich ersuche dich, die Gegenstände zurückzugeben, die aus der Familie meiner Mutter stammen. Diese Dinge haben in deinem Stadtpalais gar nichts verloren. Und dann möchte ich dich bitten, den Besuch bei mir möglichst einzuschränken. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.«
»Ich verstehe, du bist gereizt, Sandor.« Sie blieb auffallend ruhig. »Aber um die Finanzen deines Vaters stand es nicht mehr so gut, dass die Erhaltung zweier Schlösser gerechtfertigt gewesen wäre. Erlau ist doch ein alter Kasten.«
»Für dich«, schnitt er ihr scharf das Wort ab, »aber für mich war es das Paradies meiner Kindheit, seit Jahrhunderten im Besitz der Tihanys. Dich stört so etwas natürlich nicht.«
»Aber du hast doch Tihany! Genug zu tun für dich, Sandor! Sei doch nicht so störrisch! Und die Sachen deiner Mutter bekommst du natürlich. Ich habe sie für dich nur aufbewahrt, sonst nichts. Ich habe nicht die Absicht, mich an fremdem Eigentum zu bereichern.«
Sie war so sicher und überlegen, dass er für Augenblicke stutzig wurde und schwieg.
Sie sah, wie er in seinen Empfindungen hin und her schwankte.
»Begleitest du mich zur Gruft?«, fragte sie leise und bittend.
Er sah sie kurz an, zögerte einige Augenblicke und erbot sich dann, mitzugehen. Sie nahm wie selbstverständlich seinen Arm, griff nach den Rosen und schritt mit trauriger Miene die Stufen der breiten Marmortreppe hinab.
»Du sollst dir Tihany wieder wohnlich gestalten«, sagte sie, aber sie hatte nicht die Absicht, ihm die wertvollen Gegenstände zurückzugeben. Er würde schon mit der Zeit gefügig werden und ihr nichts wegnehmen. Er war Kavalier, das fühlte sie. Sein Zorn würde schnell schwinden, wenn sie nur sanft blieb.
An der Gruft verharrten sie einige Minuten in tiefem Schweigen. Er stand in einiger Entfernung und wusste nicht, was er von dieser Frau halten sollte. War das alles doch echt?
Als sie ihre Rosen niedergelegt hatte und wieder auf ihn zutrat, lächelte sie ihn so innig an, dass er ihr den Arm bot.
»Ich möchte dir so gern helfen, lieber Sandor«, sagte sie, so weich sie es vermochte.
»Wie sollte das aussehen?«, fragte er immer noch kühl. »Arbeiten willst du doch wohl kaum. Und ich kann jetzt nur Menschen brauchen, denen keine Arbeit zu viel ist. Tihany ist völlig verwahrlost. Warum hat mein Vater Leute entlassen? Warum wird nur die Hälfte der Felder bestellt? Warum seid ihr nicht in Tihany geblieben? Warum musste dieses stilwidrige Stadtpalais gekauft werden, wenn es um die Finanzen nicht zum Besten stand?«
Gräfin Coletta war tief beleidigt, dass er ihr Stadtpalais stilwidrig nannte.
»Das kann ich dir alles nicht sagen«, erwiderte sie heftig, »das ist Sache deines Vaters gewesen, und es ist töricht von dir, einem Toten noch nachträglich Vorwürfe zu machen. Du hättest ja hierbleiben können. Aber nur weil du mich nicht mochtest, bist du nicht zurückgekehrt und hast deinen Vater alle Entscheidungen überlassen.«
»Ich glaube, da irrst du dich. Ich habe täglich darauf gewartet, ein liebes Wort von meinem Vater oder dir zu hören, und wenn man mich gebeten hätte zurückzukommen, hätte ich keine Sekunde gezögert. Aber ich sehe ein, dass meine Fragen keinen Sinn mehr haben. Ich muss mich an die Tatsachen halten. Entschuldige bitte, dass ich so heftig war.«
Sie war sofort versöhnt, wenigstens nach außen hin.