Das Buch vom Bambus. Vladislav Bajac

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Das Buch vom Bambus - Vladislav Bajac editionBalkan

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gefertigt werden. Es gibt ihrer derart viele, dass all deine Wächter zusammen sie nicht mit Wagen transportieren könnten. Im Gegenzug dazu verlange ich von dir meine Freilassung. Tot kann ich dir keinen großen Nutzen bringen.«

      Ishimatsus Augen begannen zu glänzen. Sich seiner Gier bewusst, senkte er den Blick und fragte wie geistesabwesend:

      »Welche Garantie habe ich, dass du die Wahrheit sagst?«

      »Pass auf. Du wirst einen deiner Männer an einen in der Nähe befindlichen Ort schicken, damit er einige Hörner an sich nimmt, und wenn du dich vom Wahrheitsgehalt meiner Aussagen überzeugt hast, können wir weiterreden. Ich bitte dich lediglich um Eile. Mir bleiben nur noch wenige Tage. Aber auch dir.«

      »Wie meinst du das – auch mir?«

      »Nun, ich habe angenommen, dass du dich schon gegen die gefährliche Hand des neuen Shoguns absicherst. Er hat mit einem Schlag alle Daimyōs umbringen lassen. Denkst du etwa, dass er jemanden wie dich auf einer solchen Position belassen wird? Selbst wenn du ihm gegenüber bekennst, wie du den ehemaligen bestohlen hast, wird dir das beim Katzbuckeln nicht viel helfen. Dann würdest du erst recht seine Gerechtigkeit spüren. Und einfach abzuwarten, ob du noch lange Befehlshaber sein kannst, halte ich nicht für sehr klug.«

      Ishimatsu schwieg. Nachdem er mitgeteilt hatte, wie man zu einem Exemplar des Horns kommen könne, kehrte Senzaki in sein Verließ zurück.

      Der Kommandant war ein Mann schneller Entschlüsse. Schon am folgenden Tag holten die Wächter Senzaki ab.

      »Du hast die Wahrheit gesagt. Der Bambus ist von guter Qualität und ausgezeichnet bearbeitet. Niemand hat den Betrug gemerkt. Ich stimme weiteren Abmachungen zu. Bin ganz Ohr.«

      Senzaki atmete durch, tief und schnell, soweit die Situation das zuließ. Er musste eine ebenbürtige Position wahren. Seine Freude verbergend, fuhr Senzaki mit der Offenlegung des restlichen Plans fort.

      »Der Speicher ist eine Nacht Fußmarsch und Schiffsweg entfernt von hier, in Richtung der chinesischen Küste. Mögen einige deiner Leute mit mir gehen, und auch du, falls du das willst. Deine Aufgabe wird es sein, meine Flucht glaubhaft erscheinen zu lassen. Nachdem du dich von der Existenz des Schatzes überzeugt hast, den ich dir anbiete, verspreche ich dir, dass mich niemand jemals wieder in diesem Land sehen wird. Ich werde für immer in China bleiben. Du sorg dafür, dass du für meine Flucht nicht zur Verantwortung gezogen wirst. Ob du deine Position behältst oder nicht, solltest du besser selbst entscheiden, als dass das andere an deiner Stelle tun.«

      »Gut. Ich werde mich darum kümmern, dass drei Tage niemand deine Abwesenheit bemerkt. Nur für den Fall, dass deine Geschichte nicht der Wahrheit entspricht. Dann werden wir dich erneut in Ketten legen. Um meine Pläne mach dir keine Sorgen. Ich weiß, was ich tue.«

      Senzaki musste sich eingestehen, dass dieser Rivale wirklich wusste, was er tat.

      »Heute Abend wird dir jener Wächter das Essen bringen, der sich schon darauf vorbereitet, der Liebling des neuen Shoguns zu werden. Du wirst bereits eine Waffe bei dir haben. Du wirst ihn umbringen. Falls nicht, ist die Absprache hinfällig. Seine Leiche wird nach den vereinbarten drei Tagen gefunden werden. Alles Weitere ist meine Sache. Das war’s.«

      Senzaki war klar, dass er sich nicht fragen durfte, ob er einen solch schlimmen Mord ausführen sollte oder nicht. Als er sich auf Verhandlungen mit Ishimatsu einließ, wusste er, dass er damit auf alles einzugehen hat. In einem Dilemma war er daher nur für kurze Zeit.

      Senzaki schlüpfte in die Rolle des blinden Auftragsausführers und erledigte im Gefängnis seinen Teil des Vereinbarten. Draußen waren Ishimatsus Leute. Sie trieben die Pferde zum Galopp an und erreichten das Ufer, wo Ishimatsu, die Mannschaft, der Kapitän und ein Schiff ohne Flagge einsatzbereit warteten. Sie fuhren auf das nächtliche Meer hinaus. Die Morgenröte ertappte sie in ihrem Versteck in einer der Buchten des mandschurischen Meerbusens. Senzaki zeigte ihnen die überreichlich mit Hörnern aus assamesischem Bambus gefüllte Höhle. Während Ishimatsu und sein Gefolge verzückt ihre künftige Fracht begutachteten, schlich sich Senzaki durch einen geheimen Ausgang auf die andere Seite des Bergs und verschwand in den Wäldern der Provinz Qingdao. Er war umsichtig genug, rechtzeitig aus dem Blickfeld der vor Gier nach Reichtum blutunterlaufenen Augen zu verschwinden, die keine Zeugen mögen.

      VII

      Mein erster großer Irrtum war die Erwartung, dass etwas passieren würde. Nachdem ich einige Male vergeblich auf die Beantwortung von Fragen gewartet hatte, die ich meinen Mitbewohnern gestellt hatte, musste ich mich mir selbst zuwenden und die Antworten bei mir finden. Im Kloster war fast alles, was vom Morgen bis zum Abend, manchmal auch die Nacht eingeschlossen, getan wurde, Bestandteil eines Verhaltenskodex, der Unterhaltungen in der Regel nicht zuließ, wodurch sich der Kontakt unter den Schülern auf die gemeinsame Pflichterfüllung in vollkommener Stille beschränkte. Bei der Rezitation der Sutras waren alle gemeinsam zu hören – mit einer Stimme, doch mit fremden Texten. Knappe Gespräche wurden bei der Begegnung mit dem Rōshi geführt, jedoch in der Zurückgezogenheit der Kōan-Übung. Der Meister hatte uns bis jetzt keine gemeinsamen Vorträge gehalten. Selbst nach mehreren hier verbrachten Tagen hatte ich ihn noch nicht persönlich gesehen. Auch darin hatte ich mich geirrt: Ich erwartete eine offizielle Begegnung mit ihm, diese konnte jedoch stattfinden, wenn ich es am wenigsten erwartete. Bis jetzt war Tetsujiro mein Aufseher gewesen, der auch sonst alle Dinge im Kloster zu überwachen hatte. Mehr noch: Er war der Mann, der Probleme löste, Entscheidungen umsetzte und das wichtigste Bindeglied zwischen den Mitgliedern der Bruderschaft darstellte. Er trug den Titel eines Daishi. Obwohl schon hochbetagt, wollte er bei keiner Arbeit abseits stehen und verrichtete dieselben Tätigkeiten wie auch die allerjüngsten Schüler. Ich hatte ihn gesehen, wie er gleichermaßen versiert den Garten herrichtete, chinesische Künste ausführte, Holz trug und Steine verrückte. Angesichts dieser vielen körperlichen Arbeit faszinierten mich seine Hände: Sie waren schmal und zart und hatten feingliedrige Finger von verblüffender Länge. Wenn er die Hände beim Sprechen der Sutras faltete, betrachtete ich sie heimlich und stellte mir ihr Ende irgendwo unter dem Dachboden vor. Sie strahlten etwas Einzigartiges aus und hatten eine seltsame Wirkung auf mich: Wann immer ich mich zerstreut fühlte und sie mit meinem Blick einfangen konnte, genügte das, um wieder Ruhe zu finden und zu dem zurückkehren, was ich unterbrochen hatte. Er hatte ein von feinen Falten durchzogenes, hageres, längliches Gesicht und eine hohe Stirn.

      Den Rōshi, den ich noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, malte ich mir als einen Mann von außerordentlichen Qualitäten aus, ohne ihn mir in ganz gewöhnlichen Situationen vorstellen zu können. Er verkörperte für mich all das, was ich noch nicht erreicht hatte. Irgendwie gefiel mir die Idee von der Existenz einer solchen Person, und ich fürchtete mich ein wenig vor dem Zusammentreffen mit ihr, weil es, wie ich glaubte, den Zauber zerstören könnte, mit dem ich sie bereits umgeben hatte.

      Tetsujiro aber war in einer noch misslicheren Lage. Sein Titel wies ihm neben der Last der Verantwortung die einfachsten täglichen Pflichten zu, auf die Unwissende verächtlich herabgeschaut hätten. Ich kannte ihn noch nicht gut genug, hatte aber grenzenloses Vertrauen zu ihm. Als ich ihn schließlich eines Tages sah, wie er auf Knien, das Priestergewand zwischen die Beine geklemmt, den Abort scheuerte, war ich perplex. Dieser Mann hatte alles Unvereinbare in sich vereint! Wenn er diese Arbeit erledigte, wirkte es so normal, schlicht und frei von jedem Gedanken über Stolz, Rang und Alter. Die Ruhe, die er ausstrahlte, war sein besonderes Kennzeichen, aber auch Ausdruck des möglichen Erreichens einer Sphäre, in der darüber überhaupt nicht nachgedacht, sondern nur gehandelt wurde.

      Als Tetsujiro mir den Tagesablauf der Unsui und die kleinen, mich betreffenden Abweichungen erklärte, blieb sein Gesicht vollkommen ausdruckslos, so als würde ein anderer diese Worte aussprechen, die er wohl schon unzählige Male wiederholt hatte.

      Der

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