Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson

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Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson

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einzufangen, die er so sehr verehrte. Einige der frühen Briefe sind unübersehbar ehrgeizige Übungen, die darin bestehen, Schriftsteller von John Dos Passos bis Lord Buckley oder William Styron zu imitieren. Mit zwanzig war Thompson davon überzeugt, der F. Scott Fitzgerald seiner Generation zu werden; er trug seine ausufernde Kollektion von Briefen in Koffern mit sich herum, in dem Glauben, sie seien eine finanzielle Rücklage für schlechte Zeiten. »Eben habe ich zwei von den Briefen noch einmal gelesen, die ich Dir nach Island geschickt habe«, schrieb er 1959 seinem Air-Force-Kumpel Larry Callen 1959. »Vielleicht bringe ich meine Sammlung heraus, bevor ich berühmt werde – nicht erst hinterher.«

      Zusammengenommen zeigen die frühen Briefe einen hand­werklich vortrefflichen Autor; und einen jugendlichen Outlaw mit einer nonkonformistischen Haltung, inspiriert von seinen Lieblingsfiguren in Der ewige Quell von Ayn Rand, Der Fänger im Roggen von J. D. Salinger, Siddharta von Hermann Hesse oder Auf Messers Schneide von Somerset Maugham. Dabei folgte Thompson stets kompromisslos seinem eigenen Rhythmus und seiner eigenen Stimme. »Ich habe vor nichts Angst und lege es auf nichts an«, schrieb er 1958 einer Freundin. »Ich bin wie ein Psychopath in einem Völkerballspiel, der abwartet; mein Atem geht schnell, während die Idioten überlegen, wer als nächster auf mich werfen soll, und dann springen sie alle zur Seite, nur aus dem Grund, weil ich es bin, der in der Mitte steht.« Die Briefe machen klar, das sich Thompson bewusst zu einem amerikanischen Adam stilisiert hat, einer Figur, die der Kritiker R.W.B. Lewis so definiert hat: ein »auf sich selbst gestelltes und aus sich selbst heraus agierendes Individuum, bereit, sich mit allem und jedem auseinanderzusetzen kraft der eigenen, ganz speziellen und nur ihm selbst innewohnenden Ressourcen«. Die Autoren, die Thompson in seinen Zwanzigern am meisten bewunderte – Ernest Hemingway, Jack London, Henry Miller – waren nicht Teil einer literarischen Bewegung oder eines elitären Clubs, sie waren so etwas wie ihre eigenen rollenden Salons. »Ein guter Autor steht über jeder Bewegung«, schrieb Thompson, »und ist weder Anführer noch Mitläufer. Ein guter Autor ist – ein glänzender weißer Golfball auf einem Feld voller windgeschüttelter Gänseblümchen.« Dass Thompson dann 1960 nach Big Sur zog, war kein Zufall. Er wollte in der Nähe von Henry Miller sein, dessen radikale Offenheit er mehr als alles andere bewunderte.

      Ein Dauerthema in diesem Band seiner Gonzo-Briefe sind Thompsons Angriffe auf die Mainstreampresse; er betrachtete ihre Vertreter als unterwürfige Sprachrohre des Rotary Clubs, der US-Regierung und des Establishments der Ostküste. Den unter dem Dach der New York Times versammelten angeblichen objektiven Journalisten zog er den subjektiven Journalismus von Autoren wie H. L. Mencken, Ambrose Bierce, John Reed oder I. F. Stone vor. Nachdem er 1959 vom Daily Record in Middletown (New York) gefeuert worden war, weil er einen Süßigkeitenautomaten eingetreten hatte, schrieb Thompson jene Zeilen, die womöglich so etwas wie sein Lebensmotto sind: »Ich versuche so gut wie möglich genau das Leben zu führen, an das ich glaube.« Und in derselben Notiz stellte er zwei Grundregeln für angehende Autoren auf: »Erstens: Zögere niemals, Gewalt anzuwenden, und zweitens: Missbrauche deine Vertrauenswürdigkeit, wo immer es die Sache wert ist. Wenn du dich daran hältst, und wenn es dir gelingt, einen kühlen Kopf zu behalten, hast du eine Chance, es zu schaffen.«

      Es ist schwer zu sagen, wann genau es mit dem sogenannten New Journalism losging. Sicher zeigen die Jahre 1965 und 1966, wie sie im ersten Band The Proud Highway beschrieben werden, dass der New Journalism von einer Reihe wagemutiger Autoren eingeläutet und von einem breiten Publikum dankbar aufgenommen wurde. Während für Gay Talese, Jimmy Breslin, Truman Capote, Tom Wolfe, Norman Mailer, Terry Southern – prominente Bekannte von Thompson – das Magazin Esquire und die Herald Tribune aus New York den Nährboden für New Journalism bildeten, lehnte Thompson dieses in seinen Augen banale Schlagwort ab. Er fand den Begriff »impressionistischer Journalismus« treffender. Lange bevor sich George Plimp­ton einen Fußball schnappte und The Paper Lion schrieb, bewunderte Thompson es, wie Ernest Hemingway, Stephen Crane oder Mark Twain literarische Techniken mit Reportageelementen kombinierten und bei der Beschreibung von Ereignissen mit Nachrichtenwert die Bedeutung einer persönlichen Beteiligung des Autors hervorhoben.

      Als ich die Korrespondenzen von Thompson las und seine Notizbücher durchging, wurde mir klar, dass George Orwells Mein Katalonien – sein Bericht aus erster Hand über den Spanischen Bürgerkrieg – und Erledigt in Paris und London – sein Bericht über die Notgemeinschaft mit aus der Welt gefallenen Obdachlosen – die wohl wichtigsten Einflüsse für Thompsons Technik und Stil waren. Wenn es Orwell gelungen war, mit heruntergekommenen Säufern im absoluten Dreck zu leben und darüber zu schreiben, dann würde Thompson das auch können – und sich unter Schmugglerbanden in Aruba mischen, Bordelle in Brasilien aufsuchen oder sich Motorradgangs in Kalifornien anschließen; selbst wenn es mit dem Risiko verbunden war, verprügelt oder eingesperrt zu werden. Damit Journalismus gegen Literatur bestehen könne, glaubte er, müsse eine Story die Zeit überdauern. »Literatur ist eine Brücke zur Wahrheit, die für den Journalismus unerreichbar bleibt«, schrieb Thompson 1965 an den Herausgeber Angus Cameron. »Fakten sind Lügen, wenn sie nur aneinandergereiht werden.«

      Es gab einige, die in den fünfziger und sechziger Jahren impressionistischen Journalismus praktizierten und die er dafür bewunderte: A. J. Liebling, der über Medien, Grantland Rice, der über Sport, James Baldwin, der über Rassismus und Norman Mailer, der über existenzielle Ängs­te schrieb. Doch keiner von ihnen, so fand er, fing die explosive sinnliche Kraft von journalistischen Abenteurern wie Orwell, Hemingway oder London ein, die unmittelbar ihre persönlichen Erlebnisse schilderten.

      In jungen Jahren gab es bei Thompson immer wieder diese sardonischen Spielchen, die darin bestanden, andere über­trumpfen zu wollen: William Faulkner lud er in seine eiskalte Hütte im Tal des Hudson River ein, um »Hühner zu stehlen«; Nelson Algren warf er vor, bösartig wie Nixon zu sein; Norman Mailer riet er, bloß gut aufzupassen, was hinter seinem Rücken passiere, denn »HST« sei gerade dabei, den »Großen Puerto-ricanischen Roman« zu schreiben. Und jagte Hemingway mit einem Gewehr in der Hand Großwild am Kilimandscharo, dann schlich Thompson mit einem Bowie-Messer einem Wildschwein in Big Sur hinterher. Bestellte der Ginger Man von J. P. Donleavy fünf Gläser Whiskey auf einmal, waren es bei Thompson fünf Flaschen. Er wollte unbedingt mit einer Story rüberkommen, die so krass war und einem dermaßen die Augen verdrehen würde, dass Das Herz der Finsternis im Vergleich dazu wie eine Gute­nachtgeschichte aussehen würde – allerdings gehörten für ihn auch Humor und ein Augenzwinkern dazu.

      Kein neuerer amerikanischer Autor ist so umstritten wie Hunter S. Thompson. Sein von Mythen umranktes öffentliches Bild erregt bisweilen mehr Aufmerksamkeit als seine acht publizierten Bücher. Nicht weniger als vier Biographen wurden in den letzten sechs Jahren über ihn geschrieben, mehrere Dokumentarfilme erzählen seine Lebensgeschichte. Garry Trudeau hat in den letzten zwanzig Jahren in seinem Comic Doonesbury mit der an Thompson angelehnten Figur Uncle Duke seinen Lebensunterhalt bestritten. Neben Batman und Green Hornet2 ist Thompsons Konterfei – ohne seine Zustimmung – als Actionfigur vermarktet worden, ganz zu schweigen von den Angst-und-Schrecken-in-Las-Vegas-T-Shirts, die an der Ecke Haight and Ashbury mit Jerry Garcia, Mick Jagger und Kurt Cobain konkurrieren. In seinem Buch On Writing Well von 1980 bezeichnet William Zinsser Thompson als Amerikas »acidgetriebenen Men­cken«; NBC-Nachrichtensprecher John Chancellor nannte ihn »Billy the Kid auf Speed«; und in der Boulevardpresse ist Thompson so populär wie in den Hörsälen der Universitäten – wenn auch das Interesse an seinem Alkohol- und Marihuanakonsum in beiden Fällen größer zu sein scheint als an seinem Werk. Wie aber diese Briefe hier zeigen – vor allem, wenn er an Freundinnen oder an seine Mutter schreibt –, verbirgt sich hinter der öffentlichen Person ein oftmals nachdenklicher Mensch. »Ich habe noch keine Droge gefunden, die auch nur annähernd so high macht wie am Tisch zu sitzen und zu schreiben«, bemerkte Thompson 1989 bei einem der Gespräche für ein Buch über sich.

      Wie in The Proud Highway dokumentiert, scheiterte der traditionelle Journalismus in Thompsons Augen gerade dann, wenn es um eine angemessene Berichterstattung der wirklich großen Themen gegangen wäre: die Nixon-Ken­ne­dy-Debatte,

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