Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson

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Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson

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»Man riecht es, dass mit ihm etwas nicht stimmt.« Wie sein Held Bob Dylan im spöttischen Refrain von »Ballad of a Thin Man« nahelegte (»Irgendwas geht hier vor / Aber du weißt nicht, was es soll / oder, Mister Jones?«), war die etablierte Presse hilflos, wenn es darum ging, über Kundgebungen des Black Panther, Grateful-Dead-Konzerte oder LSD-Kool-Aid-Par­tys zu berichten. Hunter S. Thompson tat es. »Zuletzt handelten meine Artikel von Oben-ohne-Tänzerinnen, Müll im Hafenbecken, Marihuana, Karate und einer im allgemeinen zur Veröffentlichung ungeeigneten Mischung aller möglichen unvorhersehbaren Sujets«, schrieb er 1965 einem Freund. Thompson war ein Interpret der Gegenwartskultur. Mit einem Bein stand er im journalistischen Mainstream –wenn er etwa für das Unternehmen Dow Jones schrieb –, mit dem anderen steckte er tief im psychedelischen Underground. »Ich bin hier draußen unterwegs, um herauszufinden, welche Art von epidemischem Stillstand den amerikanischen Traum befallen hat«, notierte er in einem Brief an einen New Yorker Redakteur.

      Gonzo-Journalismus ist der Begriff, der am häufigsten mit Hunter S. Thompson in Verbindung gebracht wird und der erst 1970 in das amerikanische Wörterbuch aufgenommen wurde. Es war Bill Cardoso, ein Reporter des Boston Sunday Globe, der nach der Lektüre von Thompsons »Das Kentucky Derby ist dekadent und degeneriert« in Scanlan’s Monthly ausgerufen hatte: »Das war Gonzo pur!« Einige behaupten, der Begriff stamme aus dem Italienischen und bedeute Verrückter, doch Cardoso besteht darauf, dass das Wort seinen Ursprung bei den Iren im Süden Bostons habe und denjenigen bezeichne, der nach einem nächtlichen Trinkmarathon als Letzter noch stehen könne. Als rein literarische Kunstform betrachtet ist für Gonzo die Unmittelbarkeit des Textes entscheidend – der Reporter und seine Recherche stehen im Zentrum des Geschehens. Hingekritzelte Notizen, transkribierte Interviews, Auszüge aus Zeitungsartikeln, Bewusstseinsstrom, wörtlich wiedergegebene Telefongespräche und Faxseiten – all das sind Bestandteile eines radikal-subjektiven Gonzo-Journalismus. »Es ist eine Form der Reportage, der eine Idee von William Faulkner zugrunde liegt: die beste Fiktion ist sehr viel wahrer als jede Art von Journalismus«, so Thompson. Herbert Mitgang, Kritiker der New York Times, beschrieb Gonzo ganz einfach als alles, was Hunter S. Thompson eben veröffentlichte: »Gonzo ist sein eigenes journalistisches Markenzeichen und hat sich seinen Weg sogar ins neue Lexikon von Random House gebahnt, in dem es mit Begriffen wie bizarr, verrückt, exzentrisch umschrieben wird. Er ist der einzige in dem Lexikon, der in Verbindung mit Gonzo-Journalismus genannt wird.«

      Obwohl sich Thompson eisern den Ruf erarbeitet hat, Herausgeber einzuschüchtern und Agenten zu feuern – die bei ihm »blutsaugende Zehnprozenter der amerikanischen Gesellschaft« heißen –, ist ein großer Teil der Korrespondenz in The Proud Highway an Redakteure und Herausgeber gerichtet, die hellsichtig genug waren, um Thompson zahlreiche Chancen zu geben; insbesondere Clifford Ridley vom National Observer und Dwight Martin von The Reporter. Beide schrieben Thompson, dass sie seine Briefe sogar noch besser als seine Stories fänden und er auf dem besten Weg sei, der nächste Lincoln Steffens zu werden. Doch in seiner langen literarischen Laufbahn gab es allen voran einen Redakteur, den Thompson bedingungslos bewunderte: Carey McWilliams von The Nation.

      McWilliams wurde auf Thompson erstmals im August 1962 aufmerksam. Der legendäre Redakteur las jene Serie außergewöhnlicher Berichte, die ein trinkfester Autor von Lateinamerika aus an den National Observer geschickt hatte, einer erst kurz zuvor von dem Unternehmen Dow Jones gegründeten Wochenzeitung. McWilliams hatte einen Riecher für neue Talente und war von Thompsons Draufgängertum beeindruckt; von seiner Fähigkeit, »tief in eine Geschichte einzudringen«, wie er das in der Reportage »Ein leichtsinniger Amerikaner in einer Schmugglerhöhle« vorgeführt hatte. Einige Jahre später, nachdem Thompson den National Observer verlassen hatte, weil sich die Redaktion seiner euphorischen Besprechung von Tom Wolfes Das bonbonfarbene tangerinrot-gespritzte Stromlinienbaby verweigert hatte, beauftragte ihn McWilliams, für The Nation über das von Mario Savio gegründete Free Speech Movement in Berkely zu schreiben.

      Thompson nahm das Angebot an. Es war zugleich der Anfang einer außergewöhnlichen Korrespondenz, die sich in diesem Band wiederfindet. Von Mitte der sechziger Jahre an schrieb Thompson beinahe wöchentlich Briefe an McWilliams, die von allem Möglichem handelten: von Ken Keseys Verhaftung wegen Besitzes von Marihuana bis zur Ermordung von Malcolm X, von Flüchtlingslagern im Salinas Valley bis zur »verflüssigten Gitarre« von Jimi Hendrix, vom Aufstieg Ronald Reagans bis zum Niedergang Lyndon Johnsons. »Die Zerstörung Kaliforniens ist ein logischer Höhepunkt der Ausbreitung Richtung Westen«, schrieb Thompson in seinem Apartment in Haight-Ashbury, 318, Parnassus Street, an McWilliams. »Der Redwood-National­park, die Autobahnen, die Drogengesetzgebung, Rassenunruhen, Was­serverschmutzung, Smog, das Free Speech Movement und jetzt Reagan als Gouverneur – das alles ereignet sich mit einer mathematischen Logik. Kalifornien markiert in jeder Hinsicht das Ende der Idee Lincolns, Amerika sei ›die größte und letzte Hoffnung des Menschen‹.«

      McWilliams war es auch, der Thompson beauftragte, über die Hell’s Angels zu schreiben. Ergebnis: »Motorcycle Gangs: Losers and Outsiders«, eine Titelgeschichte, die am 17. Mai 1965 erschien und einem freien Journalisten Ruhm und einen lukrativen Buchvertrag einbrachte. »Carey war mehr als jeder andere für den Erfolg von Hell’s Angels mitverantwortlich«, schrieb Thompson. »Er ermutigte mich in jeder Hinsicht.« Oder wie er einem befreundeten Reporter 1966 sagte: »Für Carey McWilliams schreiben zu dürfen ist eine Ehre … Er zahlt nicht viel, aber was soll’s … Wenn deine Geschichte in The Nation erscheint, fühlst du dich gereinigt.«

      Die erste Auflage von Hell’s Angels war schon vor der offiziellen Veröffentlichung ausverkauft. Als das Buch 1967 auf die Bestsellerliste kam, blieb es dort über Wochen und hielt sich bis zum Ende des Summer of Love. »Jeder Biker des Landes muss sich ein Exemplar gekauft haben«, mutmaßte Thompson über seinen Erfolg, der scheinbar über Nacht gekommen war. Das Buch bekam in zahlreichen großen Zeitungen begeisterte Kritiken. Richard Elman notierte in The New Republic, dass Hell’s Angels »einen Geist nahe eines Rimbaud’schen Deliriums ausstrahlt … dem sich zu nähern nur wenigen Genies vorbehalten ist … Es dürfte sich lohnen, die zukünftige Entwicklung des Autors Hunter S. Thompson genau im Blick zu behalten.« Studs Terkel bezeichnete das Buch in der Chicago Tribune als »großartig und furchteinflößend«, während Eliot Fremont-Smith Thomp­son in der New York Times einen »geistreichen, wachen und originellen Autor« nannte. Sogar Thompsons Heimatblatt, das Courier-Journal in Louisville – das 1955 eine Lügengeschichte über seinen polizeilichen Arrest veröffentlicht hatte – sparte nicht mit Lob: »Soziologisch interessant, und das in einem Stil, der nur den wenigsten Soziologen gelingt. Ein erfahrener, anspruchsvoller Autor, der noch jung ist. Thompson durchdringt sein Thema, er versteht etwas von den sozialen und psychologischen Motiven dieser bunt zusammengewürfelten Truppe von Außenseitern.«

      Bei der Zusammenstellung der Briefe für The Proud Highway wurde mir klar, dass Thompson – sobald man seinen aufrührerischen Geist und seine Anmaßungen einer Prüfung unterzogen hat – aus heutiger Sicht ein öffentlicher Moralist ist; einer, der Puritanismus in jeder Ausformung attackiert und dann und wann sogar prophetische Fähigkeiten aufblitzen lässt. Ob er Lyndon Johnson wegen des Vietnamkriegs beschimpft, ob er schon 1965 prophezeit, dass Ronald Reagan eines Tages ins Weiße Haus einziehen wird oder ob er sich über die Gegenkultur von Haight-Ashbury lustig macht – mit klarsichtigen, messerscharfen Kritiken erweist sich Thompson als eine der lebendigsten Stimmen seiner Generation. »Sein Stil wird irrtümlicherweise für übertrieben gehalten, als eine Ausgeburt von blühender Phan­tasie und Drogenkonsum, aber das war nicht anders zu erwarten«, schrieb Edward Abbey über Thompson. »Es ist wie immer in diesem Land – wenn du ihnen die Wahrheit erzählst, belächeln sie dich nur.«

      Eine Auswahl der Briefe für diesen Band zu treffen war eine Aufgabe, die einen zur Verzweiflung treiben konnte. Für jeden veröffentlichten Brief wurden fünfzehn aussortiert. Einer von Thompsons beeindruckenden Qualitäten ist die geradezu akademische Präzision seiner Arbeit, und da sind auch seine frühen Briefe keine Ausnahme. Er verachtet sprachlichen

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