Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson
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Die Briefe in The Proud Highway werden hier – mit Ausnahme von Streichungen, um den Lesern unnötige Wiederholungen oder unerhebliche Details zu ersparen (mit eckigen Klammern gekennzeichnet) – so abgedruckt, wie Thompson sie getippt hat. Es wurden lediglich einige Adressen weggelassen, um die Privatsphäre der betreffenden Personen zu schützen. Wesentliches Ziel ist Verständlichkeit; gleichzeitig sollen Thompsons Eigenheiten bewahrt werden: sein Sprachrhythmus, sein Zorn, die Höhenflüge seiner Imagination und die ihm eigene Wärme. Den meisten Briefen ist eine knappe editorische Notiz vorangestellt, um einen historischen Kontext herzustellen und die erzählerische Kontinuität zu wahren.
Um eine Bestandsaufnahme dieser wahren Fundgrube zu ermöglichen, hat das Eisenhower Center for American Studies der Universität von New Orleans das Hunter S. Thompson Letter Project ins Leben gerufen. Zur vorrangigen Aufgabe der Mitarbeiter des Zentrums gehört es, sämtliche Facetten der amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu erforschen. Nachdem ich eine Woche mit Thompson auf der Owl Farm verbracht habe, war ich überzeugt, dass diese Korrespondenz für die Geschichte des Nachkriegsjournalismus sowie für Literatur, Politik und populäre Kultur von größter Bedeutung ist. Da das Eisenhower Center bereits die Richard Nixon Project Papers des Historikers Stephen E. Ambrose beherbergt, ist es nur folgerichtig, dass das Zentrum auch ein Projekt finanziert, das dem Erzfeind unseres 37. Präsidenten verpflichtet ist.
Neben den Briefen hat Thompson Hunderte von Notizbüchern in der Owl Farm archiviert, darunter handgeschriebene journalistische Notizzettel und zwei unveröffentlichte Romane: Prince Jellyfish (1959-1960) und The Rum Diary (1961-1966), die beide zu seiner besten frühen Prosa zählen. Das Archiv enthält außerdem ein Dutzend unveröffentlichter Short Stories wie Hit Him Again Jack, Wither Thou Goest und The Cotton Candy Heart sowie eine Reihe vollständig ausgearbeiteter und noch unveröffentlichter Gonzo-Stücke über so unterschiedliche Sujets wie die Bluegrassmusik von Bill Monroe, den Triumph Jimmy Carters im Weißen Haus oder die Invasion Ronald Reagans in Granada 1983. Als respektabler Fotojournalist, der von Robert Frank und Walker Evans beeinflusst wurde, legte Thompson in den frühen Sechzigern auch hier großen Wert auf seine handwerkliche Entwicklung, und so befinden sich im Archiv einige Hundert seiner schlichten Schwarzweißbilder. Doch maßgeblich sind die Pappkartons mit seinen Briefen.
Zusammengenommen ergeben die Briefe in The Proud Highway eine inoffizielle Geschichte von zwei Dekaden im öffentlichen Leben Amerikas. Eine Geschichte, die sehr viel persönlicher ist als die üblichen, auf Skandale abzielenden Biographien über ihn, und auf gewisse Weise sind sie aufschlussreicher als seine eigenen publizierten Texte aus jenen turbulenten Tagen. Denn die Briefe dokumentieren mehr als nur die Zeit, in der sie entstanden sind. Sie erzählen auch von ihrem Autor, und damit sind sie beides zugleich – die Memoiren von Hunter S. Thompson über die Jahre, die ihn prägten, wie auch Erinnerungen an das Aufflammen der Gegenkultur in den sechziger Jahren, von der er so kunstvoll Zeugnis abgelegt hat.
New Orleans, Louisiana
14. Dezember 1996
Anmerkungen des Autors
Von Hunter S. Thompson
Das andere Wehe ist dahin; und siehe,
das dritte Wehe kommt schnell.
Offenbarung 11:14
Heute ist Freitag, der dreizehnte, in Louisville. Der Himmel ist bedeckt, der Blick von der Penthouse-Suite im Brown Hotel reicht nicht weit. Im ganzen Hotel gibt es nur ein einziges Fenster, das sich öffnen lässt – dieses hier in meinem Zimmer. Der Security-Chef hat es gestern mit einem Meißelhammer geöffnet, und der Hotelmanager jammerte und meinte, das sei die reinste Einladung zum Selbstmord.
Gestern war ein besserer Tag. Der Bürgermeister von Louisville hat den gestrigen Tag, den 12. Dezember 1996, offiziell zum Hunter-S.-Thompson-Tag erklärt. Mir wurde als besondere Auszeichnung der Stadtschlüssel überreicht, und die Sonne strahlte hell wie ein Feuerball … Gestern war ein interessanter Tag, im chinesischen Sinn, aber heute hat sich definitiv alles zum Schlechteren gewandt. Es gibt Gerüchte, dass es nachts ein Feuer und tumultartige Szenen gegeben habe, nach meiner Lesung gestern im Memorial Auditorium. Jugendliche Schlägerbanden sind Amok gelaufen und haben mein Umkleidezimmer abgefackelt, nur wenige Augenblicke, nachdem meine Mutter schleunigst in einer Limousine in Sicherheit gebracht worden war.
Der Abend war ein Riesenerfolg, hieß es, doch er hinterließ bei vielen Leuten Wunden und seltsame Hufabdrucke … Wie ein krudes mongolisches Sprichwort sagt: »Für jeden Moment des Triumphs, für jeden Augenblick von Schönheit müssen eine Menge Seelen zertrampelt werden.«
Ich bin im Brown Hotel kein Unbekannter. Man kennt mich hier gut, seit vierzig Jahren. Als ich fünf war, brachte mich mein Großvater am Ostermorgen in den Speisesaal, und wir schauten einem koreanischen Zimmermädchen dabei zu, wie es dem Gouverneur von Kentucky einen Eispickel in die Leiste stach. Das werde ich nie vergessen.
Solche Geschichten sind alles andere als erfreulich, doch die Vergangenheit lebt weiter. Und da wären wir auch schon bei der Tour de Force durch meine eigene Geschichte. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand noch ruhig sitzen bliebe, wenn man seine intimen – und in manchen Fällen zweifellos belastenden – Korrespondenzen kistenweise aus verschlossenen Kellerarchiven hervorholen würde. Ich blieb tatsächlich ruhig, mein Freund, aber nur von fern, mit dem größtmöglichen inneren Abstand, und umso mehr gab ich mir Mühe, jetzt keinen Ärger mehr zu machen. Denn ich wollte im Dunkeln bleiben und so tun, als sei ich tot, und genau dafür haben mich andere auch schon gehalten. Mistah Thompson, er ist tot … Ja, wir haben verstanden: Arbeit und Leben und folgenreiche berufliche Schicksale des ein oder anderen wären leichter gewesen, wäre ich eines Nachts auf einer glänzenden Ducati abgezischt und nie mehr zurückgekehrt.
Es wäre eine andere Straße gewesen. Dies hier aber ist, wie wir uns schließlich entschieden haben, The Proud Highway.
Wenn ich jetzt auf diese gespenstische Sammlung starre und mich an all die Datumszeilen und Leute erinnere, die ich auf diesem von Ort zu Ort ziehenden Fest aus Gewalt, Leidenschaft und ständiger Revolution – die auf dem Höhepunkt der sechziger Jahre höchst lebendig war – getroffen habe, dann sind es zwei Dinge, über die ich mich wundere.
1) Wo sind all die Leute, die die gleichen Dinge wie ich gemacht und die gleichen wahnsinnigen Briefe wie ich geschrieben haben, manchmal sogar aus denselben verrückten Städten und mit den gleichen verzweifelten Gefühlen, die ich selbst hatte und gut kannte, Gefühle, unter denen ich wirklich litt – denn ich war jung und gestört und arrogant und definitiv zu keiner Arbeit zu gebrauchen, und wenn, dann nur mit dem nötigen Sicherheitsabstand? … All das stimmt, woran diese Briefe nicht den geringsten Zweifel lassen, und es war eben kein Zufall, dass ich damals in jedem Job, den ich hatte, gefeuert und in jeder Wohnung, in der ich zu leben versuchte, geräumt worden bin.
Und 2) Wo sind jene, die mir geholfen und mich versteckt und die gleichen Risiken auf sich genommen haben wie ich – auf dieser Underground-Hochgeschwindigkeitsstrecke, die damals, in jenen Tagen, beinahe überall verlief, ganz gleich, wohin man gerade unterwegs war? Ich denke an all ihre Geschichten und Mythen und ausgefeilten furchteinflößenden Briefe, die niemals irgendwo erschienen sind und auch in Zukunft nirgends erscheinen werden, sieht man einmal von Familienalben ab.
Manche dieser Leute kommen in den Briefen hier vor, andere bleiben im Dunkeln – entweder aus guten Gründen oder aus überhaupt keinem vernünftigen Grund. Ich sitze jetzt in diesem Grand Hotel und weiß, dass es morgen eine Menge Ärger geben wird, Untersuchungen, die mit diesem