Die Tugend des Egoismus. Ayn Rand

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Die Tugend des Egoismus - Ayn Rand

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ist die Entscheidung „denken oder nicht“ die Wahl zwischen „fokussieren oder nicht“. Existentiell gesehen ist die Entscheidung „fokussieren oder nicht“ die Wahl zwischen „bewusst sein oder nicht“. Metaphysisch gesehen ist die Entscheidung „bewusst sein oder nicht“ die Wahl zwischen Leben oder Tod.

      Bewusstsein ist für die Organismen, die es besitzen, die Überlebensgrundlage. Für den Menschen ist die Überlebensgrundlage der Verstand. Der Mensch kann nicht wie ein Tier durch die Leitung bloßer Wahrnehmungen überleben. Das Gefühl von Hunger wird ihm sagen, dass er Nahrung benötigt (falls er gelernt hat, es als „Hunger“ zu identifizieren), doch es wird ihm nicht sagen, wie er seine Nahrung erlangen kann oder welche Nahrung gut oder giftig für ihn ist. Ohne einen Denkprozess kann er nicht einmal seine simpelsten physischen Bedürfnisse befriedigen. Er braucht einen Denkprozess, um zu entdecken, wie man pflanzt und sein Essen anbaut oder wie man Waffen für die Jagd herstellt. Seine Wahrnehmung führt ihn vielleicht zu einer Höhle, wenn es eine gibt – doch um den simpelsten Unterschlupf zu bauen, braucht er einen Denkprozess. Weder Wahrnehmungen noch „Instinkte“ werden ihm sagen wie man Feuer macht, Stoff webt, Werkzeuge schmiedet, ein Rad oder ein Flugzeug baut, eine Blinddarmoperation durchführt, eine elektrische Glühbirne, eine Elektronenröhre oder einen Teilchenbeschleuniger baut oder eine Schachtel Streichhölzer produziert. Und doch hängt sein Leben von solchem Wissen ab – und nur ein willentlicher Akt seines Bewusstseins, ein Denkprozess, kann das leisten.

      Aber die Verantwortung des Menschen geht noch weiter: Ein Denkprozess ist weder automatisch, noch „instinktiv“, noch unwillkürlich – noch unfehlbar. Der Mensch muss ihn initiieren, ihn aufrechterhalten und die Verantwortung für seine Ergebnisse tragen. Er muss entdecken, wie man zwischen wahr oder falsch unterscheiden und die eigenen Fehler korrigieren kann; er muss entdecken, wie er die Stichhaltigkeit seiner Begriffe, seiner Feststellungen und seines Wissens erkennen kann; er muss die Regeln des Denkens, die Gesetze der Logik, entdecken um damit sein Denken zu leiten. Die Natur gibt ihm keine automatische Garantie für die Wirksamkeit seiner geistigen Anstrengung.

      Nichts ist dem Menschen auf der Erde gegeben, außer einem Potential und dem Material um es zu realisieren. Das Potential besteht aus einer überragenden Maschine: Seinem Bewusstsein; doch es ist eine Maschine ohne Zündkerze, eine Maschine deren eigener Wille ihre Zündkerze, ihr Anlasser und Fahrer sein muss; der Mensch muss entdecken, wie man sie benutzt und er selbst muss sie in ständiger Aktion halten. Das Material ist das gesamte Universum, ohne Grenzen für das Wissen, das er erwerben und die Lebensfreude, die er empfinden kann. Doch alles was er braucht oder begehrt, muss von ihm erlernt, entdeckt und produziert werden – durch seine eigene Entscheidung, durch seine eigene Anstrengung, durch seinen eigenen Verstand.

      Ein Organismus, der nicht automatisch weiß, was wahr oder unwahr ist, kann nicht automatisch wissen, was richtig oder falsch ist, was für ihn gut oder böse ist. Und doch braucht er dieses Wissen um zu leben. Er ist nicht von den Gesetzen der Realität ausgenommen, er ist ein spezifischer Organismus mit einer spezifischen Natur, die spezifische Handlungen erfordert, um sein eigenes Leben zu erhalten. Er kann sein Überleben weder durch willkürliche Mittel, noch durch zufällige Bewegungen, blinde Triebe, Glück oder Launen erreichen. Das, was er zum Überleben braucht, wird bestimmt durch seine Natur und unterliegt nicht seiner Entscheidung. Seiner Entscheidung unterliegt nur, ob er es entdeckt oder nicht, ob er die richtigen Ziele und Werte wählt oder nicht. Er ist frei, die falsche Wahl zu treffen – aber nicht frei, damit Erfolg zu haben. Er ist frei, der Realität auszuweichen, er ist frei, seinen geistigen Fokus auszuschalten und blind jeden beliebigen Weg entlang zu stolpern – doch er ist nicht frei, den Abgrund zu umgehen, den er sich zu sehen weigert. Wissen ist für jeden bewussten Organismus die Überlebensgrundlage; für ein lebendiges Bewusstsein, impliziert jedes „ist“ ein „sollte“. Dem Menschen ist es freigestellt, sich zu entscheiden, nicht bewusst zu sein – aber es ist ihm nicht freigestellt, der Strafe der Bewusstlosigkeit zu entkommen: Der Zerstörung. Der Mensch ist die einzige lebende Spezies, die die Macht hat, als ihr eigener Zerstörer zu handeln – und so hat der Mensch in seiner Geschichte meistens gehandelt.

      Welches sind also die richtigen Ziele, die der Mensch verfolgen sollte? Welches sind die Werte, die er zum Überleben benötigt? Das ist die Frage, die durch die Wissenschaft der Ethik beantwortet werden muss. Und darum, meine Damen und Herren, braucht der Mensch einen Moralkodex.

      Jetzt können Sie die Bedeutung von Lehren einschätzen, die Ihnen sagen, dass Ethik das Reich des Irrationalen sei, dass die Vernunft das Leben des Menschen nicht leiten könne, dass seine Ziele und Werte durch Abstimmung oder nach Laune bestimmt werden sollten – dass Ethik nichts mit der Realität, mit dem Dasein oder mit praktischen Handlungen und Angelegenheiten zu tun habe – oder dass das Ziel der Ethik jenseits des Grabes liege, dass die Toten Ethik bräuchten, nicht aber die Lebenden.

      Ethik ist kein mystisches Hirngespinst und keine gesellschaftliche Konvention – und ebenso wenig ist sie ein entbehrlicher, subjektiver Luxus, den man abschalten oder in einem Notfall wegwerfen kann. Ethik ist eine objektive metaphysische Notwendigkeit des menschlichen Überlebens – nicht aufgrund des Übernatürlichen, Ihrer Nachbarn oder Ihrer Launen, sondern aufgrund der Realität und der Natur Ihres Lebens.

      Ich zitiere aus Galts Rede:

      „Man hat den Menschen ein vernünftiges Wesen genannt, doch Vernunft ist eine Sache der eigenen Entscheidung. Seine Natur stellt den Menschen vor die Alternative: Vernünftiges Wesen oder selbstmörderische Kreatur. Er muss entscheiden, ob er Mensch sein will; er muss entscheiden, ob er sein Leben für einen Wert halten will; er muss entscheiden, ob er lernen will, es zu erhalten; er muss entscheiden, ob er die Werte, die es erfordert, entdecken und seine Tugenden üben will.

      Ein Wertekanon, für den man sich entscheidet, ist ein Moralkodex.“

      Der Wertmaßstab der objektivistischen Ethik – der Maßstab, an dem man misst, was gut oder böse ist – ist das Leben des Menschen; oder: Das, was für das Überleben des Menschen als Mensch erforderlich ist.

      Da die Vernunft die menschliche Überlebensgrundlage ist, ist das, was geeignet für das Leben eines rationalen Wesens ist, das Gute – das, was es negiert, behindert oder zerstört, das Böse.

      Da alles, was der Mensch braucht, von seinem eigenen Verstand entdeckt und von seiner eigenen Anstrengung produziert werden muss, sind die beiden für ein rationales Wesen unentbehrlichen Voraussetzungen zum Überleben Denken und produktive Arbeit.

      Falls einige Menschen sich entscheiden, nicht zu denken und stattdessen wie trainierte Tiere durch Imitieren und Wiederholen zu überleben, durch die Routine von Lauten und Bewegungen, die sie von anderen gelernt haben, aber nie die Anstrengung unternehmen, ihre eigene Arbeit zu verstehen, so bleibt es trotzdem wahr, dass ihr Überleben nur durch jene ermöglicht wird, die sich entschieden haben zu denken und die Bewegungen entdeckten, die diese wiederholen. Das Überleben solcher geistigen Schmarotzer hängt vom Zufall ab; ihr unfokussierter Geist ist unfähig zu wissen, wen man imitieren und wessen Bewegungen man folgen soll. Solche Menschen folgen jedem Zerstörer auf dem Weg in den Abgrund, wenn er ihnen verspricht, die Verantwortung zu übernehmen, der sie ausweichen: Der Verantwortung, bewusst zu sein.

      Falls einige Menschen versuchen, mittels nackter Gewalt, Betrug, Raub, Täuschung oder Versklavung der produktiven Menschen zu überleben, so bleibt es trotzdem wahr, dass ihr Überleben nur durch ihre Opfer ermöglicht wird – nur durch die Menschen, die sich entschieden haben zu denken und die Güter zu produzieren, die die Räuber dann an sich reißen. Solche Räuber sind Schmarotzer, die unfähig sind zu überleben. Sie existieren durch die Zerstörung derer, die dazu fähig sind und einen Weg verfolgen, der für den Menschen angemessen ist.

      Die Menschen, die versuchen, nicht durch den Verstand, sondern durch Gewalt zu überleben, versuchen durch die Lebensweise von Tieren zu überleben. Doch

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