Die Tugend des Egoismus. Ayn Rand

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Die Tugend des Egoismus - Ayn Rand

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genauso können Menschen nicht überleben mit dem Versuch, die Lebensweise von Tieren nachzuahmen, indem sie ihren Verstand aufgeben und auf produktive Menschen zählen, die ihnen als Beute dienen sollen. Solche Räuber mögen ihre Ziele für den Augenblick erreichen, zum Preis der Zerstörung: Der Zerstörung ihrer Opfer und ihrer eigenen. Als Beweis biete ich Ihnen jeden beliebigen Kriminellen oder jede beliebige Diktatur.

      Der Mensch kann nicht wie ein Tier durch Handeln von Minute zu Minute überleben. Das Leben eines Tieres besteht aus einer Serie einzelner immer wiederkehrender Zyklen, wie dem Zyklus des Ausbrütens der Jungen oder dem Anlegen von Nahrungsvorräten für den Winter. Das Bewusstsein eines Tieres kann seine gesamte Lebensspanne nicht integrieren; sein Bewusstsein kann das Tier nur so und so weit führen, dann muss das Tier den Zyklus ohne Beziehung zur Vergangenheit von vorne beginnen. Das Leben des Menschen ist ein kontinuierliches Ganzes: Jeder Tag, jedes Jahr und jedes Jahrzehnt seines Lebens trägt die Summe aller vergangenen Tage in sich, im Guten wie im Schlechten. Er kann seine Entscheidungen ändern, er ist frei, die Richtung seines Weges zu ändern, er ist sogar in vielen Fällen frei, für die Konsequenzen seiner Vergangenheit Buße zu tun – doch er ist nicht frei, ihnen zu entkommen oder sein Leben ungestraft von Minute zu Minute zu leben, wie ein Tier, ein Playboy oder ein Gangster. Wenn er erfolgreich überleben will, wenn seine Handlungen nicht auf die eigene Zerstörung abzielen sollen, muss der Mensch seinen Weg, seine Ziele und seine Werte im Kontext eines ganzen Lebens wählen. Gefühle, Wahrnehmungen, Triebe oder „Instinkte“ können das nicht leisten; nur der Verstand kann das.

      Dies ist die Bedeutung der Definition „was für das Überleben des Menschen qua Mensch erforderlich ist.“ Sie bedeutet nicht momentanes oder bloßes physisches Überleben. Sie bedeutet nicht das momentane physische Überleben eines hirnlosen Untiers, das darauf wartet, von einem anderen Untier den Schädel eingeschlagen zu bekommen. Sie bedeutet nicht das momentane oder das rein physische Überleben einer kriechenden Ansammlung von Muskeln, die willens ist, jede Bedingung zu akzeptieren, jedem Gangster zu gehorchen und alle Werte für das „Überleben um jeden Preis“ aufzugeben, was eine Woche oder ein Jahr dauern kann – oder auch nicht. „Das Überleben des Menschen qua Mensch“ meint die Bedingungen, Methoden, Umstände und Ziele, die ein rationales Wesen für sein gesamtes Leben braucht – in allen Aspekten, die seiner Entscheidung unterliegen.

      Der Mensch kann nicht als etwas anderes als ein Mensch überleben. Er kann seine Überlebensgrundlage, seinen Verstand, aufgeben, er kann sich in eine unmenschliche Kreatur verwandeln und er kann sein Leben zu einer kurzen Periode der Agonie machen – genau wie sein Körper für eine Weile im Prozess der Auflösung durch Krankheit existieren kann. Aber er kann als ein unmenschliches Wesen nur darin erfolgreich sein, etwas Unmenschliches zu erreichen – wie es die vernunftfeindlichen Perioden der Geschichte mit all ihren Gräueln demonstrieren können. Der Mensch muss sich entscheiden, ein Mensch zu sein – und die Aufgabe der Ethik besteht darin, ihn zu lehren, wie man als Mensch lebt.

      Die objektivistische Ethik betrachtet das Leben des Menschen als den Wertmaßstab – und das eigene Leben als den ethischen Zweck eines jeden individuellen Menschen.

      Der Unterschied zwischen „Maßstab“ und „Zweck“ in diesem Kontext ist folgender: Ein „Maßstab“ ist ein abstraktes Prinzip, das als Eichstrich dient, um die Entscheidungen beim Erlangen eines spezifischen Zwecks zu leiten.

      „Das, was für das Überleben des Menschen qua Mensch erforderlich ist“, ist ein abstraktes Prinzip, das für jeden individuellen Menschen gilt. Die Aufgabe, dieses Prinzip auf einen konkreten, spezifischen Zweck anzuwenden – den Zweck des für ein rationales Wesen angemessenen Lebens –, gilt für jeden individuellen Menschen, und das Leben, das er leben muss, ist sein eigenes.

      Der Mensch muss seine Handlungen, Werte und Ziele nach einem Maßstab wählen, der auf den Menschen passt – um den ultimativen Wert, den Selbstzweck, zu erreichen, zu erlangen, zu erfüllen und zu genießen: das eigene Leben.

      Ein Wert ist das, was man erlangen und/oder erhalten will – Tugend ist die Handlung, durch die man ihn erlangt und/oder erhält. Die drei Kardinalwerte der objektivistischen Ethik, die drei Werte, die zusammen die Verwirklichung des ultimativen Wertes – des eigenen Lebens – und die Mittel dazu sind, lauten: Vernunft, Zielstrebigkeit und Selbstachtung, mit ihren drei dazugehörigen Tugenden: Rationalität, Produktivität und Stolz.

      Produktive Arbeit ist der zentrale Zweck im Leben eines rationalen Menschen, der zentrale Wert, der die Hierarchie aller seiner sonstigen Werte integriert und bestimmt. Vernunft ist die Quelle, die Voraussetzung seiner produktiven Arbeit – Stolz ist das Resultat.

      Rationalität ist die Grundtugend des Menschen, die Quelle all seiner anderen Tugenden. Das Grundübel des Menschen, die Quelle all seiner Übel, ist der Akt, den Fokus seines Geistes auszuschalten – die Aussetzung seines Bewusstseins, was nicht Blindheit ist, sondern die Weigerung, etwas sehen zu wollen, nicht Unwissenheit, sondern die Weigerung, etwas wissen zu wollen. Irrationalität ist die Ablehnung des Mittels zum Überleben und ist daher der Weg zu blinder Zerstörung: Das, was verstandesfeindlich ist, ist lebensfeindlich.

      Die Tugend der Rationalität bedeutet, dass man den Verstand als einzige Wissensquelle, als einzigen Richter über Werte und als einzige Handlungsanleitung akzeptiert. Rationalität bedeutet die Verpflichtung zu einem Zustand der vollen, bewussten Aufmerksamkeit, der Aufrechterhaltung des vollen geistigen Fokus in allen Bereichen, in allen Entscheidungen und zu jeder Zeit. Sie bedeutet eine Verpflichtung zur vollen Wahrnehmung der Realität im Rahmen der eigenen Möglichkeiten und zur ständigen, aktiven Erweiterung der eigenen Wahrnehmung, d.h. des eigenen Wissens. Sie bedeutet eine Verpflichtung zur Realität der eigenen Existenz, d.h. zu dem Prinzip, dass alle Ziele, Werte und Handlungen in der Realität stattfinden und dass man daher nie einen Wert oder einen Gedanken über die eigene Wahrnehmung der Realität stellen darf. Sie bedeutet eine Verpflichtung zu dem Prinzip, dass alle Überzeugungen, Werte, Ziele, Wünsche und Handlungen auf einem Denkprozess basieren, von ihm abgeleitet, durch ihn gewählt und durch ihn belegt werden müssen – einem so präzisen und gewissenhaften Denkprozess, einer so unnachgiebigen Anwendung von Logik, wie die eigenen Fähigkeiten es erlauben. Rationalität bedeutet, dass man die Verantwortung für die Bildung eigener Urteile übernimmt und man durch die Arbeit des eigenen Verstandes lebt (was die Tugend der Unabhängigkeit ist). Sie bedeutet, dass man die eigenen Überzeugungen niemals den Meinungen oder Wünschen anderer opfern darf (was die Tugend der Integrität ist), dass man nie versuchen darf, die Wirklichkeit in irgendeiner Form zu verdrängen (was die Tugend der Ehrlichkeit ist), dass man nie das Unverdiente suchen oder gewähren darf, weder materiell noch geistig (was die Tugend der Gerechtigkeit ist). Sie bedeutet, dass man sich nie Wirkungen ohne Ursachen wünschen darf und dass man nie etwas verursachen darf, ohne die volle Verantwortung für die Folgen zu übernehmen, dass man nie wie ein Zombie, d.h. ohne Kenntnis der eigenen Ziele und Motive handeln darf, dass man nie außerhalb eines Kontextes Entscheidungen treffen, Überzeugungen bilden oder Werte suchen darf, d.h. außerhalb von oder im Widerspruch zur integrierten Gesamtsumme des eigenen Wissens, und dass man vor allem niemals versuchen darf, mit Widersprüchen durchzukommen. Rationalität bedeutet die Ablehnung aller Formen des Mystizismus, d.h. jeder Inanspruchnahme irgendeiner nichtsinnlichen, nichtrationalen, undefinierbaren übernatürlichen Wissensquelle. Sie bedeutet eine Verpflichtung zur Vernunft, nicht als sporadische Laune in Einzelfällen oder speziellen Notlagen, sondern als permanente Lebensweise.

      Die Tugend der Produktivität ist die Anerkennung der Tatsache, dass produktive Arbeit der Prozess ist, durch den der Verstand das Leben des Menschen aufrechterhält, der Prozess, der den Menschen von der Notwendigkeit befreit, sich wie ein Tier an seine Umwelt anzupassen und ihm die Macht gibt, seine Umwelt an sich anzupassen. Produktive Arbeit ist der Weg zu unbegrenztem Erfolg und verlangt die höchsten Charaktereigenschaften des Menschen: Seinen Schöpfergeist, seinen Ehrgeiz, sein Durchsetzungsvermögen, seine Weigerung, Fehlschläge hinzunehmen und seine Entschlossenheit,

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