Die Erde ist uns anvertraut. Leonardo Boff

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Die Erde ist uns anvertraut - Leonardo Boff

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vorhanden ist, änderte sich unsere Auffassung von der Entstehung des Lebens radikal. Es befindet sich nicht außerhalb des universalen Prozesses der Entstehung des Kosmos. Ganz im Gegenteil, es ist seine höchste Ausdrucksform. Die Forschung hat gezeigt, dass das Leben aus denselben physikalisch-chemischen Elementen besteht wie alle anderen Entitäten des Universums; sie organisieren sich in hoch komplexen Beziehungen zueinander. Alle lebenden Organismen verfügen über dasselbe grundlegende Alphabet: Zwanzig Aminosäuren und vier in den „Nukleotiden“ enthaltene Basen als Grundstoffe: Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin. Wir alle sind Brüder und Schwestern, Cousins und Cousinen. Wir unterscheiden uns jedoch durch unterschiedliche Silbenkombinationen dieses lebendigen Alphabets (Watson 2005).

      Zu Beginn der 70er-Jahre begriff man im Zuge der thermodynamischen und physikalische Chaosforschung (wir erinnern an dieser Stelle nur an einen bedeutenden Wissenschaftler dieser Richtung, an den im Jahr 2003 verstorbenen russisch-belgischen Wissenschaftler Ilya Prigogine), dass das Leben auf einer sehr hohen Komplexitätsstufe der Materie und im Zusammenhang mit Turbulenzen und chaotischen Verhältnissen der Erde selbst entsteht. Das Chaos ist niemals nur chaotisch. Von Anfang an, seit dem Urknall, erweist es sich als produktiv, indem es immer komplexere und höhere Ordnungen hervorbringt. Das Leben ist eine Ausdrucksform dieser Organisation des Chaos. Es stellt die Selbstorganisation der Materie dar, wenn diese sich in einem Zustand außerhalb ihres Gleichgewichts befindet. Durch das Leben überwindet die Materie das Chaos, findet zu einem neuen dynamischen, sich selbst organisierenden und sich selbst regenerierenden Gleichgewicht. Sobald ein bestimmter Grad an Komplexität erreicht ist, entsteht das Leben als kosmischer Imperativ, wie dies der Mediziner, Biologe und Nobelpreisträger C. De Duve so unübertrefflich zum Ausdruck gebracht hat (Duve 1997).

      Das Leben bricht überall dort im Universum hervor, wo diese Komplexitätsstufe erreicht ist. Das Leben ist die schönste uns bekannte Kreatur des Universums, das entzückendste Kind, das die Evolution jemals hervorgebracht hat, es ist stark und zärtlich zugleich, zerbrechlich und dennoch bis heute unzerstörbar.

      Es geschah vor ungefähr 3,8 Millionen Jahren, möglicherweise in den Tiefen eines Urozeans oder in einem der alten Sümpfe auf diesem winzigen Planeten Erde innerhalb eines Sonnensystems von nur einem winzigen Bruchteil der Größe der Galaxie in einem ihrer Winkel (29.000 Lichtjahre von ihrem Zentrum entfernt, im Inneren des Orion-Spiralnebels): Die erste lebendige Zelle brach hervor, ein Urbakterium, das Aries genannt wurde. Es ist die Mutter aller Lebenden, die wahre Eva, denn von ihm ausgehend entwickelten sich alle Lebewesen, auch die Menschen.

      Mit dem Entstehen dieses Neuen beginnt ein äußerst intensiver Dialog zwischen dem Leben, der Sonne, der Erde mit all ihren Elementen und mit dem ganzen Universum. Die Erde arbeitet ebenso mit dem Leben zusammen wie umgekehrt. Wie James Lovelock mit seiner Gaia-Theorie aufzeigte, ist die Atmosphäre zum großen Teil eine Schöpfung des Lebens selbst, das sich die geeigneten Bedingungen dafür schuf, dass sich sein Umfeld reproduzieren und erweitern kann. Langsam hörte die Erde auf, Erde zu sein, und wurde zu Gaia. James Lovelock definiert sie folgendermaßen: „Gaia ist ein evolvierendes System, bestehend aus allem Lebendigen und seiner Oberflächenumwelt, den Meeren, der Atmosphäre, dem Krustengestein … ein System, das aus der gemeinsamen und wechselseitigen Evolution der Organismen und ihrer Umwelt im Laufe der Entwicklungszeitalter des Lebens auf der Erde hervorgegangen ist. In diesem System geschieht die Regulation von Klima und chemischer Zusammensetzung völlig selbsttätig. Die Selbstregulation bildet sich mit der Evolution des Systems heraus … Das Leben oder die Biosphäre regelt oder stabilisiert das Klima und die Zusammensetzung der Atmosphäre so, wie sie für den eigenen Bestand optimal sind.“ (Lovelock 1991, 11)

      Ausgehend von den Studien des deutschen Physikers Winfried Otto Schumann stellte man auch fest, dass die Erde von einem komplexen System elektromagnetischer Wellen umgeben ist. Es entsteht aus der Interaktion zwischen der Sonne, der Erde (ihren Böden, dem Magma, den Gewässern, den Ökosystemen) und dem unteren Teil der Ionosphäre in etwa 55 km Höhe. Es produziert – von einigen Abweichungen abgesehen – eine mehr oder weniger konstante Resonanz von 7,8 Hertz, die auch Schumann-Resonanz genannt wird. Dies entspricht der Frequenz, die vom Gehirn von Säugetieren, auch des Menschen, ausgeht. Es ist, als würde der Herzschlag der Erde als Schrittmacher alle Verhältnisse ins Gleichgewicht bringen, die das Leben aufrechterhält. Dieses Gleichgewicht ist von grundlegender Bedeutung für die Meteorologie, für die Folge der Jahreszeiten, das Leben der Vulkane, den Rhythmus der Ozeane und die Bewegung der tektonischen Platten.

      Es gibt nicht wenige Wissenschaftler, die in Übereinstimmung mit diesen Tatsachen behaupten, dass das Gleichgewicht der Herztätigkeit und das emotionale Gleichgewicht der Lebewesen, besonders der Menschen, von der Schumann-Resonanz abhängig sei. Wir haben es hier jedenfalls mit einem Hinweis mehr darauf zu tun, dass die Erde tatsächlich einen lebenden Gesamtorganismus bildet: Gaia. Doch zu Beginn der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts änderte sich dieser Rhythmus. Von 7,8 Hertz beschleunigte er sich auf 11 und bis zu 13 Hertz. Das Herz der Erde begann zu rasen. Möglicherweise ist die Veränderung der Magnetresonanz eine der Ursachen für Naturkatastrophen, Klimaveränderungen, ja sogar der Zunahme von gesellschaftlichen Konflikten auf der ganzen Welt.

      Innerhalb von mehr als drei Milliarden Jahren brachte die Erde eine riesige Vielzahl von Viren, Bakterien, Protozoen, Pilzen, Pflanzen und Tieren hervor. Aufgrund der zahlreichen Krisen, die sie durchmachte und die zu Massenvernichtungen führten, verschwand der größere Teil dieser Arten wieder. Vielleicht blieb nur 1 % erhalten. Und selbst das ist noch viel. Man schätzt, dass es 5000 Arten von Bakterien, 100.000 Arten von Pilzen, 300.000 verschiedene Baumarten und 850.000 verschiedene Arten von Insekten gibt. Niemand weiß das genau. Die Biologen vermuten 30 Millionen verschiedener Arten insgesamt.

      Mit dem Auftreten des Menschen nach dem Verschwinden der Dinosaurier gab es eine Vermehrung der Arten wie niemals zuvor in der Evolutionsgeschichte. Die Erde glich tatsächlich einem Paradies und einer wunderbaren Wiege. Plötzlich, ohne dass wir wissen, warum, wurde der Planet, der durch das Chlorophyll völlig grün war, bunt. Ein Frühling voller bunter Blüten brach herein. Genau zu diesem Zeitpunkt erschien auf der Welt das komplexeste, das zerbrechlichste, das am stärksten auf andere bezogene und deshalb das Lebewesen, das mit der größten Fähigkeit zu widerstehen ausgestattet ist: der Mensch, Mann und Frau. Niemand fasste dieses Wunder des Universums besser in Worte als die alte Weisheit der Mayas, eines der Ursprungsvölker Mexikos: „Dass es hell werde, dass das Morgenrot erstrahle im Himmel und auf Erden! Es wird weder Ruhm noch Größe geben, bis die menschliche Kreatur, der gestaltete Mensch ins Leben tritt.“ (Popol Vuh)

      Gleichsam als ein Unterkapitel des Lebens tauchten vor etwa 75 Millionen Jahren, als Nordamerika, Grönland und Europa noch einen einzigen Kontinent bildeten, die ersten Affen auf, entfernte Vorfahren des Menschen. Diese kleinen Tiere, die etwa so groß waren wie Mäuse, ernährten sich von Blütenpflanzen, und nicht mehr nur von Insekten wie ihre Vorfahren. Da sie die Bäume hinauf- und hinunterklettern mussten, entwickelten sie die oberen Gliedmaßen. Die Pfote wies einen Finger auf, der in Opposition zu den anderen stand (den Daumen), was es diesen Tieren ermöglichte, etwas zu ergreifen, zum Beispiel eine Frucht oder einen Stein.

      Als sich diese Affen weiter entwickelten, tauchten vor etwa 35 Millionen Jahren die ersten Primaten auf, die gemeinsamen Vorfahren der Menschen und der großen Menschenaffen. Sie waren immer noch recht klein und hatten etwa die Größe einer Katze. Sie lebten isoliert in Afrika, wo sie sich den klimatischen Veränderungen – zum einen der großen Trockenheit und zum anderen den vermehrten Niederschlägen und der Ausdehnung der Wälder – anpassten.

      Diese Primaten entwickelten sich und wurden größer. Es tauchten die großen afrikanischen Affen auf, die Schimpansen und Gorillas. Vor etwa 7 Millionen Jahren vollzog sich eine Aufspaltung von entscheidender Konsequenz: Auf der einen Seite gab es weiterhin die Schimpansen (sie haben mit uns 99 % der Gene gemeinsam), und auf der anderen Seite entstand der Australopitecus, ein Primat auf dem Weg zur Menschwerdung. Diese Aufspaltung

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