Die Erde ist uns anvertraut. Leonardo Boff

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Die Erde ist uns anvertraut - Leonardo Boff

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stürzte ein: Es entstand ein riesiger Spalt von 6000 Kilometern. Auf der einen Seite befanden sich die tropischen Regenwälder, die gut bewässert waren und wo die höheren Primaten einen angenehmen Lebensraum hatten. Auf der anderen Seite regierten die Trockenheit und die Savanne, und dort befand sich der Australopitecus (Lagney 2002). Diese Veränderung der Umwelt verursachte zwei Evolutionstypen. Im Regenwald existierten nach wie vor die Primaten, Gorillas und Schimpansen. Sie mussten sich kaum anpassen, denn sie lebten in ihrer Umwelt in einer biologischen Siesta. Die anderen waren zur Trockenheit verdammt und mussten Fertigkeiten für das Überleben entwickeln. Sie bedurften der Intelligenz und der Strategie. Die biologische Basis ihrer Arterhaltung war ein höher entwickeltes Gehirn. Sie gingen auf ihren Füßen, um weiter sehen zu können, und sie zwangen sich, alles zu fressen, was sich ihnen darbot (sie sind Allesfresser).

      Wie man aus den Knochen von Lucy, einer jungen Frau, die 1974 in Äthiopien entdeckt wurde, ersehen kann, wiesen sie bereits vor drei bis vier Millionen Jahren die Merkmale der Humanoiden auf.

      Im Verlauf der Evolution fand ein in höchstem Maß beschleunigter Prozess der Entwicklung des Gehirns statt. Ab einem Zeitpunkt von vor 2,2 Millionen Jahren tauchten nach und nach der homo habilis, erectus und sapiens auf, der bereits in vollem Sinne Mensch war. Es handelte sich um soziale Lebewesen, die sich kooperativ verhielten und sprachen. Wenn sie jagten, aßen sie die Beute nie allein, sondern teilten sie mit Ihresgleichen, angefangen von den Jüngsten bis hin zu den Ältesten.

      Im Verlauf von einer Million Jahren verdoppelte sich die Gehirnmasse dieser drei Menschentypen (habilis, erectus und sapiens). In den darauf folgenden eine Million Jahren, in denen der homo sapiens herrschte, wuchs das Gehirn nicht mehr. Das war nicht mehr nötig, denn es wuchs das äußere Gehirn, die künstliche Intelligenz, das heißt die Fähigkeit, zu wissen, Werkzeuge und Kunstgegenstände herzustellen, die Welt zu verändern und Kultur zu schaffen: Dieses Merkmal zeichnet einzig und allein den homo sapiens aus.

      Er besitzt kein spezialisiertes Organ. Deshalb ist er, biologisch gesehen, ein Mängelwesen: Er muss den Austausch mit der Natur vollziehen und in diese eingreifen, um zu überleben. Er erweitert seine Sinne mit Hilfe von Techniken, selbst wenn es sich um die rudimentärste handelt, und auf diese Weise entsteht die Sphäre der Kultur. Die Kultur ist das Ergebnis der Aktivität des Menschen in Bezug auf die Natur und in Bezug auf sich selbst, entweder, indem er sich ihr anpasst, oder, indem er die Natur seinen Bedürfnissen entsprechend gestaltet. Dies vollzieht sich immer in einem spannungsreichen Dialog, der nicht immer ausgewogen ist.

      Kaum waren die Menschen aus der Evolutionsgeschichte hervorgegangen, begann ihre Zerstreuung. Von Afrika aus breiteten sie sich über Eurasien, in den Orient und nach Amerika aus und kamen schließlich nach Ozeanien und Polynesien. Zu Ende der Altsteinzeit vor etwa 40.000 Jahren bewohnten sie bereits den gesamten Planeten. Die Bevölkerung erreichte eine Größe von einer Million Menschen. In der Jungsteinzeit, zwischen 10.000 und 5000 v. Chr., fand die Revolution des Ackerbaus statt, eine der größten Umwälzungen in der Geschichte der Menschheit. Die Menschen zähmten Tiere, züchteten Saatgut, führten Bewässerungen durch und schufen die ersten Siedlungen. Zu dieser Zeit gab es etwa fünf bis zehn Millionen Menschen auf dem Planeten.

      Seit etwa 3500 v. Chr. entstanden die großen klassischen Zivilisationen der Sumerer in Mesopotamien und zur gleichen Zeit am Nil in Ägypten und der Hindus in Indien. Es entstanden die Kulturen Chinas, der Olmeken und Tolteken in Mittelamerika, der Griechen und Römer in Europa und viele andere. Um 1500 v. Chr., als diese Periode zu einem Abschluss kam, gab es 500 bis 600 Millionen Menschen auf der Welt.

      Ab dem 15. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bildeten sich die modernen Nationalstaaten, die mittels Grenzen voneinander getrennt sind und sich häufig bekriegen. Im 18. Jahrhundert beginnt die industrielle Revolution, die das Verhältnis des Menschen zur Natur veränderte, denn nun unterwirft er sie seinen Interessen ohne Rücksicht auf den Eigenwert der unterschiedlichen Lebewesen und deren Verhältnis zueinander. Die industrielle Revolution findet ihren Höhepunkt in der Informationsgesellschaft mit ihrer technischen Durchdringung der gesellschaftlichen Beziehungen, mit der atomaren und kybernetischen Revolution und in jüngster Zeit mit einer neuen Art von Technik, die alles verändern könnte: der Nanotechnologie. Unsere Zeit ist auch die Zeit der Eroberung des Weltraums zur Erforschung unseres Sonnensystems und der Weiten des Kosmos. In dieser Phase brachte der Mensch das Prinzip der Selbstzerstörung hervor. Er erweist sich nicht nur als homo sapiens sapiens. Er kommt einem ebenso wie ein demens demens vor. Er besitzt bereits 83 % der Erdoberfläche, bedroht alle Gleichgewichte und alle Arten und führt sich in einigen Fällen wie der Satan des Lebens auf. Er verschaffte sich die Mittel, um die Biosphäre schwer zu schädigen und sich selbst zu zerstören. Zur gleichen Zeit aber setzt er dieser Unvernunft das Prinzip der Fürsorge, der Mitverantwortlichkeit und des Mitleids entgegen. Mit Hilfe dieser Qualitäten nimmt er sein eigenes Geschick, das mit dem der Erde untrennbar verbunden ist, in einer Perspektive der Selbstbeschränkung und der Kontrolle der Zerstörungsmechanismen an. Vom möglichen Satan der Erde verwandelt er sich in deren Schutzengel, einem dem Leben gegenüber guten und wohltuenden Engel. Seine Aufgabe ist es, der Hüter der Natur und der Gärtner des irdischen Paradiesgartens Eden zu sein.

      Trotz der Verwurzelung in ihren jeweiligen Kulturen und Nationalstaaten unternahmen die Menschen unablässig Expeditionen über den gesamten Planeten. Und mit ihnen zogen ihre Bazillen, ihre Krankheiten, ihr Saatgut, ihre Tiere, ihre Bräuche und Weltanschauungen. Unter den Menschen fand immer eine große Vermischung statt. Es gibt keine Rassen, schon gar keine reinen Rassen. Die Gene jeglicher Herkunft vermischten sich, ohne zu verschmelzen. Alle Menschen sind Mischlinge. Dies ist das ständige Ferment einer Globalisierung, wie sie immer stattfindet.

      Doch von 1492 an begann ausgehend vom Westen ein überaus großer Expansionsprozess. Columbus brachte den Europäern Kenntnis von der Existenz anderer bewohnter Kontinente mit völlig anderen Kulturen – den Kulturen Amerikas, das er bis ans Ende seiner Tage für Indien hielt. Fernão de Magalhães trat den Beweis dafür an, dass die Erde tatsächlich rund ist und dass jeder beliebige Ort von jedem beliebigen anderen Ort aus erreicht werden kann. Die Hegemonialmächte des 16. Jahrhunderts, Spanien und Portugal, entwickelten zum ersten Mal ein Projekt von weltweiter Dimension. Sie dehnten ihren Einfluss nach Afrika, Asien und Amerika aus. Sie verwestlichten die Welt (Ianni 1966; Touraine 2006).

      Dieser Prozess fand seine Fortsetzung im 19. Jahrhundert mit dem westlichen Kolonialismus, der mit Feuer und Schwert die gesamte bekannte Welt den kulturellen, religiösen und vor allem kommerziellen Interessen der Kolonialmächte unterwarf. Dies alles wurde unter extremer Gewaltausübung und Verbreitung von Terror unter den unterlegenen Völkern vorangetrieben. Gewehr und Kanone sprachen lauter als Vernunft und Religion. Der europäische Westen erwies sich als die Hyäne der Völker. Wir, die wir im äußersten Westen leben, sind schon in einer globalisierten Welt geboren und wissen aus eigener Erfahrung, was Globalisierung bedeutet, die als Globokolonialisierung empfunden und erlitten wird.

      Die einzelnen Länder haben sich nicht als Nationen konstituiert, die in Gemeinschaften von Bürgern mit einem Sinn für Rechte und Pflichten ihre Grundlage haben; sie wurden vielmehr zu Unternehmen mit weltweitem Aktionsradius gemacht, deren einzige Funktion darin bestand, die natürlichen Reichtümer auszubeuten und sie in die europäischen Märkte zu exportieren. Auf diese Weise (so haben es einige Politikwissenschaftler wie Luiz Gonzaga de Souza Lima, Darcy Ribeiro und Evaldo Cabral de Mello aufgezeigt) entstand zusammen mit dem Nationalstaat der internationalisierte Wirtschaftsstaat als seine tatsächliche Wirtschaftskolonie. Brasilien weist bis heute Spuren dieser Struktur auf. Sie werden in einer geschwächten Souveränität, einem blutleeren staatsbürgerlichen Bewusstsein, einer Beherrschung der Politik durch eine international verflochtene Ökonomie und einer Unterwerfung unter die Interessen

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