Zwielicht. Julia Frankau
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"In meinen Beinen."
Ich wollte nicht, dass er sich um mich kümmert; eigentlich war ich hergekommen, um endlich Ruhe zu haben vor den Ärzten. Außerdem waren mir ältere Männer in seinem Beruf lieber. Aber sein exzentrisches Benehmen, sein mangelndes Interesse an mir und seine Hingabe an seine frühere Patientin, seine schlecht geschnittene Kleidung und der große Unterschied zu seinen Berufskollegen, waren eine willkommene Abwechslung, und plötzlich erwischte ich mich dabei, seine Fragen zu beantworten.
"Haben Sie Kasemol ausprobiert? Dies ist ein japanisches Heilmittel, das sehr wirksam ist – oder irgendeine andere Farbe? "
"Ich bin kein Künstler."
Er lächelte. Er hatte gute Zähne, und sein Lächeln war angenehm.
"Haben Sie eine Krankenschwester oder ein Dienstmädchen?"
"Ein Dienstmädchen. Ich bin nicht krank genug für Krankenschwestern."
"Gut. Wussten Sie, dass dies einst ein Sanatorium war? Nachdem sie das herausgefunden hatte, konnte sie es hier nicht mehr ertragen ..."
Er sprach schon wieder über die ehemalige Bewohnerin des Hauses. Mein Leiden hatte ihn nicht lange beschäftigt.
"Sie sagte, sie roch Äther und hörte nachts ein Stöhnen. Ich schätze, sie finden es merkwürdig, dass ich so viel von ihr rede? Aber Carbies ohne Margaret Capel …es macht Ihnen doch etwas aus?"
"Nein, es stört mich wirklich nicht. Ich könnte mir denken, dass ich eines Tages froh sein werde, alles über sie und ihre Geschichte erfahren zu haben. Ich sehe, Sie wollen unbedingt ihre Geschichte erzählen. Natürlich erinnere ich mich jetzt an sie. Sie hat ein oder zwei Theaterstücke geschrieben, und einige Romane, die früher sehr beliebt waren. Aber ich bin heute Abend zu müde dafür."
"Eine so kurze Reise sollte Sie eigentlich nicht ermüden." Er beobachtete mich jetzt genauer. "Sie sehen sehr strapaziert aus, zu ausgemergelt. Wir müssen alles diesbezüglich herausfinden. Natürlich nicht heute Abend. Sie sollten meinen Besuch keinesfalls als beruflich betrachten, aber ich konnte nicht widerstehen zu kommen. Sie würden es verstehen, wenn Sie sie gekannt hätten. Und dann zu sehen, wie Sie an ihrem Tisch sitzen, und in der gleichen Haltung..." Er brach abrupt ab. Also war die Achtung, die ich mir als persönlicher Natur eingebildet hatte, doch nur seinen Erinnerungen geschuldet. "Sie schreiben nicht zufällig auch, oder etwa doch? Das wäre ein außergewöhnlicher Zufall."
Genauso gut hätte er Beethoven fragen können, ob er Symphonien schreibt. Dummkopf! Ich war bekannter, als Margaret Capel es je gewesen war. Nicht stolz auf meine gesellschaftliche Stellung, weil ich immer meine Grenzen kannte, aber dennoch irritiert durch seine Unkenntnis – und jetzt wünschte ich mir, ihn loszuwerden.
"Oh, ja! Ich schreibe manchmal ein wenig. Entschuldigen Sie, dass ich in dieser Haltung hier am Tisch sitze. Aber ich spiele kein Klavier." Er schien ein wenig überrascht oder verletzt über meinen Tonfall, was durchaus beabsichtigt war, und erhob sich zum Gehen. Ich tat es ihm gleich und streckte meine Hand aus. Schließlich habe ich nicht unter meinem eigenen Namen geschrieben, wie hätte er es also wissen können, wenn Ella es ihm nicht gesagt hatte? Als er mir die Hand schüttelte, machte er keinen Hehl daraus, dass er meinen Puls fühlte – ein Trick seines Berufsstandes, der mir besonders missfällt. Also lächelte ich ihn an. "Ich bin leicht reizbar."
"Reizbarkeit ist charakteristisch für Ihr Leiden. Und ich habe Sie schrecklich gelangweilt, fürchte ich. Aber es war so aufregend, wieder hierher zu kommen. Darf ich morgen früh kommen und Sie untersuchen? Mein Partner, Dr. Lansdowne, für den der Brief Ihrer Schwester eigentlich bestimmt war, ist nicht da. Oder spielt das eine Rolle?"
"Ich glaube nicht."
"Er ist ein sehr fähiger Mann", sagte er ernst.
"Sind Sie das nicht auch? "Zu diesem Zeitpunkt schmerzten meine Beine bereits heftig und ich wollte ihn unbedingt loswerden.
"Dann bis morgen früh."
Es schien kurz, als wollte er noch etwas hinzufügen, aber er überlegte es sich offenbar anders. Er hatte eine gewisse Persönlichkeit, aber eine, von der ich nicht sicher war, ob sie mir gefiel. Dr. Kennedy benötigte unvorstellbar viel Zeit, um seinen Kraftwagen vorzubereiten und zu starten, und nachdem er endlich abgefahren war, lag mir das Dröhnen des Motors noch lange in den Ohren. Obendrein betätigte er zum Abschied noch seine Dampfpfeife, die meinen Schmerz unerträglich machte.
Ich aß im Bett und gönnte mir unter dem Vorwand meiner Erschöpfung von der Reise eine Extraportion meines Schlaftrunkes. Das Rezept war mir von einem dieser angesehenen Londoner Ärzte verordnet worden, von denen ich hoffte, eines Tages eine Federzeichnung anfertigen zu können. Es war ein heimtückisches Medikament mit nicht vorhersagbarer Wirkung. In dieser Nacht, so erinnere ich mich, war der Schmerz bald unter Kontrolle und diese merkwürdigen Träume in halbwachem Zustand begannen früh. Es war gut, keine Schmerzen mehr zu haben, selbst, wenn man sich darüber im Klaren war, dass es sich nur um eine vorübergehende Linderung handelte. Bald hatte ich meine alte Liebenswürdigkeit wiedergewonnen, woraufhin mich prompt mein Gewissen zu plagen begann, weil ich meiner Schwester gegenüber so undankbar gewesen und vor ihr weggelaufen war. Nebenbei bemerkt, war ich auch unhöflich zu ihrem Doktor gewesen – diesem äußerst seltsamen Doktor. In meiner Benommenheit lächelte ich unwillkürlich, als ich an ihn und seine geliebte Margaret Capel dachte, einen seltsamen Verehrer eines vergessenen Schreins in kariertem Mantel und ausgebeulten Hosen. Aber die Stiefel hätten von Lobb stammen können. Seine Hände waren weich und von feiner Beschaffenheit. Offensichtlich war diese Margaret Capel die Romanze seines Lebens gewesen.
Dieser Ort war also ein Sanatorium gewesen, und als Margaret dies erfahren hatte, hörte sie ein Stöhnen und es roch nach Äther. Genauso waren auch ihre Bücher: phantasievoll und frivol. Ihre Geschichten waren nie einfach und geradlinig. Es ist Jahre her, dass ich ihren Namen gehört hatte, und das wenige, was ich über sie wusste, war schon lange vergessen – außer, dass ich mich einmal über den Wirbel, den die Kritiker um sie machten, geärgert hatte. Ich glaubte, sie sei tot, war mir aber nicht sicher. Dann dachte ich an den Tod und war froh, dass er mir keine Schrecken bereitete. Niemand, der ständig Schmerzen hatte, konnte weiterleben, ohne den Tod als Erlösung zu sehen.
Dann durchfuhr mich erneut ein brennender Schmerz, und obwohl ich Medikamente genommen hatte, fand ich ihn unerträglich. Bevor es zu spät war und ich noch schläfriger wurde, setzte ich mich auf, um eine weitere Dosis einzunehmen. Das Medikament einzugießen und das Glas abzusetzen, ohne es zu verschütten, war schwierig – der Tisch schien uneben zu sein. Kurz darauf geriet mein Gehirn mehr und mehr durcheinander und mein Körper fühlte sich behaglich an.
In diesem Moment sah ich zum ersten Mal Margaret Capel, nicht wissend, wer sie war, aber froh über ihr Erscheinen, denn sie brachte den Schlaf herbei. Immer, bevor die Medizin ihre volle Wirkung entfaltete, sah ich kaleidoskopische Veränderungen, substanzlose Formen, Dinge und Menschen, die nicht da waren. Manchmal ganz wunderbare Dinge. Dies hier war nur eine junge Frau in einem grauen Seidenkleid, altmodisch geschnitten, mit Puffärmeln und weiten Röcken. Ihre Masse an aschblondem Haar wurde durch ein blaues Haarnetz gebändigt. Zuerst wirkte ihr Gesicht nebulös, später schien es etwas mehr Farbe zu haben, und ich erkannte dünne und bebende rosa Lippen. Sie sah traurig aus, und als sich unsere Blicke trafen, schien sie ein wenig darüber erschrocken zu sein, mich in ihrem Bett zu sehen. Das letzte, was ich von ihr sah, war der Anflug eines Lächelns, fast schon wunderbar und verführerisch.