Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo

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meist erfolgt die Entscheidung durch intellektuelle Neigung und jenen Blickwinkel, der dem Mental während der Erziehung aufgeprägt wurde; doch selbst wenn sie Erkenntnis besitzen, haben sie nicht die Macht, diese durchzusetzen. Auf diese Weise bewegt sich die Welt zwischen blinder Macht und erkennender Unfähigkeit und formt sich ihr Schicksal mit Hilfe eines mentalen Wirrwarrs.

      *

      Du schreibst, als wäre das, was in Europa vor sich geht, ein Krieg zwischen den Mächten des Lichts und den Mächten der Finsternis – doch ist das nicht mehr so wie während des Großen Krieges. Es ist der Kampf zwischen zwei Arten von Unwissenheit. Unser Ziel ist,eine höhere Wahrheit herabzubringen, doch muss diese Wahrheit durch ihre eigene Kraft leben können und darf nicht vom Sieg der einen oder anderen Kraft der Unwissenheit abhängig sein. Das ist der Grund, warum wir uns nicht in politische oder soziale Auseinandersetzungen und Kämpfe mischen dürfen; dies würde einfach unsere Bemühungen auf eine niedere Ebene bringen und die Herabkunft der Wahrheit verhindern, die keines dieser Dinge ist, sondern einem ganz anderen Gesetz folgt und eine ganz andere Grundlage hat. Du sprichst davon, dass brahmatej [die Macht und Herrlichkeit Brahmas] von ksatratej [die Macht des Kshatriyas] überwältigt wird; doch wo ist das geschehen? Keine der sich bekämpfenden Parteien inkarniert es.

      * * *

      4. Kapitel

      Vernunft, Wissenschaft und Yoga

      I. Abschnitt

      Europäisches metaphysisches Denken überschreitet selbst in jenen Denkern, die das Dasein Gottes oder des Absoluten zu erklären suchen, weder in seiner Methode noch in seinem Ergebnis den Intellekt. Doch der Intellekt ist nicht imstande, die‚ höchste Wahrheit zu erkennen; er vermag lediglich tastend nach der Wahrheit zu suchen oder teilweise Darstellungen von ihr aufzufangen – nicht aber die eigentliche Sache selbst – und versucht dann, diese zusammenzustückeln. Das Mental kann die Wahrheit nicht erreichen; es kann nur ein konstruiertes Gebilde errichten oder eine Kombination von Gebilden, die diese darzustellen versucht. Europäisches Denken mündet daher immer im erklärten oder stillschweigenden Agnostizismus. Der Intellekt, der voller Wahrhaftigkeit an seiner eigenen Grenze angelangt ist, muss umkehren und bekennen: „Ich vermag nicht zu wissen; es gibt Etwas jenseits oder scheint es zumindest zu geben, es muss es sogar geben, eine höchste Wirklichkeit, doch über ihre Wahrheit kann ich nur Mutmaßungen anstellen; sie ist entweder unerkennbar oder kann von mir nicht erkannt werden“. Oder wenn dieser Intellekt auf seiner Suche aus diesem jenseitigen Bereich ein Licht empfing, kann er auch sagen: „Es gibt vielleicht ein Bewusstsein jenseits des Mentals, denn ich scheine es flüchtig erspürt und sogar Zeichen von ihm erhalten zu haben. Wenn dieses Bewusstsein sich in Kontakt mit dem Jenseits befindet oder wenn es gar selbst das Bewusstsein dieses Jenseits ist und du einen Weg zu seiner Erlangung finden kannst, nur dann und nicht anders kann dieses Etwas erkannt werden“.

      Alles Suchen der höchsten Wahrheit allein mit Hilfe des Intellektes muss entweder in Agnostizismus dieser Art enden oder aber in einem intellektuellen System oder einer vom Mental errichteten Formel. Es gibt Hunderte dieser Systeme und Formeln, und wenn es noch Hunderte mehr gäbe, würde immer noch keines endgültig sein. Jedes mag für das Mental wertvoll sein, und verschiedene Systeme mit ihren einander widersprechenden Schlussfolgerungen können verschiedene Intellekte von gleicher Fähigkeit und Kompetenz gleichermaßen ansprechen. All diese mühsame Arbeit der Spekulation hat ihren Wert, da sie das menschliche Mental schult und ihm hilft, die Vorstellung eines Etwas jenseits von ihm und eines Höchsten, dem es sich zuwenden muss, aufrechtzuerhalten. Doch der intellektuelle Verstand kann nur unbestimmt darauf hinweisen oder es tastend erspüren oder versuchen, Teilaspekte und sogar einander widersprechende Aspekte seiner Manifestation hier aufzuzeigen; er vermag nicht, in es einzutreten und es zu erkennen. Solange wir allein im Bereich des Verstandes bleiben, können wir lediglich unvoreingenommen über all das, was bereits gedacht und gesucht wurde, nachdenken und fortwährend neue Ideen hervorbringen, alle erdenklichen Ideen, und uns diese oder jene philosophische Ansicht, Meinung oder Schlussfolgerung bilden. Diese Art unvoreingenommener Suche nach der Wahrheit wäre die einzig mögliche Haltung eines weiten, plastischen Intellektes. Doch jede Schlussfolgerung, zu der man auf diese Weise gelangte, wäre nur eine mutmaßliche; sie hätte keinen spirituellen Wert; sie würde nicht die entscheidende Erfahrung oder spirituelle Gewissheit bringen, nach der die Seele sucht. Wenn der Intellekt unser höchstmögliches Instrument ist und es kein anderes Mittel gibt, um die überphysische Wahrheit zu erlangen, dann ist die beste Einstellung ein weiser und weiter Agnostizismus. Die Dinge der Schöpfung können bis zu einem gewissen Grad erkannt werden, doch der Höchste und alles, was sich jenseits des Mentals befindet, müssen dann für immer unerkannt bleiben.

      Allein wenn es ein größeres Bewusstsein jenseits des Mentals gibt und jenes Bewusstsein uns zugänglich ist, können wir jene höchste Wirklichkeit erkennen und in sie eintreten. Intellektuelle Spekulation, logisches Schlussfolgern, ob es solch größeres Bewusstsein gibt oder nicht, bringen uns nicht sehr weit. Was wir brauchen, ist ein Weg, um zu seiner Erfahrung zu gelangen, um es zu erreichen, in es einzutreten, in ihm zu leben. Wenn uns dies gelingt, muss die intellektuelle Spekulation und Argumentation notwendigerweise auf einen durchaus zweiten Platz zurücktreten und sogar ihre Daseinsberechtigung verlieren. Philosophie und die intellektuelle Formulierung der Wahrheit können zwar bestehen bleiben, doch hauptsächlich deshalb, um diese größere Entdeckung und was von ihrem Inhalt in mentalen Begriffen darstellbar ist für jene auszudrücken, die noch im mentalen Verstand leben.

      Du wirst erkennen, dass dies deine Frage über die westlichen Denker weitgehend beantwortet, über Bradley und andere, die auf dem intellektuellen Weg zu jener Vorstellung eines „Anderen, jenseits des Denkens“ gelangt sind oder die sogar, wie Bradley, versucht haben, ihre Schlussfolgerungen darüber in Begriffen auszudrücken, die an Formulierungen im „Arya“ erinnern. Diese Vorstellung ist an sich nicht neu, sie ist so alt wie der Veda selbst. Es gab sie in anderer Form im Buddhismus, im christlichen Gnostizismus, im Sufismus. Ursprünglich wurde sie nicht durch die intellektuelle Spekulation entdeckt, sondern durch Mystiker, die einer inneren spirituellen Disziplin folgten. Als zwischen dem siebten und fünften Jahrhundert v. Chr. die Menschen sowohl im Osten als auch im Westen das Wissen zu intellektualisieren begannen, blieb diese Wahrheit im Osten erhalten; im Westen, wo der Intellekt allmählich als das einzige oder höchste Instrument zur Entdeckung der Wahrheit anerkannt wurde, begann diese Vorstellung zu verblassen; die Neo-Platoniker entdeckten sie aufs neue, und nun scheinen die Neo-Hegelianer und andere (zum Beispiel der Russe Ouspensky und, ich glaube, ein oder zwei deutsche Denker) danach zu suchen. Und dennoch ist ein Unterschied vorhanden.

      Nicht

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