Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo страница 45

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo

Скачать книгу

die Weitung seines Bewusstseins und durch nichts anderes. Fragen, die sich aus einer forschenden Einstellung erheben, die weder aggressiv noch rechthaberisch sind, sondern zum allgemeinen Wissensdrang gehören, können beantwortet werden, doch der „Geist des Zweifels“ ist unersättlich und nie zu befriedigen.

      *

      Unter tausend mentalen Fragen und Antworten gibt es nur hie und da eine, die wirklich eine dynamische Hilfe bedeutet – während eine einzige innerliche Reaktion oder ein klein wenig Wachsen des Bewusstseins das erreicht, was tausend Fragen und Antworten nicht zu erreichen vermögen. Der Yoga schreitet nicht durch Anweisung, upadesa, voran, sondern durch innere Einflussnahme. Weit wichtiger, als Fragen zu stellen, ist, deinen Zustand und deine Erfahrungen zu erkennen und dich der Hilfe zu öffnen.

      *

      Die ganze Welt weiß – und das gilt sowohl für den spirituellen Denker als auch für den Materialisten –, dass dieses Leben in der Unwissenheit oder der Unbewusstheit der Natur für das erschaffene oder natürlich [in der Evolution] entwickelte Wesen weder ein Bett aus Rosen ist noch ein Pfad in heiterem Licht. Es ist eine schwierige Reise, ein Kampf, ein Gefecht, ein oft schmerzhaftes und wechselvolles Wachsen, ein Leben, das von Finsternis, Falschheit und Leid umgeben ist. Es hat seine mentalen, vitalen und physischen Freuden und Vergnügungen, doch haben diese einen sehr vergänglichen Geschmack – den dennoch das vitale Selbst nicht missen will –, und sie enden in Ekel, Ermüdung und Desillusionierung. Und was dann? Zu sagen, es gäbe das Göttliche nicht, ist einfach, doch führt es nirgendwohin, es lässt dich dort, wo du bist, ohne Hoffnung und Ausweg – weder Russel noch sonst irgendein Materialist kann dir verraten, wohin du gehst oder gar wohin du gehen sollst. Das Göttliche manifestiert sich bekanntlich nicht derart, dass es in den äußeren Gegebenheiten der Welt erkannt werden kann. Wir haben es nicht mit dem Werk eines unverantwortlichen Herrschers irgendwo zu tun, sondern es sind die Gegebenheiten eines Ausarbeitens von Kräften gemäß einer bestimmten Natur des Seins – man könnte auch sagen, gemäß einer gewissen Anlage oder einem gewissen Problem des Seins – in etwas, in das einzutreten und mit ihm zusammenzuwirken wir tatsächlich alle zugestimmt haben. Die Arbeit sei schmerzhaft, zweifelhaft, ihre Wechselfälle unmöglich vorherzusehen? Dann gibt es zwei Möglichkeiten, nämlich entweder sich davon abzulösen und das nirvana zu erlangen, sei es mit Hilfe des buddhistischen oder des illusionistischen Weges, oder aber sich nach innen zu wenden und dort das Göttliche zu finden, das an der Oberfläche nicht zu entdecken ist. Diejenigen, die den Versuch unternahmen – und es waren ihrer nicht wenige, sondern Hunderte und Tausende –, haben durch alle Zeiten bezeugt, dass dort das Göttliche zu finden ist, und daher gibt es auch den Yoga. Es nähme lange Zeit in Anspruch? Das Göttliche sei hinter dem dichten Schleier seiner Maya verborgen und beantworte weder unseren Ruf sofort noch in einem frühen Stadium der Sadhana? Oder es gewähre nur einen ungewissen oder flüchtigen Blick und ziehe sich dann zurück und warte auf unser Bereitsein? Doch wenn das Göttliche irgendeinen Wert hat, lohnt es dann nicht eine gewisse Mühe und Zeit und Arbeit, ihm zu folgen, und können wir wirklich darauf beharren, es ohne Schulung, Opfer, Leiden oder Mühen zu erreichen? Ganz sicher ist es unvernünftig, eine derartige Forderung zu stellen. Soviel steht jedoch fest, wir müssen uns nach innen wenden, hinter den Schleier, damit wir es finden; nur dann können wir es auch außen sehen, und der Verstand kann nicht so sehr überzeugt als gezwungen werden, Seine Gegenwart durch die Erfahrung anzuerkennen – geradeso als hätte ein Mensch das erblickt, dessen Vorhandensein er abgestritten hatte, und kann es nun nicht länger leugnen. Doch hierfür müssen die Mittel akzeptiert werden, ein beharrlicher Wille und eine beharrliche Geduld bei der Arbeit.

      *

      Doch warum um Himmels willen verlangt dein verzweifelnder Freund, dass jedermann mit ihm übereinstimmt und der von ihm bevorzugten Verhaltens- oder Glaubensrichtung folgt? Das ist der niemals verwirklichte Traum des Politikers, oder verwirklicht nur mit Hilfe eines gewaltsamen Druckes auf das menschliche Mental und Leben, jener neuesten Errungenschaft des Tat-Menschen. Die „inkarnierten“ Götter, also die Gurus und spirituellen Menschen, über die er sich so bitterlich beklagt, sind in ihren Hoffnungen viel bescheidener und zufrieden mit einer Handvoll oder aber – wenn du so willst – mit einem Ashram voller Schüler; doch selbst diese wollen sie nicht eigentlich – wenn sie da sind, sind sie da. Sind also diese verachteten „Inkarnierten“ der Vernunft und Weisheit nicht näher als die politischen Führer – ausgenommen natürlich, dass einer von ihnen den Fehler begeht, eine universale Religion zu gründen, doch das geht uns nichts an. Zudem tadelt dich dein Freund, du hättest deine Vernunft in blindem Glauben verloren. Doch was ist, außer einem vernunftmäßigen Glauben, seine eigene Ansicht der Dinge? Du glaubst deinem Glauben gemäß, was ganz natürlich ist, er glaubt seiner Meinung gemäß, was auch natürlich ist, doch keinesfalls besser, was die Wahrscheinlichkeit anbelangt, zur wahren Wahrheit der Dinge zu gelangen. Seine Meinung entspricht seiner Vernunft. Doch auch die Meinung seiner politischen Gegner entspricht deren Vernunft, dennoch ist die Idee, auf der sie beharren, das genaue Gegenteil der seinen. Kann man überhaupt durch Argumentation das Rechte aufzeigen? Die einander opponierenden Parteien können argumentieren, bis sie schwarz werden, und sind einer Entscheidung immer noch nicht nähergekommen. Am Ende gewinnt der, der die größere Macht hat oder der von der allgemeinen Richtung der Dinge begünstigt wird. Doch wer kann, wenn er die Welt betrachtet, behaupten, die allgemeine Richtung der Dinge bewege sich immer oder jemals der rechten Vernunft gemäß – was immer dies sein mag, das man die rechte Vernunft nennt. Tatsächlich gibt es keine universale, unfehlbare Vernunft, die zwischen gegensätzlichen Meinungen zu entscheiden und der Schiedsrichter zu sein vermöchte: es gibt nur meine Vernunft, deine Vernunft, Xs Vernunft, Ys Vernunft, die miteinander multipliziert ein misstönendes Vielfaches ergeben. Jeder urteilt nach seiner Einstellung zu den Dingen, nach seiner Meinung, das heißt seiner mentalen Beschaffenheit und Vorliebe gemäß. Welchen Wert hat es, den Glauben verächtlich zu machen, der uns letzten Endes etwas gibt, woran wir uns inmitten der Widersprüche eines rätselhaften Universums halten können. Wenn man zu einem Wissen, das weiß, zu gelangen vermag, dann ist es etwas anderes; doch solange wir nur ein argumentierendes Nicht-Wissen besitzen, nun, solange gibt es noch einen Platz für den Glauben; der Glaube kann sogar der Schimmer jenes Wissens sein, das weiß – wie fern es auch immer sei; und schließlich gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass mit seiner Hilfe die Dinge geschehen. Hier hast du nun selbst ein Stück Argumentation – und wie alles übrige Argumentieren überzeugt es den Überzeugten, doch nicht den Unüberzeugbaren, also jenen, der den Boden, auf dem die Argumentation tanzt, nicht akzeptiert. Logik ist schließlich nichts anderes als ein abgewogener Tanz des Mentals.

      *

      Dein Traum war bestimmt kein Mondschein, er war eine innere Erfahrung, die als voll gültig angesehen werden kann. Was die anderen Fragen anbelangt, so sind sie sehr verwickelt, und ich fühle mich nicht gerüstet, den Gordischen Knoten mit einem Hieb zu durchhauen. Sicher hast du recht, wenn du unmittelbar deiner eigenen Wahrheit folgst, und du brauchst Xs oder anderer Leute Vorschläge und Lösungen nicht anzunehmen. Der Mensch braucht beides, Glauben und Vernunft, solange er keine bessere Einsicht und kein größeres Wissen erreicht hat. Ohne Glauben kann er mit Sicherheit auf keinem Pfad wandern, doch ohne Vernunft durchaus, besonders wenn ihn der Stab des Glaubens in der Dunkelheit stützt. X gründet seinen Glauben zwar nicht auf der Vernunft, doch auf dem Argument; selbst der Rationalist, der Rationalisierende oder der Argumentierende muss Glauben besitzen und sei es nur der Glaube an die Vernunft selbst als ausreichend und maßgebend; genauso sieht der Gläubige seinen Glauben als ausreichend und maßgebend an. Dennoch können beide [Glaube und Vernunft] irren – wie es nicht anders sein kann –, da beide Instrumente des menschlichen Mentals sind, dessen Natur es ist zu irren, und beide teilen die Begrenzungen dieses Mentals. Jeder muss in dem Licht wandern, das er besitzt, auch wenn es dunkle Stellen gibt, über die er stolpert.

Скачать книгу