Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo

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des Intellektes zu bestimmen. Doch erstens räumten sie dem mentalen Denken als Instrument bei der Entdeckung der Wahrheit nicht die höchste Stufe ein, sondern behandelten es zweitrangig. Der vorderste Platz gehörte hier immer der spirituellen Intuition und Erleuchtung, der spirituellen Erfahrung; eine intellektuelle Schlussfolgerung, die dieser höchsten Maßgeblichkeit widersprach, wurde nicht anerkannt. Zweitens, jede Philosophie versah sich mit einem praktischen Weg, um das höchste Stadium des Bewusstseins zu erreichen, so dass das Ziel, selbst wenn man mit dem Denken begann, darin bestand, zu einem Bewusstsein jenseits des mentalen Denkens zu gelangen. Jeder Gründer einer Philosophie – oder jene, die sein Werk oder seine Schule fortsetzten – war gleichzeitig ein metaphysischer Denker und Yogi. Die rein philosophischen Intellektuellen wurden ob ihrer Gelehrsamkeit respektiert, doch nahmen sie nie den Rang von Wahrheits-Entdeckern ein. Und jene Philosophien, denen eine genügend machtvolle Methode spiritueller Erfahrung fehlte, starben aus und gehörten der Vergangenheit an, da sie für spirituelle Entdeckung und Verwirklichung nicht brauchbar waren.

      Im Westen geschah genau das Gegenteil. Der Gedanke, der Intellekt, der logische Verstand wurden mehr und mehr als die höchsten Mittel betrachtet und sogar als höchstes Ziel; in der Philosophie ist das Denken der Anfang und das Ende. Die Wahrheit muss hier durch intellektuelles Forschen – und die Spekulation entdeckt werden; sogar die spirituelle Erfahrung wird aufgerufen, sich den Prüfungen des Intellektes zu unterziehen, wenn sie als gültig angesehen werden will – also praktisch das Gegenteil der indischen Einstellung. Selbst diejenigen, die erkennen, dass mentales Denken zurückgelassen werden muss, und ein supramentales „Anderes“ anerkennen, scheinen zu meinen, dass mit Hilfe von mentalem Denken, das sich sublimiert und wandelt, diese andere Wahrheit zu erreichen sei und an Stelle der mentalen Begrenzung und Unkenntnis treten muss. Und dennoch, westliches Denken ist nicht mehr dynamisch, es hat eine Theorie der Dinge und nicht die Verwirklichung gesucht. Bei den alten Griechen war es noch dynamisch, doch eher mit einem moralischen und ästhetischen als einem spirituellen Ziel. Späterhin wurde es umso mehr rein intellektuell und akademisch; es wurde zu einer intellektuellen Spekulation, doch ohne jeden praktischen Weg und praktische Methoden, die Wahrheit mit Hilfe spiritueller Erfahrung, spiritueller Entdeckung und spiritueller Umwandlung zu erreichen. Gäbe es diesen Unterschied nicht, dann bestünde für Suchende, wie du selbst einer bist, kein Grund, sich dem Osten zur Unterweisung anzuvertrauen; denn im rein intellektuellen Bereich sind die westlichen Denker so maßgebend wie jeder östliche Weise. Was in der Überintellektualität des Mentals in Europa verloren ging, ist der spirituelle Pfad, der Weg, der über den Intellekt hinausführt, der Übergang vom äußeren Wesen zum innersten Selbst.

      In den Auszügen von Bradley und Joachim, die du mir schicktest, ist es immer noch das intellektuelle Denken über das, was sich jenseits von ihm befindet, und das zu einer intellektuellen, einer vernunftmäßigen, spekulativen Schlussfolgerung daraus gelangt. Es besitzt nicht die Dynamik für die Veränderung, die es zu beschreiben sucht. Wenn diese Autoren eine Verwirklichung in mentalen Ausdrücken beschreiben würden, selbst eine mentale Verwirklichung, eine intuitive Erfahrung jenes „Anderen, jenseits des Denkens“, könnte man in die Nähe der gleichen Erfahrung gelangen, sofern man bereit wäre, sie durch den Schleier ihrer Sprache zu spüren. Oder man könnte sich, ihren Überlegungen folgend, für den gleichen Übergang bereitmachen, wenn sie nach Erreichen der verstandesmäßigen Folgerungen – auf der Suche nach dem Weg oder einem bereits gefundenen folgend – zur spirituellen Verwirklichung fortgeschritten wären. Doch nichts dieser Art ist in all dem schwerfälligen Denken zu finden. Es bleibt im Bereich des Intellekts und ist darin zweifellos bewundernswert; doch für die spirituelle Erfahrung fehlt ihm die Dynamik.

      *

      Yoga besteht nicht aus Ideen, sondern aus innerer spiritueller Erfahrung. Sich allein von gewissen religiösen oder spirituellen Ideen angezogen zu fühlen, führt zu keiner Verwirklichung. Yoga bedeutet eine Bewusstseinsveränderung; rein mentale Aktivität führt zu keiner Veränderung des Bewusstseins, sie vermag lediglich das Mental zu verändern. Und wenn dein Mental genügend beweglich ist, wird es sich bis zuletzt fortwährend verändern, ohne zu einem gesicherten Weg oder in einen spirituellen Hafen gelangt zu sein. Das Mental kann denken, zweifeln, in Frage stellen, billigen und seine-Billigung wieder zurückziehen, Formungen bilden und sie wieder auflösen, Entscheidungen fällen und sie rückgängig machen, immer an der Oberfläche und mittels oberflächlicher Anhaltspunkte urteilend und daher niemals zu einer tiefen und sicheren Erfahrung der Wahrheit gelangend – doch mehr vermag es allein aus sich selbst nicht zu tun. Es gibt nur drei Wege, wodurch es sich zu einem Kanal oder Instrument der Wahrheit machen kann. Entweder es muss zum Schweigen im Selbst gelangen und einem weiteren und größeren Bewusstsein weichen; oder es muss sich passiv machen für ein inneres Licht und diesem Licht erlauben, es als Ausdrucksmittel zu gebrauchen; oder aber es muss sich aus dem gegenwärtig zweifelnden, intellektuellen und oberflächlichen Mental in einen intuitiven Verstand wandeln, in ein visionäres Mental, das für eine direkte Wahrnehmung der göttlichen Wahrheit geeignet ist.

      Wenn du irgend etwas im Yoga erreichen willst, hast du ein für allemal festzulegen, welchem Weg du folgen willst. Es hat keinen Wert, dein Gesicht der Zukunft zuzuwenden und dann immer wieder in die Vergangenheit zurückzublicken; auf diese Weise wirst du nirgendwohin gelangen. Wenn du an deine Vergangenheit gebunden bist, kehre zu ihr zurück und folge dem Weg, den du dann wählst; doch wenn du statt dessen diesen Weg wählst, musst du dich voll und ganz geben und darfst nicht jeden Augenblick zurückschauen.

      *

      Über Zweifel zu diskutieren, habe ich seit langem aufgegeben, da ich es durchaus für sinnlos halte. Yoga eignet sich nicht für intellektuelle Untersuchung oder Erörterung. Man kann nicht über das logische oder debattierende Mental zum wahren Verständnis des Yogaweges gelangen oder diesem folgen. Eine unentschiedene Einstellung, „ehrliche Zweifel“ und die Forderung, dass der Intellekt zufriedengestellt werden muss und jeden einzelnen Punkt zu beurteilen hat, ist im Bereich einer äußeren mentalen Tätigkeit durchaus in Ordnung. Yoga aber ist kein mentaler Bereich, und das Bewusstsein, das gegründet werden muss, ist kein mentales, logisches oder erörterndes Bewusstsein – es gibt im Yoga sogar die Regel, dass die Sadhana ihr Ziel verfehle, wenn und solange nicht das Mental, einschließlich des intellektuellen oder logischen Mentals, zur Ruhe gelangt ist und sich in der Stille oder dem Schweigen einem Bewusstsein, einem Wissen und einer Schau von höherer oder tieferer Art geöffnet hat. Aus dem gleichen Grund wird in der indischen Tradition bedingungslose Offenheit gegenüber dem Guru gefordert; den Guru zu tadeln, zu kritisieren und anzugreifen, galt als verwerflich und als das unfehlbarste Hemmnis der Sadhana, das es gibt.

      Könnte man den „Geist des Zweifels“ überwinden, indem man ihm mit Argumenten begegnet, dann wäre die Forderung, ihn mittels der Logik zu befriedigen, gewissermaßen berechtigt. Doch der „Geist des Zweifels“ zweifelt um seiner selbst, um des Zweifels willen; er gebraucht das Mental lediglich als Instrument seines speziellen dharma und dies umso mehr, je mehr das Mental glaubt, es suche aufrichtig nach einer Lösung seiner ehrlichen und ununterdrückbaren Zweifel Mentale Einstellungen, unterscheiden sich zudem immer, und es ist wohlbekannt, dass Menschen endlos argumentieren können, ohne einander zu überzeugen. Zu versuchen, hartnäckige und immer wiederkehrende Zweifel zu beschwichtigen – was lange Zeit in diesem Ashram verbreitet war und die Sadhana behinderte – bedeutet, das Ziel des Yoga zu vereiteln und sich gegen

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