Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo

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der spirituellen Wahrheit; es gibt sogar eine Art mentaler Verwirklichung, die, so gut sie kann, ein gewisses Bild der höheren Wahrheit wiedergibt – und all dies hat seinen Wert, doch ist es nicht konkret, wesenhaft und unbezweifelbar. Das Mental ist von sich aus einer höchsten Gewissheit nicht fähig; was immer es glaubt, kann es bezweifeln und bezweifelt es; was immer es bejaht, kann es verneinen; was immer es ergreift, kann es loslassen und lässt es los. Das ist, wenn du so willst, seine Freiheit, sein edles Recht, sein Privileg; doch dies ist alles, was du zu seinen Gunsten sagen kannst; du darfst nicht hoffen, mit Hilfe dieser Methoden des Mentals (außerhalb des Bereichs physischer Phänomene und selbst innerhalb dieser kaum) zu irgend etwas zu gelangen, das du die höchste Gewissheit nennen kannst. Aus diesem zwingenden Grund kann das Denken über das Göttliche oder das Forschen nach ihm nicht das Göttliche herbeiführen. Wenn das Bewusstsein immer mit kleinen mentalen Bewegungen erfüllt ist, die, begleitet von einer Schar vitaler Regungen, Begierden, Voreingenommenheiten und all dem Übrigen, das menschliche Denken beeinträchtigen, so wie es meist der Fall ist – ganz abgesehen von dem eigentlichen Ungenügen der Vernunft –, wo soll da Platz für eine neue Wissensordnung sein, für grundlegende Erfahrungen oder für jenes tiefe und gewaltige Emporwogen oder Herabkommen des Spirits? Allerdings besteht die Möglichkeit, dass das Mental inmitten seiner Aktivitäten plötzlich ergriffen, überwältigt, zur Seite geschwemmt und alles von einem plötzlichen Einbruch spiritueller Erfahrung überflutet wird. Doch wenn es nachher beginnt, in Frage zu stellen, zu zweifeln, zu theoretisieren, zu mutmaßen, was dies sein könnte, ob es wahr sei oder nicht, dann bleibt der spirituellen Macht nichts anderes übrig, als sich wieder zurückzuziehen und zu warten, bis das Schäumen des Mentals sich beruhigt hat.

      Ich möchte eine einfache Frage an jene richten, die das intellektuelle Mental zum Maßstab und Richter spiritueller Erfahrung machen. Ist das Göttliche etwas Geringeres oder ist es etwas Größeres als das Mental? Ist mentales Bewusstsein mit seinen tastenden Fragen, seinem endlosen Argumentieren, seinen unstillbaren Zweifeln, seiner starren und unbiegsamen Logik dem Göttlichen Bewusstsein überlegen oder ebenbürtig oder ist es seiner Tätigkeit und seinem Zustand nach etwas Geringeres? Ist es größer, dann gibt es keinen Grund, das Göttliche zu suchen. Ist es ihm ebenbürtig, dann ist spirituelle Erfahrung ziemlich überflüssig. Ist es aber geringer, wie vermag es dann anzuklagen, zu urteilen, das Göttliche zum Angeklagten oder Zeugen vor seinem Tribunal zu machen, es aufzufordern, als Kandidat vor einem Komitee von Prüfenden zu erscheinen oder es wie ein Insekt unter das untersuchende Mikroskop zu halten? Kann das vitale Tier die Ebene seiner vitalen Instinkte, Assoziationen und Impulse als unfehlbar betrachten und mit ihrer Hilfe das Mental des Menschen beurteilen, interpretieren und ergründen? Es kann das nicht, da das menschliche Mental eine größere Macht ist, die auf eine weitere, komplexere Weise arbeitet, der das tierisch-vitale Bewusstsein nicht zu folgen vermag. Sollte es daher so schwierig sein zu erkennen, dass in gleicher Weise das Göttliche Bewusstsein etwas unendlich Weiteres, Komplexeres als das menschliche Mental sein muss, erfüllt mit größerer Macht und größerem Licht, sich auf eine Weise bewegend, die das reine Mental mit dem Maßstab seines fehlbaren Verstandes und begrenzten Halbwissens weder beurteilen noch interpretieren noch ergründen kann? Es ist klar, dass Spirit und Mental nicht das Gleiche sind und dass es das spirituelle Bewusstsein ist, in das der Yogi eintreten muss (in all dem erwähne ich in keiner Weise das Supramental), wenn er in ständigem Kontakt oder der Einung mit dem Göttlichen sein will. Es ist daher keine Laune oder Tyrannei des Göttlichen, darauf zu bestehen, dass das Mental seine Begrenzungen erkennt, sich beruhigt, von seinen Forderungen ablässt, um sich einem größeren Licht als dem seiner eigenen dunkleren Ebene zu öffnen und hinzugeben.

      Dies bedeutet nicht, dass das Mental im spirituellen Leben keinen Platz hat; es bedeutet vielmehr, dass es nicht das Hauptinstrument sein kann, viel weniger die Autorität, deren Urteil sich alle, einschließlich des Göttlichen, unterwerfen müssen. Das Mental hat von dem größeren Bewusstsein, dem es sich nähert, zu lernen und ihm nicht seinen eigenen Maßstab aufzuerlegen; es muss die Erleuchtung empfangen, es muss sich einer höheren Wahrheit öffnen und eine größere Macht anerkennen, die nicht nach mentalen Richtlinien wirkt, es muss sich unterwerfen und geschehen lassen, dass sein Halblicht und seine Halbdunkelheit von oben überflutet werden, bis es sehen kann, wo es blind war, bis es hören kann, wo es taub war, bis es fühlen kann, wo es stumpf war, und bis es Freude, Erfüllung, Gewissheit und Frieden haben kann, wo es zuvor verwirrt und unsicher, voller Zweifel und Enttäuschung war.

      Das ist es, worauf der Yoga fußt, auf einer immerwährenden Erfahrung seit die Menschen begannen, das Göttliche zu suchen. Wenn dies nicht wahr ist, dann ist im Yoga keine Wahrheit, und es besteht auch kein Erfordernis für den Yoga. Wenn es aber wahr ist, dann können wir von dieser Grundlage ausgehend – nämlich von der Notwendigkeit dieses größeren Bewusstseins – erkennen, ob Zweifel irgendeinen Nutzen für das spirituelle Leben haben. Irgendetwas Beliebiges, zu glauben, wird vom spirituell Suchenden bestimmt nicht erwartet; eine solche unkritische und törichte Gläubigkeit wäre nicht nur unintellektuell, sondern auch in höchstem Maße unspirituell. In jedem Augenblick des spirituellen Lebens, bis man in das höhere Licht ganz eingetreten ist, muss man auf der Hut sein und fähig, spirituelle Wahrheit von pseudospirituellen Nachahmungen oder Surrogaten zu unterscheiden, die vom Mental und dem vitalen Begehren geformt werden. Die Fähigkeit, zwischen den Wahrheiten des Göttlichen und den Lügen der asuras zu unterscheiden, ist ein zentrales Erfordernis für den Yoga. Die Frage ist, ob dies am besten durch die negative und destruktive Methode des Zweifels geschieht, die zwar oft die Falschheit tötet, doch mit dem selben gleichgültigen Hieb die Wahrheit zurückschlägt, oder ob eine positivere, eine hilfreichere und lichthaft suchende Macht gefunden werden kann, die durch keine ihr innewohnende Unwissenheit gezwungen wird, Falschheit und Wahrheit gleicherweise mit dem Stilett des Zweifels oder dem Knüppel der Verneinung zu begegnen. Die Lehre der Spiritualität oder des Yoga besteht nicht in der Blindheit des mentalen Glaubens; der Glaube, von dem der Yoga spricht, ist kein unverarbeiteter, mentaler Glaube, sondern das Festhalten der Seele an dem leitenden inneren Licht, ein Festhalten, das bewahrt werden muss, bis jenes Licht in das Wissen führt.

      *

      Ich verlange von niemandem „blinden“ Glauben, ich verlange vielmehr einen grundlegenden Glauben, der von einer geduldigen und ruhigen Unterscheidung getragen wird – denn diese beiden gehören zum Bewusstsein des spirituell Suchenden; ich habe sie selbst angewendet und gefunden, dass durch sie jenes ziemlich unnötige Dilemma schwindet, jenes „entweder du musst alles Überphysische bezweifeln oder blind glauben“, welches das gängige Argument des Materialisten ist. Dein eigener Zweifel kehrt, wie ich sehe, fortwährend zu dieser Frage mit der Wiederholung jener Phrase zurück – obwohl ich ihr nicht zustimme –, was wiederum meine Behauptung stützt, dass der Zweifel nicht überzeugt werden kann, da er aufgrund seiner eigentlichen Natur nicht überzeugt werden will; er wiederholt immer wieder die alte Leier.

      *

      In dieser physischen Welt überwiegt das Anormale, und es gibt auch das Übernormale. Bei diesen Dingen sollte, abgesehen von jeder Glaubensfrage, ein wahrhaft vernünftiger Mensch mit einem freien Geist (der nicht wie jener der Rationalisten oder sogenannten Frei-Denker an jedem Punkt mit dem dreifachen Strick eines a priori und eines irrationalen Zweifels gebunden ist) nicht sofort „Humbug und Falschheit“ ausrufen, sondern eine Beurteilung so lange aufschieben, bis er die notwendige Erfahrung und das notwendige Wissen besitzt. In Unwissenheit zu verneinen, ist nicht besser, als in Unwissenheit zu bejahen.

      *

      Welches Motiv auch immer das Mental oder Vital unmittelbar bewegt, es muss, wenn in dem Wesen ein wahrhaftes Suchen nach dem Göttlichen besteht, einmal zur Verwirklichung des Göttlichen führen. Die Seele besitzt immer jenes innere Sehnen (ahaituki) nach dem Göttlichen; das besondere Motiv (hetu) ist lediglich ein Impuls, der von ihr benutzt wird, damit Mental und Vital dem inneren Drängen folgen. Und sobald das Mental und Vital die reine Liebe der Seele zum Göttlichen um seiner selbst willen spüren und annehmen können, erreicht die Sadhana ihre volle Kraft, und viele Schwierigkeiten schwinden; doch auch wenn sie dies nicht können, werden sie erhalten, was sie im Göttlichen suchen, und auf diese Weise

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