Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo

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des Mentals, besonders wenn es zur Stille gelangt, ist nicht die eines abstrakten Zustandes oder die des Abstreifens oder die eines nicht greifbaren Bewusstseinselementes, es ist die Erfahrung einer erweiterten feinen Substanz, in der es Wellen geben kann und gibt, Strömungen, Schwingungen, die zwar nicht stofflich, doch einem inneren Sinn ebenso bestimmt wahrnehmbar und kontrollierbar sind, wie es irgendeine Bewegung stofflicher Energie oder Substanz für die physischen Sinne ist. Die Stille des Mentals bedeutet als erstes, dass die gewohnten Gedankenregungen, Gedankenformungen, Gedankenströme, die die Substanz des Mentals erregen, zur Ruhe gelangen, und für viele ist dieses mentale Schweigen ausreichend. Doch selbst in dieser Ruhe aller Gedanken- oder Gefühlsregungen erkennt man bei näherer Betrachtung, dass die Substanz des Mentals sich in einem andauernden Zustand sehr feiner Schwingung befindet, die zunächst nicht gleich erkennbar, doch dann ganz offensichtlich ist – und dieser Zustand fortwährender Schwingung kann einer genauen Widerspiegelung oder dem genauen Empfang der herabkommenden Wahrheit so schädlich sein wie jede andere mehrgeformte Gedankenregung; denn er ist die Quelle einer Mentalisierung, welche die Echtheit der höheren Wahrheit verringern oder entstellen oder in mentale Brechungen auflösen kann. Wenn ich von einem stillen Mental spreche, meine ich eines, in dem es diese Störungen nicht länger gibt. In dem Maße, wie diese zur Ruhe gelangen, kann man die wachsende Stille und eine daraus hervorgehende Klarheit so deutlich fühlen, wie man die Stille und Klarheit einer physischen Atmosphäre wahrnehmen kann. Was ich als die Helle beschreibe es gibt noch ein anderes Element –, löst sich in einer Lichterscheinung auf, die jeder mystischen Erfahrung gemein ist. Dieses Licht ist keine Metapher – wie etwa jenes Licht, nach dem Goethe in seinen letzten Augenblicken rief –, es zeigt sich vielmehr als eine durchaus positive Erhellung, die durch den inneren Sinn tatsächlich gesehen und gefühlt wird. Auch ist die Helle des stillen und klaren Mentals eine positive Spiegelung dieses Lichtes, bevor das Licht sich dann selbst manifestiert; und diese Licht-Spiegelung ist eine durchaus notwendige Voraussetzung für die wachsende Fähigkeit, die Wahrheit, die man empfangen und beherbergen muss, durchzulassen. Ich habe diesen Teil ein wenig ausführlich behandelt, um dadurch den Unterschied zwischen der abstrakt mentalen und der konkret mystischen Wahrnehmung überphysischer Dinge hervorzuheben, der eine Quelle großer Missverständnisse zwischen dem spirituell Suchenden und dem intellektuellen Denker ist. Selbst wenn sie die gleiche Sprache sprechen, ist es eine andere Wahrnehmungsordnung, auf welche die Sprache das Ergebnis zweier verschiedener Bewusstseinsstufen bezieht, und selbst dort, wo sie übereinstimmen, besteht oft ein Abgrund der Verschiedenheit.

      *

      Das bringt uns geradewegs zu der von Prof. Sorley erhobenen Frage, nämlich der Beziehung zwischen mystischer und spiritueller Erfahrung und ob es – wie behauptet wird – zutrifft, dass der Mystiker hinsichtlich der Gültigkeit seiner Erfahrung oder der Gültigkeit ihres Ausdrucks den Intellekt als Richter anerkennen muss. Es ist durchaus einleuchtend, in der Erfahrung als solcher kann der Intellekt nicht beanspruchen, seine Grenzen oder sein Gesetz einem Bestreben aufzuerlegen, dessen Ziel, Prinzip und Anliegen es ist, den Bereich des gewöhnlichen, erdverhafteten und sinnenverhafteten mentalen Denkvermögens hinter sich zu lassen. Das wäre so, als sollte ich einen Berg ersteigen mit einem Strick an den Beinen, der mich an die Erde fesselt, oder als ob ich fliegen sollte unter der Bedingung, meine Füße auf dem Boden zu behalten. Es mag sicherer sein, auf der Erde mit festem Boden unter den Füßen zu wandern; sich auf Flügeln oder anderswie zu erheben, kann einen Sturz und alle möglichen Unfälle zur Folge haben, wie Irrtum, Illusion, Extravaganz, Sinnestäuschung und was nicht sonst noch – die üblichen Vorwürfe des positiv erdgebundenen Intellektes gegenüber mystischer Erfahrung; doch wenn ich es überhaupt tun will, muss ich das Risiko auf mich nehmen. Der erwägende Verstand fußt auf der normalen Erfahrung des Menschen und auf einer oberflächlichen, äußeren Wahrnehmung und Auffassung der Dinge und ist nur zufrieden, solange er auf einer mentalen Grundlage arbeitet, die durch die Erderfahrung und ihre angesammelten Daten gebildet wurde. Der Mystiker wendet sich darüber hinaus in einen Bereich, in dem diese mentale Grundlage wegfällt, in dem diese Daten überschritten werden und in dem es ein anderes Gesetz, eine andere Richtlinie der Wahrnehmung und Erkenntnis gibt. Sein einziges Anliegen besteht darin, diese Grenzen zu einem anderen Bewusstsein zu durchbrechen, das die Dinge auf andere Weise betrachtet; und obwohl dieses neue Bewusstsein die Tatsachen des gewöhnlichen äußeren Verstandes mit einbeziehen mag, kann es durch diese nicht eingeschränkt oder festgelegt werden, die Dinge vom intellektuellen Standpunkt aus zu sehen oder in Übereinstimmung mit seiner Auffassung und Begründung und seiner hergebrachten Deutung der Erfahrung. Ein mystisches Betreten des okkulten oder spirituellen Bereiches mit dem Intellekt als einzigem oder höchstem Licht oder Führer würde bedeuten, nichts zu sehen oder aber lediglich zu einer mentalen Verwirklichung zu gelangen, die bereits festgelegt ist in den Spekulationen des intellektuellen Denkers.

      Es gibt durchaus eine Richtung im indisch-spirituellen Denken, die mit der modernen intellektuellen Forderung einen Kompromiss schließt und die Vernunft als höchsten Richter anerkennt; doch damit ist eine Vernunft gemeint, die ihrerseits bereit ist, die Tatsachen spiritueller Erfahrung als gültig per se zu akzeptieren und mit ihnen einen Kompromiss zu schließen. Dies ist gewissermaßen genau das, was indische Philosophen immer taten; denn sie versuchten, durch metaphysisches Denken Verallgemeinerungen aufzustellen, die aus spiritueller Erfahrung stammten, jedoch auf der Grundlage dieser Erfahrung und mit der Aussage des spirituell Suchenden als höchstem Beweis, der über intellektueller Spekulation oder Erfahrung steht. Auf diese Weise wird die Freiheit spiritueller und mystischer Erfahrung bewahrt, der erwägende Verstand tritt lediglich in zweiter Linie als Richter verallgemeinernder Äußerungen auf, die aus der [spirituellen] Erfahrung stammen. Dies kommt vermutlich Prof. Sorleys Einstellung nahe; er stimmt zu, dass die Erfahrung als solche dem Bereich des Unsäglichen angehört; und sobald ich sie zu deuten und darzulegen beginne falle ich zurück in den Bereich des denkenden Mentals, ich gebrauche dessen Begriffe, dessen Art zu denken und sich auszudrücken und muss den Verstand als Richter anerkennen. Tue ich es nicht, dann stoße ich die Leiter fort, mit deren Hilfe ich über das Mental zum Jenseits des Mentals emporstieg – und hänge in der Luft. Es ist [aus Prof. Sorleys Äußerungen] nicht ganz ersichtlich, ob die Echtheit meiner Erfahrung als solcher durch diese haltlose Stellung in der Luft als entwertet angesehen werden soll, doch bleibt sie auf jeden Fall etwas Fernes, Unmitteilbares, ohne Halt oder irgendwelche Folgen für das Denken und Leben. Drei Thesen kann man vermutlich aus dem Obigen als feststehend, anerkannt und zusammenhängend aufstellen: Erstens, spirituelle Erfahrung als solche stammt aus dem [Bereich] Jenseits des Mentals und ist unbeschreibbar und vermutlich undenkbar. Als nächstes, willst du die Erfahrung ausdrücken oder deuten, bist du gezwungen, in den Bereich jenes Bewusstseins zurückzufallen, das du verlassen hast, und musst dich mit dessen Ansicht abfinden, musst die Bedingungen und Richtlinien seines Gesetzes anerkennen und dich seinem Urteil unterwerfen; du hast die Freiheit des Unsäglichen verlassen und bist nicht mehr dein eigener Herr. Und als letztes, spirituelle Wahrheit mag in sich, für ihre eigene Selbsterfahrung wahr sein, doch unterliegt jede Äußerung darüber dem Irrtum, und hier ist der Intellekt der einzige Richter.

      Ich glaube nicht, dass ich bereit bin, irgendeine dieser Behauptungen, so wie sie sind, völlig hinzunehmen. Es stimmt, spirituelle und mystische Erfahrung führt zuerst in die Bereiche eines Anderen Mentals (und auch eines Anderen Lebens) und dann in das Jenseits des Mentals;es ist ebenfalls richtig, dass die höchste Wahrheit als undenkbar, unsagbar, unerkennbar beschrieben wird, und weder die Sprache noch das Mental können sie erreichen; ich möchte bemerken, dass dies für das menschliche Mental zutrifft, doch nicht für diese [höchste Wahrheit] als solche, denn diese, auf sich selbst bezogen, wird als ihrer selbst-bewusst beschrieben, sie ist auf eine direkte supramentale Weise erkennbar und wird erkannt und ist ewig ihrer selbst gewahr. Und hier handelt es sich nicht um die letzte Verwirklichung des letzten Unsäglichen – das nach Meinung vieler allein in einer höchsten Trance, samadhi, abgewandt von aller äußeren oder anderen Wahrnehmung erreicht werden kann –, sondern um eine Erfahrung in der leuchtenden Stille des Mentals, das in die Unendlichkeit des letzten, unbegrenzten Schweigens aufblickt, in das es eintreten und in dem es aufgehen soll; doch bevor jene unaussprechliche Erfahrung des Letzten stattfindet oder das Aufgehen in ihm, ist eine Herabkunft von zumindest irgendeiner Macht oder Gegenwart der Wirklichkeit in die Mentalsubstanz möglich, die diese gleichzeitig

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