Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo страница 51

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo

Скачать книгу

Unsägliche und Unerkennbare Aspekte und Darstellungen dieser Erfahrung besitzt, die nicht gänzlich undenkbar und unsagbar sind.

      Wäre es nicht so, dann wäre jede Darstellung spiritueller Wahrheit und Erfahrung unmöglich. Man könnte bestenfalls Mutmaßungen darüber anstellen, doch diese würden sehr in der Luft hängen, ja sogar in einer Leere ohne Grund und Boden, es wäre ein reines Manipulieren aller möglichen Ideen über das Höchste und Letzte. Abgesehen davon könnte es nur einen bestimmten unerklärlichen Übergang so oder so von Bewusstsein zu einer Art unbeschreibbarer Überbewusstheit geben. Und tatsächlich war es dies, was ein großer Teil des mystischen Suchens in Europa und Indien erreichte. Die christlichen Mystiker sprachen von einer totalen Finsternis, einer vollständigen Finsternis, unberührt von jedem mentalen Licht, durch die man hindurchzugehen hat auf dem Weg zu jenem leuchtenden Unsäglichen. Die indischen sannyasin versuchten das Mental insgesamt abzustreifen und in eine Trance ohne Denken einzugehen, aus der man bei der Rückkehr weder eine Mitteilung noch einen Ausdruck mitbringen kann – außer der Erinnerung an ein unaussprechliches Dasein, an unaussprechliche Seligkeit. Und doch gab es Erfahrungen des höchsten Mysteriums, Formulierungen des Höchsten oder des okkulten universalen Daseins, die als spirituelle Wahrheit anerkannt wurden und auf deren Grundlage Seher und Mystiker ihre Erfahrung darstellen und die Denker ihre zahllosen Philosophien und die Bücher der Exegese aufbauten. Die einzig offene Frage ist, wodurch diese Mitteilung, dieser Ausdruck, diese Umschreibung von Tatsachen einer anderen Bewusstseinsordnung für das Mental ermöglicht wird und was über die Gültigkeit des Ausdrucks oder gar die Gültigkeit der ursprünglichen Erfahrung überhaupt entscheidet. Wenn keine gültige Darstellung möglich wäre, gäbe es keine Frage der Beurteilung durch den Intellekt – es gäbe lediglich den grotesken Widerspruch, sich hinzusetzen und vom Unsäglichen zu sprechen, an das Undenkbare zu denken und das Unbegreifliche und Unerkennbare zu erkennen.

      *

      Ich las Leonard Woolfs Artikel, doch habe ich nicht die Absicht, mich damit in meinen Kommentaren zu Prof. Sorleys Brief auseinanderzusetzen; denn abgesehen von der unwissenden Beschuldigung und billigen Satire, die darin zum Ausdruck kommen, enthält seine Anklage gegen spirituelles Denken oder spirituelle Erfahrung nichts Erwähnenswertes; seine Überlegungen sind oberflächlich und entspringen einer völlig falschen Auffassung der mystischen Seite. Der Artikel enthält in der Hauptsache vier Argumente gegen diese, und keines davon hat irgendeinen Wert.

      Argument Nummer eins: Mystizismus und Mystiker hätte es immer in Zeiten der Dekadenz, während der Ebbe des Lebens gegeben, und ihr lautes Geschrei sei ein Symptom der Dekadenz. Dieses Argument ist absolut falsch. Im Osten fanden die großen spirituellen Bewegungen in der vollen Blüte des Lebens und der Kultur eines Volkes statt – in der ansteigenden Flut – und gaben seinem Denken, seiner Kunst, seinem Leben einen machtvollen Impuls des Ausdrucks und der Fülle; in Griechenland gab es die Mystiker und Mysterien in prähistorischen Zeiten und auch später (Pythagoras war einer der größten Mystiker) und nicht nur während Ebbe und Niedergang; die mystischen Kulte blühten in Rom, als seine Kultur im Aufstieg begriffen war; viele große spirituelle Persönlichkeiten Italiens, Frankreichs, Spaniens wirkten in einem Leben, das reich und lebendig und nicht im geringsten von der Dekadenz berührt war. Eine solche vorschnelle und dumme Verallgemeinerung enthält keine Wahrheit und ist daher ohne Wert.

      Argument Nummer zwei: Eine spirituelle Erfahrung könne nicht als Wahrheit angesehen werden (sie sei ein Hirngespinst), sofern sie nicht bewiesen werde, so wie man das Vorhandensein eines Stuhles im anderen Zimmer beweisen kann, indem man ihn dem Auge zeigt. Natürlich kann eine spirituelle Wahrheit nicht derart bewiesen werden, denn sie gehört nicht der Ordnung physischer Tatsachen an und ist physisch weder sichtbar noch berührbar. Die Darstellung des Autors läuft darauf hinaus, dass nur das, was für jedermann auch ohne Schulung und Entwicklung, ohne Rüstzeug oder persönliche Entdeckung leicht ersichtlich ist oder ersichtlich gemacht werden kann, als Wahrheit betrachtet werden darf. Diese Einstellung würde, falls man sie annähme, das Wissen oder die Wahrheit auf sehr enge Grenzen beschränken und einen Großteil menschlicher Kultur zunichte machen. Ein spiritueller Friede – jener Friede, der alles Verstehen überschreitet – ist eine allgemeine Erfahrung der Mystiker der ganzen Welt, er ist eine Tatsache, doch eine spirituelle Tatsache, eine Tatsache des Unsichtbaren, und sobald man in ihn eintritt – er tritt besser gesagt in einen selbst ein –, erkennt man ihn als eine Wahrheit des Daseins, die immerfort hinter dem Leben und den sichtbaren Dingen steht. Doch wie soll ich diese unsichtbaren Tatsachen Herrn Leonhard Woolf beschreiben? Er wird sich abwenden und sagen, es sei das übliche Geschwätz, und verächtlich die Schultern zucken – vielleicht um einen weiteren seichten Artikel zu schreiben über ein Thema, von dem er keine persönliche Kenntnis oder Erfahrung besitzt.

      Argument Nummer drei: Verallgemeinerungen, die sich auf spirituelle Erfahrung gründen, seien sowohl irrational als auch unbewiesen. Irrational inwiefern? Sind sie lediglich töricht und unfassbar oder gehören sie einer überrationalen Ordnung der Erfahrung an, für Welche die gewöhnlichen intellektuellen Maßstäbe nicht anwendbar sind, da sich diese auf die Welt der Erscheinungen gründen, wie das äußere Mental und der Verstand sie erfasst, und nicht auf eine innere Verwirklichung, die diese Erscheinungen überschreitet? Das ist es, was die Mystiker behaupten, und man kann es nicht abtun mit der einfachen Feststellung, dass diese Verallgemeinerungen mit der normalen Erfahrung nicht übereinstimmen würden, weshalb sie unsinnig und falsch seien. Ich unternehme es nicht, alles, was Joad oder Radhakrishna geschrieben haben, zu verteidigen – wie zum Beispiel die Behauptung, die Welt sei gut –, doch kann ich es nicht zulassen, dass der Autor viele dieser Äußerungen als absolut irrational verdammt. „Die Persönlichkeit zu integrieren“ zum Beispiel mag keine Bedeutung für ihn haben, es hat aber eine sehr klare Bedeutung für mich, denn es ist eine Wahrheit der Erfahrung; und wenn man der modernen Psychologie Glauben schenken will, ist diese nicht irrational, da sich in unserem Wesen nicht nur ein bewusster Teil, sondern auch ein unbewusster oder verborgen unterschwelliger Teil befindet, und es ist nicht unmöglich, sich beider bewusst zu werden und eine Art Integration zu vollziehen. Beide Teile zu überschreiten, kann ebenfalls eine rationale Bedeutung haben, denn wenn wir zugeben, dass es einen unterbewussten Teil unseres Wesens gibt, kann es auch einen überbewussten Teil geben; ungleiche Teile unserer Natur oder Erfahrung miteinander in Einklang zu bringen, ist daher keine so sinnlose oder lächerliche Phrase. Es ist weiterhin nicht absurd zu sagen, die Karma-Lehre verbinde Determinismus und Freien Willen, da angenommen wird, dass unsere vergangenen Taten und unser vergangener Wille in großem Ausmaß die gegenwärtigen Folgen bestimmen, doch nicht derart, dass sie einen gegenwärtigen Willen ausschließen, der sie modifiziert und unser künftiges Dasein neu determiniert. Die Stelle über den Wert der Welt ist durchaus erklärbar, wenn wir erkennen, dass sie sich auf einen progressiven Wert bezieht, der nicht bestimmt wird von den guten oder schlechten Erfahrungen des Augenblicks, sondern auf einen Daseins-Wert, der sich in der Zeit entwickelt und als Ganzes zu sehen ist. Die Äußerung über Gott ergibt keinen Sinn, wenn sie mit der oberflächlichen Darstellung des Göttlichen in Verbindung gebracht wird, wie sie in der volkstümlichen Religion üblich ist; doch es ist ein durchaus logisches Ergebnis des Obenerwähnten, dass es einen Unendlichen und Ewigen gibt, der in sich die Zeit und Dinge manifestiert, die in ihrer Erscheinung endlich sind. Man kann diese komplexe Vorstellung des Göttlichen, die sich auf der Koordinierung von Tatsachen einer langen spirituellen Erfahrung gründet und die Tausende von Suchenden zu allen Zeiten hatten, hinnehmen oder zurückweisen, doch sehe ich nicht ein, warum sie als irrational anzusehen ist und was daran so tadelnswert und unzulässig sein soll. Es kann schließlich eine synthetische und globale Beurteilung der Dinge geben und ein Bewusstsein der Dinge, die nicht durch die Gegensätze und Trennungen eines bloß analytischen, auswählenden und zergliedernden Verstandes gebunden sind.

      Argument Nummer vier: Die Ausrede die Intuition sei nur ein Deckmantel für die Unfähigkeit, etwas mit Hilfe des Verstandes – des Joad- und Radhakrishna-Verstandes – zu erhärten und statt dessen Zuflucht in der Intuition zu suchen, da der Verstand versagt. Kann man das Problem auf eine so leichte und einschneidende Weise lösen? Tatsache ist, dass sich der Mystiker auf ein inneres Wissen, eine innere Erfahrung verlässt; doch wenn er philosophiert, muss er dem Verstand zu erklären

Скачать книгу