Jakob der Letzte. Peter Rosegger

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Jakob der Letzte - Peter  Rosegger

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Tag billiger, Holz habe gar keinen Preis, besonders nicht im entlegenen Altenmoos, die Dienstboten seien kostspieliger und ungebärdiger als je. Früher habe Haus und Grund den Besitzer von dem Soldatenleben befreit, das sei nicht mehr. Früher habe ein Bauerngut beisammenbleiben müssen und hätten die Kinder des Hauses ihr Lebtag daran ein Heim gehabt; heute dürfe jedes Bauerngut zerrissen werden, wie man einen Papierwisch zerreißt, der nichts mehr gilt. Dazu die hohen Steuern, und wer sie rechtzeitig nicht zahlen könne, dem lasse der Staat das Haus verganten ohne Barmherzigkeit. Früher sei der Bauernstand ein Ehrenstand gewesen, heute mache sich über den Bauern jedermann lustig, weil er ja wahrhaftig ein Tor wär’, wenn er es nicht einsehe, daß für ihn die Zeit aus ist.

      Wenn der Reuthofer – fuhr der Waldmeister in seinen Auseinandersetzungen fort – sein Gütl verkaufe, so könne er das Geld in die Sparkasse oder auf Wertpapiere anlegen und davon alle Jahre seine Fexung machen ohne Müh’ und Sorge. Wolle er sich nebenbei ’was erwerben oder wollen es die Kinder, so stünden Eisenwerke und hundert Fabriken in der Welt, wo der Mensch glänzenden Verdienst finde. Der Kampelherr meine es nur gut mit den Leuten und gebe ihnen Gelegenheit, das Glück zu ergreifen. Er wolle einen größeren Fleck beisammen haben und zahle die Häuser besser als gut. Das möge sie – die brave Frau – ihrem Manne begreiflich machen. Komme der Kauf zustande, so lege er, der Oberförster, ihr extra zehn nagelneue Dukaten auf die Hand.

      „Sagen will ich ihm’s schon“, entgegnete die Maria, „aber bestechen laß ich mich nicht.“

      Damit war der Oberförster auch hier fertig. Überlaut ein munteres Liedel pfeifend, insgeheim über den „dummen Bauernstolz“ knirschend, so ging er von hinnen.

      Als er hinter dem Gehöfte am Moosbarren vorüberschritt, hörte er sich rufen. Aus der Fensterluke schaute ein schöner, aber verwilderter Knabenkopf.

      „Lieber Herr Waldmeister!“ rief der, „lasse mich aus. Sie haben mich dahier eingesperrt!“

      Der Oberförster blieb stehen. „Was?“ fragte er, „eingesperrt? Was hast du nur angestellt?“

      „Fort will ich. Bleiben will ich nicht mehr in diesem Altenmoos. Die Welt will ich sehen. Deswegen haben sie mich eingesperrt. Geh’, laß mich aus!“

      „Da hört sich doch alles auf!“ murmelte der Waldmeister.

      „Die Jugend versteht ihre Zeit. Mit Gewalt aber wird sie gefangen gehalten in Gebirgswinkeln. Mit Gewalt! Alsdann bleibt sie freilich hocken und rostet ein. Und das nennen sie Heimatsliebe! Hundsfötter sind’s! – Bist du dem Reuthofer sein Sohn, Kleiner? Gut ist’s. Ich will den Kerl so lange würgen, bis er dich ausläßt.“

      „Mein Vater ist kein Kerl, und dem wirst du nichts tun!“ rief der Knabe, „auslassen sollst mich.“

      „Habe ich den Schlüssel?“

      „Geh’ nur um die Ecke herum, dort ist die Tür. Die ist auswendig mit einer Kette angehängt. Die Kette mußt du abhakeln, sonst hast du nichts zu tun.“

      Der Waldmeister kam dem Auftrage nach, wie ein Knecht dem Befehl des Herrn. Als er das Kettlein losgehakelt hatte, wurde die Tür von innen aufgerissen, der Knabe fuhr heraus, rannte dem Oberförster den Kopf an die Beine und lief gegen den Wald hin.

      Der Herr Oberförster-Oberjäger-Waldmeister war durch den plötzlichen, so unvorhergesehenen Anprall zu Boden gestürzt. Als er sich fluchend erhob, um den wilden Knaben zu züchtigen, war dieser freilich schon verschwunden in den Strüppen des Abhanges.

      Übrigens ward dem Manne für die Unbill, die er an diesem Tage von den Altenmooser Leuten erfuhr, eine Genugtuung, noch bevor die Sonne überging. Er war ärgerlich seinen Wäldern zugeeilt und seinen Rehböcken, Hirschen und Auerhähnen. Die lieben Tiere, die sich so brav hegen, jagen und totschießen lassen! „Und diese kreuzverwindierten Bauern wollen hocken bleiben in den Waldbergen und möchten leben. Wollte man so einem einmal seinen Laufpaß auf den Buckel brennen, was das für ein Geschrei wäre! Wollte nur ich einmal ein Gesetz machen! Ausgepeitscht müßt’ es werden, das ganze Bauerngesindel, aus der Gegend, wenn’s nicht freiwillig ginge! Bauernwirtschaften! Das könnt’ mir einfallen! Wie soll da der Wildstand aufkommen! Kostet ohnehin genug. Anstatt Hirschen – Ochsen, anstatt Jäger – Wildschützen! Das wäre sauber! Glauben denn diese Poppel, der Herrgott hat die Welt für die Bauern erschaffen? Das wollen wir ihnen anders beweisen, Gott sei Dank!“

      Solche Gedanken der Entrüstung wurden unterbrochen durch ein Geschrei, das aus dem Waldstuberhäusel drang, an dem der Waldmeister eben vorübergehen wollte.

      Die Waldstuberleute bestanden in acht Personen, welche auf dem kaum zwanzig Joch großen Gütel leben mußten. Da war der Waldstuber und sein Weib, so viel als der Altknecht und die Altmagd, da waren die zwei ältesten Kinder, die schon Jungknecht und Jungmagd abgeben mußten. Das dritte, ein achtjähriges Mädchen, hegte und pflegte die drei jüngsten Kinder, welche im Waldstuberhäusel so recht die Herrschaft spielten, die alles umsonst hatten und tun konnten, was sie wollten.

      Die Waldstuberleute hatten kein gutes Jahr gehabt. Ihre Äcker, die hoch auf dem Berge am Waldrande lagen, waren dem frühen und späten Schnee und dem Hirschenhunger ausgesetzt. Die Kartoffeln, die von solchen Plagen über der Erde geschützt waren, verfielen unter derselben der faulenden Krankheit, der Kohl wurde auf dem Stengel von den Würmern gefressen. Da die Kinder keine Schuhe hatten, so liefen sie barfuß umher draußen im nassen oder bereiften Grase, sie wurden krank, und der Arzt kostete mehr, als die Schuhe gekostet hätten. Die Sache aber war die: der Schuster konnte nicht borgen, der Arzt gab die Medizinen ohne Geld, schickte aber nach Verlauf des Jahres einen drohenden, Zahlung heischenden Brief.

      So war viele Bekümmernis im Waldstuberhäusel, aber nun konnte es besser werden. Die junge Feldfrucht stand sehr hoffnungsvoll, die Kinder waren wieder frisch und munter, und ein Holzkohlengeschäft hatte einen größeren Geldbetrag abgeworfen, den zu holen der Waldstuber eben in Sandeben gewesen war. Froh gestimmt kam er heim, brachte den Kindern Wecken mit und dem Weibe ein Glas Wein mit Zucker und zeigte ihr schmunzelnd auch die mit Fünfguldenscheinen gespickte Brieftasche, welche Scheine nun alle Sorgen dämpfen sollten. Es waren nicht weniger als vierzig Gulden darin. Vor Vergnügen knickte der Waldstuber seine Knie ein und duckte sich zusammen, so daß der ohnehin kleine Mann noch kleiner wurde.

      Zur selben Stunde trat ein halb „herrisch gewandeter“ Mann in die Stube. Als der Waldstuber ihn sah, fühlte er urplötzlich eine Herzbeklemmung, denn für den Bauer ist es nie ein gutes Zeichen, wenn ein „Herr“ in sein Haus tritt.

      Der Fremde grüßte kühl, zog den grauen Hut vom Kopf und trocknete sich mit dem Taschentuch die Stirne, weil ihm heiß geworden war den Berg herauf. Es war im ganzen Wesen des Mannes etwas wie ein Vorwurf gegen die Waldstuberleute, dererwegen er an diesem Tage so sehr in Schweiß geraten war. Es währte gar nicht lange, so zog er einen Papierpack aus dem Sacke und löste von ihm mit kundigen Fingern einen grauen, länglich gefalzten Bogen.

      „Michael Waldstuber, nicht wahr?“ fragte der Fremde leichthin, man wußte aber nicht, fragte er den Genannten oder den Papierbogen. „Für den Waldstuber habe ich etwas.“

      „So“, antwortete der Waldstuber, „wär’ mir schon recht, wenn ich was tät’ kriegen.“

      Die Kinder, die auf dem Fletz umherkrochen, machten lange Kragen auf den Tisch hin. Die Bäuerin ging in die Küche hinaus, sie ahnte schon, was da kommen würde.

      „Da, leset!“ der Fremde überreichte den Bogen.

      „Oh, zum Lesen was“, sagte der Waldstuber, „ich kann nicht lesen.“

      „So!

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