Borreliose natürlich heilen - eBook. Wolf-Dieter Storl
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4 Wandernde Röte.
5 Jarisch-Herxheimer-Reaktion.
6 IgM und IgG sind Klassen von Immunglobulinen.
7 Polymerase-Kettenreaktion.
8 Bei der Heilung auftretende zellreiche, weiche Gewebsneubildung.
BEGEGNUNG MIT DEM DÄMON
In dem nächtlichen Schwitzhüttenritual, an dem ich vor nunmehr zehn Jahren teilnahm, herrschte kein besonders guter Geist. Zum Teil hatte es mit mir zu tun; ich war überarbeitet und hatte zuvor zu wenig schlafen können. Da irritierte es, splitternackt und eng zusammengedrängt mit schwitzenden langhaarigen Indianerfreaks, die man eigentlich nicht kannte, im dunklen »Bauch der Erdmutter« zu hocken. Die rot glühenden Steine in der Mitte des runden, mit Decken und Filzmatten behangenen Weidengestells strahlten eine erdrückende Hitze aus, aber am Rücken zog es empfindlich kalt durch die Ritzen. Die geführte Meditation, die feierliche Einberufung des göttlichen Adlers, des Bisons und anderer indianischer Krafttiere durch den Schwitzhüttenleiter, sprach mich nicht besonders an. Wir waren im Neckartal, irgendwo zwischen chemiegetränkten Weinbergen und kahlem Ackerland in der Nähe von Heidelberg; da sollte man sich doch auf die Krafttiere und Geistwesen der hiesigen, uns unmittelbar umgebenden Natur einstimmen und nicht in irgendwelche Abstraktionen abheben. Es ging doch darum, sich mit der Erde hier, den Pflanzen, Tieren und Geistern zu verbinden! Als dann der kosmische Schelm, der Kojote Shawnodese, der den Süden beherrscht und den warmen Regen bringt, aufgerufen wurde, wendete sich der Zeremonienmeister an mich: »Wolf, sicher kennst du ihn, den trickster, den göttlichen Schelm, aus deiner Zeit in den Rocky Mountains.«
Da meldete sich mein Ego zu Wort, plusterte sich auf, fand die bedeutungsschwere Stimme des erfahrenen Weisen und antwortete: »Ja, sicher, Shawnodese kenne ich gut!«
In der Morgendämmerung, als die Schwitzhütte vorüber war, rollte ich mich im taunassen Gras, um mich abzukühlen. Da biss sich eine Zecke unter meinem Bauch fest. Gemerkt habe ich das aber erst zwei Tage später. Das Spinnentier hatte mich in einer immunschwachen Situation angefallen. Vielleicht war es doch Shanowdese, der mich erwischt hatte und mir den Egotrip heimzahlte. Man soll die Götter nicht herausfordern und darf mit den heiligen Dingen nicht herumspielen – das hatten mir befreundete Cheyenne-Medizinmänner immer wieder gesagt.
Bald darauf formte sich, von der Bissstelle ausgehend, der rote, wandernde Ring, das sogenannte Erythema migrans. Auch sonst fühlte ich mich nicht wohl, war schlapp und reizbar, hatte Kopfschmerzen, schlief schlecht, sah nicht mehr scharf, und der Lymphknoten in der Leiste schwoll etwas an. Ein befreundeter Arzt, der sich sonst sehr für die Phytotherapie einsetzt, diagnostizierte Borreliose und redete mir eindringlich ins Gewissen: »Bei der Borreliose hört es mit den Kräutern auf, hier helfen nur Antibiotika, und zwar massive!« In drastischen Bildern malte er den Verlauf der durch Zeckenbiss übertragenen Ansteckung mit dem Bakterium Borrelia burgdorferi aus: Wenn man nicht sofort mit Antibiotika anrückt, würde es im zweiten Stadium der Infektion zu Lähmungen, Arthritis, wandernder Gelenkentzündung, Herzschäden und schließlich auch zu neurologischen Ausfällen oder Gehirnhautentzündung führen. Im dritten Stadium landet man im Rollstuhl, weil die Gelenke versagen, und zuletzt kann es zu Störungen der Bewegungskoordination (Ataxie), Hirnnervenausfall und sogar zu schweren Psychosen kommen. Das Bakterium sei eine der Syphilis verwandte Spirochäte. Und wie diese schreckliche Geschlechtskrankheit ist die Infektion rezidiv, das heißt, die Krankheit verläuft in Schüben, die Symptome setzen zeitweilig aus, sodass der Patient glaubt, er sei auf dem Weg der Heilung, und kehren dann umso heftiger zurück.
Was für eine Diagnose! Sonst kuriere ich meine Leiden vor allem mit Kräutertees, Kräuterpackungen, Wärmeflaschen, heißen Steinen, die ich auflege, und viel Schlaf. Was aber sollte ich in diesem Fall tun? Ich hatte schließlich eine Familie zu versorgen. Vor Jahren kam es bei mir infolge einer Behandlung mit Antibiotika zu einer Superinfektion, an der ich jahrelang schwer zu leiden hatte. Auch sonst war ich mir bewusst, dass Antibiotika nur mit größter Vorsicht zu genießen sind, da sie einen massiven Eingriff in das körpereigene Immunsystem darstellen: Sie zerstören die symbiotische Darmflora, die ein wesentlicher Bestandteil der körpereigenen Abwehr ist; sie erzeugen ein pilzfreundliches Klima im Körper und begünstigen so Candida albicans und andere Pilzinfektionen; sie können allergische Reaktionen bis hin zum seltenen lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock auslösen. Das natürliche innere »Ökosystem«, das den Organismus normalerweise gegen Infektionen schützt, wird dabei gestört.
Ich war innerlich hin- und hergerissen und machte mir Vorwürfe. War ich etwa paranoid, dass ich die Antibiotikakur nicht machen wollte? War es wirklich so, dass in diesem Fall kein Kraut der Krankheit gewachsen war? Ich hatte das Gefühl, dass die Zeit drängte. Jeden Tag – so stellte ich mir vor – breiteten sich die Spirochäten weiter aus und würden Gelenke, Gehirn und andere vitale Organe befallen. Ich las alles, was ich zum Thema finden konnte. Dabei stieß ich im ärztlichen Handbuch für Diagnose und Therapie »Consilium Cedip Practicum« (1995) auf eine Statistik, die besagte, dass 23,8 Prozent der getesteten Waldarbeiter in Deutschland Antikörper gegen die Borreliose aufweisen, ohne überhaupt zu wissen, dass sie jemals infiziert wurden. Eine Studie der American Medical Association (AMA, 1995) stellte fest, dass nur die Hälfte der Patienten mit der Diagnose Borreliose tatsächlich unter Krankheitserscheinungen litt. Das ließ mich Hoffnung schöpfen. Wenn das Immunsystem tatsächlich die Fähigkeit hat, Antikörper gegen diese Spirochäten zu produzieren, dann wäre doch das Naheliegende, das Immunsystem mit allen Mitteln zu unterstützen. Da Antibiotika immunsuppressiv wirken können, also die körpereigene Abwehr dämpfen, schienen sie – so meine Schlussfolgerung – nicht unbedingt das geeignete therapeutische Mittel zu sein.
Das Ende des Antibiotikazeitalters
Antibiotika, wie auch Kortison und Steroide, sind – dessen bin ich mir voll bewusst – heilige Kühe der modernen Medizin. Daran darf nicht gerüttelt werden. Auch Kritiker leiten ihre Überlegungen immer mit dem Eingeständnis ein, dass diese schärfsten Waffen der anerkannten Medizin Millionen von Leben gerettet hätten und dass sie im Notfall unverzichtbar sind. Das mag schon sein. Wurde nicht auch das Leben meines Vaters, der während der Kriegsgefangenschaft in Ägypten fast an der Ruhr gestorben wäre, durch Penicillin gerettet?
Inzwischen aber ist die Frage berechtigt, ob nicht die Kosten des Antibiotikaeinsatzes höher sind als ihr Nutzen. Dabei fing alles so hoffnungsvoll an. 1928 bemerkte der Bakteriologe Alexander Fleming, dass eine Schimmelpilzspore der Gattung Penicillium, die zufällig in eine Petrischale mit einer Staphylokokkenkultur gefallen war, das Wachstum dieser Bakterien hemmte. Das war die zündende Idee: Mit Pilzgiften kann man krankheitsverursachende Bakterien abtöten! Kurz darauf, 1935, entdeckte der Pathologe Gerhard Domagk die antibakterielle Wirkung von Sulfonamiden, die gegen grampositive und gramnegative Bakterien sowie gegen Chlamydien und Protozoen wirksam waren.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erlangten die Antibiotika ihre volle Bedeutung. Die Seuchen, die seit je den Soldaten zusetzten – Wundinfektionen, Geschlechtskrankheiten –, schienen für immer aus der Welt geschafft. Eine euphorische Stimmung machte sich breit. Man hatte die Nazis besiegt, und nun würde man auch die Bakterien endgültig besiegen. Wissenschaftliche Koryphäen kündeten gar das Ende aller Krankheiten für die Menschheit an. Der amerikanische Generalstabsarzt William Steward verkündete Ende der sechziger Jahre vor dem US-Kongress: »Das Kapitel der Infektionskrankheiten ist ein für allemal abgeschlossen. Pocken und Polio sind eliminiert; Malaria und Tuberkulose sind auf dem Weg dahin« (Buhner 2002: 117). Ich kann mich gut erinnern, wie der Lehrer in der Primarschule in Ohio uns Kindern erzählte, dass es bei der Jahrtausendwende im Jahr 2000 dank des Penicillins keine Krankheiten mehr und dank der Kernkraft keinen Energiemangel mehr geben würde.
Niemand stellte das Dogma in Frage, dass Bakterien die Verursacher von Krankheiten und Seuchen sind.