Demokratietheorien. Rieke Trimcev

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Demokratietheorien - Rieke Trimcev

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einzelnen Regierungsformen und plädieren schließlich für ein Philosophenkönigtum (Platon) bzw. für eine Mischverfassung (Aristoteles), da alle reinen Formen die Gefahr der Entartung in sich bergen.

      Auch in der heutigen Demokratiediskussion finden sich die von Herodot kontrastierten Topoi in nur wenig verwandelter Gestalt. Zwar wird in den modernen Gesellschaften des Westens kaum mehr ernsthaft die Rückkehr zur Monarchie gefordert – allenfalls der Ruf nach einem „starken Mann“ und einer Diktatur ertönt –, doch handelt es sich bei den dort etablierten repräsentativen Demokratien um „Mischverfassungen“, wie sie bereits Aristoteles für die antike Polis vorgeschlagen hatte. Umstritten bleibt allerdings, wie die moderne Demokratie zu verstehen und zu praktizieren ist. Können sich die Verfechter einer weitergehenden Demokratisierung von Gesellschaft und Staat zur Untermauerung ihrer Ambitionen auf die Erfolge der antiken Demokratie berufen, so können ihre Gegner mit gleichem Recht auf ihren Missbrauch unter den Nachfolgern und Epigonen des Perikles und auf die schon von Herodot benannte „Schlechtigkeit“, „Dummheit“ und „Unberechenbarkeit“ des Volkes verweisen, die der Einführung plebiszitärer Formen der Demokratie im Wege stehen.

      → Dieser Beitrag ist digital auffindbar unter: DOI https://doi.org/10.46499/1651.2034

       Ausgewählt und interpretiert von Klaus Roth

      Rede des Perikles (ca. 420-404 v. Chr.)

      Die Verfassung, nach der wir leben, vergleicht sich mit keiner der fremden; viel eher sind wir für sonst jemand ein Vorbild als Nachahmer anderer. Mit Namen heißt sie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf eine größere Zahl gestellt ist, Volksherrschaft. Nach dem Gesetz haben in den Streitigkeiten der Bürger alle ihr gleiches Teil, der Geltung nach aber hat im öffentlichen Wesen den Vorzug, wer sich irgendwie Ansehen erworben hat, nicht nach irgendeiner Zugehörigkeit, sondern nach seinem Verdienst; und ebenso wird keiner aus Armut, wenn er für die Stadt etwas leisten könnte, durch die Unscheinbarkeit seines Namens verhindert. Sondern frei leben wir miteinander im Staat und im gegenseitigen Verdächtigen des alltäglichen Treibens, ohne dem lieben Nachbar zu grollen, wenn er einmal seiner Laune lebt, und ohne jenes Ärgernis zu nehmen, das zwar keine Strafe, aber doch kränkend anzusehen ist. Bei soviel Nachsicht im Umgang von Mensch zu Mensch erlauben wir uns doch im Staat, schon aus Furcht, keine Rechtsverletzung, im Gehorsam gegen die jährlichen Beamten und gegen die Gesetze, vornehmlich die, welche zu Nutz und Frommen der Verfolgten bestehen, und gegen die ungeschriebnen, die nach allgemeinem Urteil Schande bringen. […] Wir lieben das Schöne und bleiben schlicht, wir lieben den Geist und werden nicht schlaff. Reichtum dient bei uns der wirksamen Tat, nicht dem prahlenden Wort, und Armut ist einzugestehen keinem schimpflich, ihr nicht tätig zu entgehen schimpflicher. Wir vereinigen in uns die Sorge um unser Haus zugleich und unsre Stadt, und den verschiedenen Tätigkeiten zugewandt, ist doch auch in staatlichen Dingen keiner ohne Urteil. Denn einzig bei uns heißt einer, der daran gar keinen Teil nimmt, nicht ein stiller Bürger, sondern ein schlechter, und nur wir entscheiden in den Staatsgeschäften selber oder denken sie doch richtig durch. Denn wir sehen nicht im Wort eine Gefahr fürs Tun, wohl aber darin, sich nicht durch Reden zuerst zu belehren, ehe man zur nötigen Tat schreitet. Denn auch darin sind wir wohl besonders, daß wir am meisten wagen und doch auch, was wir anpacken wollen, erwägen, indes die andern Unverstand verwegen und Vernunft bedenklich macht. Die größte innere Kraft aber wird man denen mit Recht zusprechen, die die Schrecken und Freuden am klarsten erkennen und darum den Gefahren nicht ausweichen.

       Thukydides: Geschichte des Peloponnesischen Krieges. Herausgegeben von Georg Peter Landmann. München 1991. Gekürzte Auszüge, Buch II 37 und 40, S. 140-142. © Berlin: De Gruyter, 2014

      Thukydides von Athen (ca. 460 bis kurz nach 400 v. Chr.) schildert in seiner Geschichte des Peloponnesischen Krieges den Krieg, den die Athener und die Spartaner 431-404 v. Chr. gegeneinander führten. Er blickt zunächst auf die ältere griechische Geschichte zurück und beschreibt sodann minuziös die Entstehung, den Verlauf und die Folgen des mörderischen Bruderkrieges, der mit der Niederlage Athens endete. Die Gründe für den Aufstieg und den Niedergang der attischen Polis findet er im ungezügelten und rücksichtslosen Machtstreben der Athener, das er auf die menschliche Natur zurückführt, auf das angeborene Streben der Menschen nach Freiheit einerseits, nach Macht und Herrschaft andererseits. Dadurch wurde er zum Begründer der sog. „realistischen“ Politikbetrachtung. Von ihm wurde nicht nur Nietzsches Konzept des Willens zur Macht, sondern auch Thomas Hobbes inspiriert, dessen erste literarische Produktion die 1629 erschienene englische Übersetzung des Peloponnesischen Krieges war. Entsprechend gilt Thukydides heute als Ahnherr des Dezisionismus, da er das jeweils geltende Recht, den nómos, als ein normativ aus dem Nichts geborenes Resultat politischer Kämpfe und die Politik selbst nicht als Miteinander-Reden und -Handeln und als Sorge ums Gemeinwohl, sondern als Machtkampf begriff. Zugleich leistete er einen wichtigen Beitrag zur Selbstreflexion der attischen Demokratie und beschrieb deren Stärken und Schwächen. Waren die Perserkriege (490-479 v. Chr.) zum Fanal des Aufstiegs der demokratischen Polis in Attika geworden, so wurde der Peloponnesische Krieg zum Fanal des Niedergangs und der Zerrüttung. Die Volksherrschaft erschöpfte darin ihre Energien. Sie hatte überwältigende Erfolge erzielt und bahnbrechende Leistungen erbracht, die ihr aber schließlich zum Verhängnis wurden. Wie Thukydides betont, entwickelte gerade das demokratische Athen einen ausgeprägten Machtinstinkt und stieg durch seine Rücksichtslosigkeit gegen die verbündeten Poleis seit dem Ersten Attischen Seebund (478/77 v. Chr.) zur vorherrschenden Macht in der Ägäis auf (bes. I, 88, 118). Dieser Machtwille war es, der die Athener in den mörderischen Krieg mit Sparta trieb und so ihren Untergang einleitete. In den endlosen Schlachten und den mit ihnen verbundenen inneren Konflikten wurden die Kräfte der Bürgerschaft zerschlissen.

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