Einführung in die Publizistikwissenschaft. Группа авторов
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Erklärungen für Gemeinsamkeiten und Unterschiede im westlichen Journalismus können auf verschiedenen Analyseebenen verortet werden
Eine Fülle von Einzelfaktoren, die sich auf verschiedenen Analyseebenen anordnen lassen, können für die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Journalismussystemen oder -kulturen verantwortlich gemacht werden (vgl. den Beitrag Journalismusforschung, i. d. B.). Beginnen wir mit den Gemeinsamkeiten: Journalisten westlicher Industrieländer zeigen eine hohe Angleichung hinsichtlich Durchschnittsalter, Schichtenrekrutierung, Frauenanteil, Bildungsgrad, Anstellungsverhältnis, Mediensektorzugehörigkeit und Arbeitszufriedenheit, was |40◄ ►41| auf die Anwendung ähnlicher Kriterien bei der Personalrekrutierung, -positionierung und -ausbildung in westlichen Medienorganisationen zurückgeführt werden kann. Unterschiede haben internationale Journalistenbefragungen v. a. hinsichtlich der beruflichen Einstellung und Aufgabenselbstverständnisse aufgedeckt. Hier zeigen sich in den Journalistenpopulationen westlich-pluralistischer Industrienationen erstens Unterschiede hinsichtlich Investigativgeist und Selbstverständnis der Presse als demokratiekontrollierende Vierte Gewalt (was u. a. auf Divergenzen der politischen Kultur und anderer gesamtgesellschaftlicher Kontextfaktoren zurückgeführt werden kann); zweitens hinsichtlich Recherchebereitschaft und -verhalten (was u. a. auf Divergenzen bei der Herausbildung des Reporter-Berufsbildes und anderer medienorganisationaler Kontextfaktoren zurückgeführt werden kann); drittens hinsichtlich der Trennungsnorm von Nachricht und Meinung (was u. a. ebenfalls auf medienorganisationale Prinzipien–Grad der Arbeitsteilung und redaktionellen Kontrolle–zurückgeführt werden kann); sowie viertens hinsichtlich Berichterstattungsabsichten und Informationsbeschaffungsmethoden (deren Unterschiede sich auf der Ebene des gesamtgesellschaftlichen Kontextes mit allgemeinen Normen und dem Rechtssystem, auf der Ebene der Medienorganisationen mit der Organisation redaktioneller Tätigkeiten erklären lässt). Es wird deutlich, dass die komparative Journalismusforschung zur Erklärung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten auf ein mehrschichtiges Modell von Einflussfaktoren zurückgreift, an deren Konzeption Reese (2001), Esser (2004), Donsbach (2008) und Hanitzsch (2009b) mitgewirkt haben.
Es gibt Angleichungen im westlichen Journalismus, aber keine Einebnung nationaler Distinktionen
Insgesamt kommt die Forschung zum Ergebnis, dass es unterschiedliche professionelle Kulturen gibt, die sich durch Prozesse der Europäisierung, Amerikanisierung oder Globalisierung bislang nicht eingeebnet haben. Unterschiede können vor allem durch Einflussfaktoren der nationalgesellschaftlichen Mediensystemebene (mit ihren divergierenden kulturellen, politischen, rechtlichen Bedingungen) erklärt werden; Gemeinsamkeiten durch die darüber liegende, supranationale Ebene (mit ihrer grenzüberschreitenden Diffusion von Ausbildungsstandards, Nachrichtenwerten, Informationsströmen) sowie die darunterliegende Medienorganisations- und Mediensektorebene (mit ihren konvergierenden technologischen und ökonomischen Bedingungen). Hebt man die Beschränkung auf die westliche Hemi-sphäre
Herausforderung: global gültige Erklärungen und Modelle
auf und blickt auf den Journalismus verschiedener Kontinente, zeigen sich weltweit fundamentale Unterschiede, an deren Erklärung die Forschung noch arbeitet (vgl. Weaver 1998; Hanitzsch/Seethaler 2009).
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9.2 Mediensysteme im Vergleich
Einen anderen Blick auf Journalismussysteme bietet Mancini (2005). Er ist weniger an aktuellen Befunden interessiert, sondern macht
Erklärungen für Mediensystemunterschiede setzen historischinstitutionell an
historische Ursprünge für die Ausprägung von Mediensystemen verantwortlich. Ihm zufolge haben sich europäische Medien in grösserer Nähe zur Politik entwickelt–und sich häufig auch stärker mit politischen Interessen identifiziert. Dies habe eine grössere Parteilichkeit der Berichterstattung begünstigt. Dagegen hätten amerikanische Medien seit ihren Anfängen weniger starke Verbindungen zur Politik unterhalten und sich eher kommerziell auf ein Massenpublikum ausgerichtet. In den früh entwickelten angloamerikanischen Massenzeitungen sei Politik–wenn sie überhaupt vorkam–eher neutral dargestellt worden, um potenzielle Leser nicht vor den Kopf zu stossen. Neben Politiknähe und Parteilichkeit zeichneten sich die Ursprünge des europäischen Journalismus ausserdem durch eine Nähe zur Literatur aus, was einen anspruchsvolleren Schreibstil mit einem Hang zu Interpretation, Analyse, Belehrung, Aufklärung und Kommentierung begünstigt habe–Publizisten hätten sich als Teil der intellektuellen Elite gesehen. Dagegen habe das angelsächsische Journalismusideal andere Wurzeln: unelitärer, vermittelnder, faktenzentrierter, newsorientierter. Für den eher politiknahen, parteilichen, interpretierenden Journalismus in Europa gebe es schliesslich noch einen letzten Grund, nämlich die grössere Involviertheit des Staates. Der sich in die Presse- und Rundfunkordnung einmischende Staat, der entweder wohlfahrtsstaatlich reguliert oder die Medien für eigene Zwecke instrumentalisiert, hat in Europa lange Tradition. Dies sei in den USA ganz anders verlaufen, wo der Markt anstatt des Staates herrsche. Daher hätten sich dort ein staatlich geschützter öffentlicher Rundfunk, staatliche Pressesubventionen oder eine ausdifferenzierte Mediengesetzgebung nicht recht entwickeln können. Mancini anerkennt, dass es sowohl im Kreise der angelsächsischen wie der kontinentaleuropäischen Systeme gravierende Unterschiede zwischen den Einzelländern|42◄ ►43| gibt. Daher ist von der Existenz mehrerer Mediensystemtypen im Westen auszugehen.
Forschungsinteresse: Zentrale Vergleichsdimensionen bestimmen, die die Unterscheidung verschiedener Mediensystemmodelle erlauben
Eine solche theoriegeleitete Unterscheidung westlicher Mediensysteme entwickelte Mancini mit seinem amerikanischen Kollegen Hallin (Hallin/Mancini 2004). Ihre Typologie unterscheidet Mediensysteme nach vier Einflussfaktoren: (1) Kommerzialisierung: Gab es eine starke Entwicklung zur massenorientierten, auflagenstarken Presse, oder blieb die Presse eher elitenorientiert und damit auflagenschwächer? (2) Politisierung: Gibt eine starke Parallelität zwischen dem ideologischen Spektrum der Zeitungen und dem der politischen Parteien, oder gibt es diese kaum? (3) Professionalisierung: Ist der Berufsstand der Journalisten autonom, unabhängig und verfügt über eigene, von der Politik klar abgrenzbare Standards, oder ist er nur schwach institutionalisiert und von Politikern leicht instrumentalisierbar? (4) Staatsinterventionismus: Ist es eher der Staat oder der Markt, welcher als Ermöglicher und Regler der Medienordnung auftritt? Mittels dieser vier Erklärfaktoren
Hallin und Mancini identifizierten drei westliche Mediensystemtypen, die durch eine Reihe von „medienbezogenen” Erklärungsfaktoren bestimmt werden (Abbildung 3), sowie …
unterscheiden die Autoren drei Mediensysteme im westlichen Raum: das polarisiert-pluralistische, demokratisch-korporatistische sowie das liberale Modell (vgl. Abbildung 3; siehe auch den Beitrag Mediensysteme–Medienorganisationen, i. d. B.).
Die drei Modelle–und ihre Bezeichnungen–basieren auf einer Reihe von Variablen des politischen Systems, welche auf die Ausformung des Mediensystems Einfluss nehmen. Aufgrund der engen Verschränkung von Politik- und Mediensystem in sämtlichen Gesellschaften nennen Hallin/Mancini (2004) ihre Typen auch „models of media and politics“. Neben den in Abbildung 3 genannten medialen Erklärfaktoren unterscheiden Hallin/Mancini (2004) weiterhin fünf politische Erklärfaktoren, die gleichermassen bedeutend zur Bestimmung der verschiedenen „models of media and politics“ sind, hier aber nur kurz genannt werden können: (1) frühe oder späte Demokratisierung,
… durch eine Reihe von „politikbezogenen“ Erklärungsfaktoren (nicht enthalten in Abbildung 3)
(2)