Einführung in die Publizistikwissenschaft. Группа авторов

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Von Nichtkomparatisten wird sie jedoch oft kritisiert, weil sie Länderspezifika, die ausserhalb der gewählten Vergleichskriterien liegen, ausblendet. In der vergleichenden Kommunikationswissenschaft wurden z. B. Typologien entwickelt für nationale Medienstrukturen (vgl. Kriesi 2003; Pfetsch/ Maurer 2008), Einstellungsmuster von Kommunikatoren (vgl. Donsbach /Patterson 2003; Pfetsch 2003a), Medienpublika (vgl. Norris 2000; Tenscher 2008) und Berichterstattungsmuster (vgl. Esser 2008; Plasser/ Lengauer/Pallaver 2009; Wessler et al. 2009).

      4. Ziel: Erklärung

      Das vierte Ziel liegt in der Erklärung. Die grundlegende Annahme der erklärungsorientierten Komparatistik lautet, dass spezifische Konstellationen des medialen und politischen Kontextes in charakteristischer Weise interagieren mit den Einstellungen der Kommunikatoren, ihrem Handeln und den so beeinflussten Ergebnissen der Kommunikation. Unterschiedliche Kontexte korrespondieren also systematisch mit den Kommunikationsvariablen. Nach dieser Erklärlogik haben

      Beispiele für erklärende Vergleichsstudien

      Zhu et al. (1997) den Einfluss politischer, kultureller, organisatorischer und individueller Faktoren auf das berufliche Selbstverständnis von Journalisten in drei Ländern untersucht. Wu (2000) untersuchte für 38 Länder den Einfluss systemischer Faktoren auf die Beachtung dieser Länder in der internationalen Auslandsberichterstattung. In ähnlicher Weise untersuchten Brüggemann/Kleinen von Königslöw (2009) in fünf europäischen Ländern, inwieweit systemische und organisationale Faktoren einen Einfluss auf die Intensität der Europaberichterstattung|30◄ ►31| in Zeitungen haben. Dagegen untersuchten Vliegenhart/ Schuck/Boomgarden/de Vreese (2008) den Einfluss des Tenors der EU-Berichterstattung auf die EU-Unterstützung in der Bevölkerung von sieben Ländern. Während Curran/Iyengar/Lund/Moring (2009) den Einfluss der Qualität der Informationsversorgung in einem Mediensystem auf das politische Wissen der Bürger in fünf Ländern analysierten, studierten Norris/Holtz-Bacha (2001), inwieweit personenbezogene Mediennutzungsfaktoren das politische Wissen der Bürger in 15 EU-Ländern beeinflussen. Alle diese Vergleichsstudien wählten Regressionsanalysen für ihre Kausalnachweise (weitere Beispiele für regressionsanalytische Vergleichsstudien sind Peter 2003, Pfetsch/ Adam/Eschner 2008 oder Iyengar/Hahn/Bonfadelli/Marr 2009). Im Bereich der quantitativ-statistischen Komparatistik bewegt sich die Forschung von Regressions- zu anspruchsvolleren Mehrebenenanalysen (Hanitzsch 2010). Im Bereich der qualitativen Vergleichsforschung sind QCA-Analysen eine interessante Neuerung (Schneider/ Wagemann 2007; Nguyen Vu 2010).

      7 Erklärende Komparatistik: Ihre theoretischen Grundlagen

      Bislang ist die Logik von Kausalität und Erklärung mehrfach im Sinne einer einseitigen „Verursachung“ bzw. „Einflussnahme“ beschrieben worden. Oft hatten die genannten Studien dafür auch die entsprechenden theoretischen Annahmen. Andere kommunikationswissenschaftliche

      Komparatistik will den Zusammenhang zwischen Kontext und Untersuchungsgegenstand erklären

      Theorien machen aber keine Aussagen über einen gerichteten Zusammenhang zwischen Strukturkontext und Untersuchungsgegenstand. In diesen Fällen sollte man angemessener von charakteristischen „Wechselbeziehungen“, „Interaktionen“, „Korrelationen“, oder „Korrespondenzen“ sprechen. Dieser Warnhinweis zur Kausalitätsrichtung ist wichtig und sollte immer beachtet werden.

      Dazu stellt sie Hypothesen auf–aber wie geht das?

      Grundsätzlich führt das aber zu der Frage, woher wir unsere Hypothesen über den Zusammenhang zwischen Strukturkontext und Untersuchungsgegenstand überhaupt nehmen. Dazu ist zu sagen, dass man nur solche Hypothesen aufstellt, für die spezifische Gründe (Ergebnisse aus Vorgängerstudien oder eigenen Beobachtungen) oder aber theoretische Annahmen (Theorien) sprechen. Hypothesen sind immer |31◄ ►32| Bestandteile eines theoretischen Zusammenhangs, und jede erdenkliche komparative Hypothese lässt sich in der Regel einem übergeordneten Theorieparadigma zuordnen. Deshalb sollte die Einordnung in einen theoretischen Rahmen auch immer versucht werden. Für

      Es gibt drei Theorie-Paradigmen, aus denen sich komparative Hypothesen gut ableiten lassen

      die Komparatistik sind dazu die drei grundlegenden Paradigmen der Sozialwissenschaft relevant: Handlungstheorien, Kulturtheorien und Strukturtheorien (vgl. Lichbach 1997). Für jede dieser Perspektiven geben wir im folgenden Beispiele aus der komparativen Kommunikationswissenschaft, die auch als Ansatzpunkte für die eigene Hypothesenentwicklung dienen können.

      7.1 Handlungsorientiertes Paradigma

      Handlungsparadigma: Das Verhalten von Akteuren wird erklärt

      Hier liegt der Fokus auf Akteuren. Komparative Analysen, die das Verhalten von individuellen oder korporativen Akteuren in verschiedenen Kontexten erklären wollen (z. B. die Nachrichtenauswahl von Journalisten bzw. Medienorganisationen in zwei Ländern), können eine handlungsorientierte Nachrichtentheorie zur Grundlage nehmen. Wie leitet man aus einer handlungsorientierten Nachrichtentheorie (z. B. Gatekeeping, News Bias, Instrumentelle Aktualisierung, Medienframing) komparative Hypothesen ab? Hierbei werden internationale Gemeinsamkeiten oder Unterschiede in der Nachrichtengebung zurückgeführt auf die (gleichwertigen oder abweichenden) organisationalen oder institutionellen Rahmenbedingungen, welche die Handlungsräume, Strategien, Interessen und Spielregeln der einzelnen Journalisten bzw. Medienorganisationen bestimmen. Ein Hypothesenbeispiel lautet: Je stärker in einem Medienbetrieb Konzerninteressen Einfluss auf Nachrichtenentscheidungen nehmen, desto weniger werden Journalisten Beiträge veröffentlichen, die auf kostspieligen Recherchen beruhen oder dem Ansehen oder der politischen Grundhaltung des Medienbetriebes entgegenstehen. Ein anderes Hypothesenbeispiel zum Zusammenhang von Handlungszielen und Rahmenbedingungen lautet: Je stärker Journalisten sich zu einem aktiven Rollenselbstverständnis (als Interpretierer, Kritiker oder Gegner) bekennen, desto stärker werden sie Handlungsräume und -strategien zu etablieren versuchen, die ihnen eine durch Einflussnahme gekennzeichnete Politikberichterstattung erlaubt. Innerhalb der handlungsorientierten Nachrichtentheorien verweist das erste Beispiel auf den Einfluss des Managementstils, das |32◄ ►33| zweite auf den Einfluss professioneller Rollenvorstellungen auf Gatekeepingprozesse (vgl. Shoemaker/Vos 2009).

      7.2 Kulturalistisches Paradigma

      Hier liegt das Interesse auf der Verdichtung von Einzelaspekten als Ausdruck von Kultur. Komparative Analysen, die nicht einzelne Akteure,

      Kulturalistisches Paradigma: Manifestationen von Medienkultur werden erklärt

      sondern gesellschaftliche Gruppen, Diskurse oder Symbolkomplexe vergleichen, können Theorien zur Grundlage nehmen, die dem kulturorientierten Paradigma entstammen. Unabhängig von der Theorie, die man wählt, lautet wieder die Frage, wie man aus ihnen komparative Hypothesen ableitet. Solche Hypothesen führen internationale Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Journalismuskulturen, Nachrichtenkulturen oder Medienkulturen auf verschieden herausgebildete Identitäten, Internalisierungen, Werthaltungen oder Weltbilder zurück. Diese Kulturen sind das Ergebnis historisch-kollektiver Sozialisationsprozesse und können sich in kleinen Milieus, Organisationen, Nationen oder transnationalen Räumen herausbilden. Sie strukturieren einerseits als Orientierungs- und Wahrnehmungsschemata die Weltwahrnehmung der Beteiligten, andererseits strukturieren sie die Produktion, Rezeption, Evaluation und gegebenenfalls Regulation von Medienkulturprodukten. Ergebnisse von Kultur lassen sich in den Vor-und Einstellungen der Kommunikatoren, ihren unmittelbaren Praktiken sowie den daraus resultierenden schriftlichen und mündlichen Kommunikationsprodukten analysieren (vgl. Hepp 2006; Hanitzsch 2007; Brüggemann 2010). Es gibt eine geisteswissenschaftliche und eine sozialwissenschaftliche Kulturforschung. Letztere interessiert hier besonders. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive fordern beispielsweise Semetko und Mandelli (1997) mehr ländervergleichende Untersuchungen zur Hypothese, inwiefern Medien die politische Kultur beeinflussen, indem eine skandalorientierte Politikberichterstattung

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