Einführung in die Publizistikwissenschaft. Группа авторов
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7.3 Strukturalistisches Paradigma
Strukturalistisches Paradigma: Die Prägekraft institutioneller Arrangements wird erklärt
Hierbei stehen Systemaspekte als Erklärungsfaktoren im Vordergrund. Komparative Analysen, die Aspekte der Massenkommunikation durch makro-analytische Charakteristika der Medienstrukturen oder Medieninstitutionen erklären, basieren oft auf Theorien der strukturorientierten Forschungstradition. Hierbei werden oft medienökonomische, medienrechtliche, medienpolitische oder medienhistorische Konfigurationen (oder sonstige strukturelle Aspekte des Medien- und Politiksystems) zur Erklärung für unterschiedliche Ausprägungen der politischen oder journalistischen Kommunikation herangezogen. Das Bindeglied zwischen Struktur und Handlung bilden Institutionen, definiert als Regeln und formale Organisationen. Institutionen prägen Rollen, die wiederum das Verhalten einzelner Akteure prägen. Durch den meist direkten Bezug zu nationalen Mediensystemen als Analyseeinheit wird hier besonders deutlich, dass Einflüsse unterschiedlicher Regulierungsordnungen, nstitutionalisierungsformen und anderer verfestigter Makroarrangements auf konkrete Kommunikationsverhältnisse nur durch Ländervergleiche analysiert werden können. Die Mediensystemtypologie von Hallin/Mancini (2004) steht mit ihrem historisch-institutionalistischen Ansatz beispielsweise in dieser Tradition. Weitere Beispiele: Aus ihrem 10-Länder-Vergleich leiten Gunther/ Mughan (2000) die Hypothese ab, dass die effektivsten Barrieren gegen eine Verwässerung der Informationsqualität in heutigen Mediensystemen zwei Strukturelemente sind–ein stark verankerter öffentlicher Rundfunk sowie eine effektiv ausgestaltete Medienregulierung, welche die Einhaltung gemeinwohlorientierter Standards beaufsichtigt. Die 6-Länder-Studie von Aalberg/van Aelst/Curran (2010) bestätigt übrigens genau das. Ein anderes Beispiel ist die Wahlkampfstudie von Swanson und Mancini (1996). Eine ihrer ländervergleichend untersuchten Strukturhypothesen lautet, dass Vielparteiensysteme, in denen programmatisch unterschiedliche Gruppierungen gegeneinander antreten, zu einer grösseren Themen- und Perspektivenvielfalt |34◄ ►35| in der Wahlkampfberichterstattung führen als Zweiparteiensysteme, in denen mit Allerweltsparolen um dieselben unentschlossenen Wähler gekämpft wird.
Bei der theoretischen Herleitung der eigenen Vergleichsstudie spricht nichts dagegen, Theoriekonzepte zu verwenden, die Bezüge zu allen drei Paradigmen herstellen. Generell dürfte die Theoriearbeit
Integrative Studien verwenden Theorien, die Elemente verschiedener Paradigmen in sich aufnehmen
in der komparativen Kommunikationswissenschaft davon profitieren, Impulse aus allen Paradigmen aufzunehmen, integrative Analysemodelle zu entwerfen, und daraus originelle Hypothesen abzuleiten (vgl. Lichbach 2009). Dies sollte jedoch informiert und nicht willkürlich geschehen. Ebenfalls dürfte deutlich geworden sein, dass prinzipiell jeder Gegenstand verglichen werden kann. Was die vergleichende von der nicht vergleichenden Forschung unterscheidet, sind ihre konkreten Ziele, die erklärende Analyselogik und grosse Bedeutung der Fallauswahl. Die Auswahl der Länder ist das Herz der komparativen Methode, wie die folgende Diskussion der methodischen Grundlagen zeigt.
8 Erklärende Komparatistik: Ihre methodischen Grundlagen
Die vergleichende Kommunikationsforschung greift deduktiv auf eine Vielzahl theoretischer Stränge zurück und baut induktiv stark auf Ergebnissen von Vorgängerstudien auf. Um den Schritt von der Beschreibung („alte“ Komparatistik) zur Erklärung („neue“ Komparatistik) zu vollziehen, müssen in den Hypothesen die Beziehungen zwischen Kontextfaktoren und den Untersuchungsphänomen klar benannt werden. Die Hypothesen bestimmen dann die Form der
Die Art der Hypothesen bestimmt das Untersuchungsdesign und die Zahl der Untersuchungsfälle
Untersuchung (Medieninhaltsanalyse, Dokumentenanalyse, Fragebogensurvey, Intensivinterviews, Beobachtung, Experiment), Art der Datenerhebung (quantitativ oder qualitativ), die Datenerhebungszeitpunkte (Querschnitt oder Längsschnitt) sowie das Forschungsdesign, für das die Anzahl und Auswahl der Untersuchungseinheiten (Länder bzw. Mediensysteme bzw. Elemente von Mediensystemen) festgelegt werden müssen. Die meisten Studien zur komparativen Kommunikationsforschung müssen sich aus Gründen begrenzter Ressourcen oder mangelnder Daten mit kleinen oder mittleren Fallzahlen begnügen. Weil multi-nationale Large-N-Studien ausserhalb der Reichweite von |35◄ ►36| Studierenden liegen, konzentriert sich die weitere Darstellung auf
In der Kommunikationswis- senschaft überwiegen kleine bis mittelgrosse Fallzahlen
kleinste bis mittelgrosse Versuchsanordnungen. Während kleine Vergleichsstudien eher „intensive“, qualitativ-verstehende Methoden verwenden, kommen für mittelgrosse Analysen bereits „extensive“, quantitativ-variablenorientierte Methoden in Frage (vgl. Ragin 1987). In all diesen Vergleichsstudien ist es ausserordentlich wichtig, dass der Forscher eine klare theoretische Begründung für die Länderauswahl
Die Fallauswahl muss immer begründet werden!
benennt.
8.1 Ein Land: Impliziter Vergleich
Einzelfallstudien sind in der Komparatistik unter der Bedingung vertretbar, dass sie als implizierter Vergleich angelegt werden (vgl. George/ Bennett 2005; Muno 2009). Zum Beispiel kann ein Mediensystem in
Einzelfallstudien können einen Beitrag zur Komparatistik liefern–wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen
Bezug auf einen von der komparativen Literatur entwickelten Idealtypus analysiert werden–um z. B. zu untersuchen, ob Grossbritannien wirklich dem von Hallin/Mancini (2004) entwickelten „liberalen“ Mediensystemtypus zugeordnet werden kann. Hierbei wird ein Mediensystem, das als repräsentativ für den Idealtypus gelten kann, auf seine prototypischen Charakteristika oder seine gravierenden Abweichungen hin untersucht (representative case oder deviant case analysis). Bezogen auf das genannte Beispiel, stünde dann allerdings weniger das britische System in seiner Gesamtheit im Erkenntniszentrum als die Angemessenheit und Verallgemeinerbarkeit des von Hallin/Mancini entworfenen Idealtypus. Theoretisch sauber durchgeführt, könnte eine solche Einzelfallstudie im besten Fall zur Überarbeitung der komparativen Typologie führen.
Viele Handbücher bieten eine Zusammenführung von Einzelfallanalysen in Form von Länderkapiteln–so etwa im Internationalen Handbuch Medien des Hans-Bredow-Instituts (2009), im Euromedia Handbook (Kelly/Mazzoleni/McQuail 2004) oder im ICA Handbook of Election News (Strömbäck/Kaid 2008). Sofern die als Länderkapitel präsentierten Fallstudien nach systematischen Kriterien ausgewählt, nach methodisch einheitlichen Kriterien verglichen, ihre Ergebnisse in einem synthetisierenden Schlusskapitel einer echt komparativen Analyse zugeführt und in Bezug auf eine einheitliche Theorie als theorieunterstützend oder theoriewiderlegend interpretiert werden, sind die Anforderungen einer „method of structured, focused comparison“|36◄ ►37| (George/Bennett 2005) erfüllt. In den genannten Beispielen, wie auch bei vielen anderen solcher Handbücher, ist dies allerdings nicht der Fall.
8.2 Wenige Länder: Qualitativer Vergleich
Paarvergleiche sind häufig, aber nicht unproblematisch. Sie müssen den Anforderungen der „structured comparisons“ folgen
Bei nur zwei oder drei Fällen muss die gerade angesprochene „method of structured, focused comparison“ angewendet werden (George/Bennett