Einführung in die Publizistikwissenschaft. Группа авторов

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ostasiatischer Transformationsgesellschaften hat die Komparatistik ebenso beflügelt wie die negative Rolle der Medien in etablierten Demokratien, wo ihnen bisweilen eine unzuträgliche Intervention in den politischen Prozess vorgeworfen wird. Unter welchen Bedingungen die Medien |26◄ ►27| eine förderliche oder hinderliche Rolle für die gesellschaftliche Entwicklung spielen ist eine Kernfrage der komparativen Kommunikationsforschung.

      5 Etablierungsprobleme des Vergleichs

      Es gibt eine Reihe von Hemmnissen, die der Herausbildung der komparativen Kommunikationsforschung als eigenständiger wissenschaftlicher Teildisziplin der Publizistikwissenschaft bislang im Wege standen: schwacher disziplinärer Status, schwache Wissenschaftsstrukturen, schwache Datenbasis und schwach entwickeltes Theorie- und Methodeninventar.

      Komparatistik ist „nur“ eine Forschungsstrategie und ohne eindeutigen Objektbezug

      Erstens handelt es sich bei der Komparatistik „nur“ um eine spezifische Strategie zum Erkenntnisgewinn, nicht um einen inhaltlich bestimmten Bereich wie etwa die Medienökonomie, Journalismusforschung oder Politische Kommunikation. Die international vergleichende Forschungsstrategie ist vor allem durch Verfahrensfragen der Analysenlogik und Fallauswahl gekennzeichnet, nicht durch die Festlegung auf ein spezifisches Formalobjekt. Vergleichen lässt sich prinzipiell alles — egal auf welchen Gegenstand der Lasswell-Formel (Kommunikator, Aussage, Medium, Rezipient, Wirkung) oder welche Analyseebene der Mikro-Meso-Makro-Logik (Akteure, Organisationen, Systeme) es bezogen ist. Der fehlende Objektbezug erschwerte bislang die Herausbildung einer eigenen Identität.

      Kleine Fachgemeinde, labile Wissenschaftsstrukturen

      Zweitens ist der Kreis der Publizistikwissenschaftler, die sich kontinuierlich und systematisch mit dem Vergleich beschäftigen, weiterhin klein. Da es innerhalb dieser kleinen, lose verbundenen Gruppe nur wenig koordinierte Zielvorstellungen und konsentierte Qualitätskriterien für die komparative Kommunikationsforschung gibt, konnte sie sich noch nicht als vollwertige Subdisziplin institutionalisieren. Die Entwicklung einer stärkeren „Personaldecke“ sowie die Durchsetzung leistungsfähiger Strukturen, verlässlicher Gütekriterien und Methodenstandards bleiben zentrale Herausforderungen der nächsten Jahre (vgl. Saxer 2008).

      Mangel an globalen Daten

      Drittens sind die für harte Kausalnachweise notwendigen grossen Länderstichproben in der komparativen Kommunikationsforschung immer noch Zukunftsmusik. Es fehlen unserem Fach die Kapazitäten |27◄ ►28| zum Aufbau umfassender, wahrhaft globaler Datensätze. Dies ist in der Politikwissenschaft anders, weil sich dort internationale Organisationen (Freedom House, World Bank, OECD, Eurostat etc.) oder Forschergruppen (Polity IV, Polyarchy, Party Policy, World Values Survey etc.) seit Jahrzehnten am Aufbau von systematischen Datensätzen mit 170 Ländern und mehr beteiligen. Ohne eine solche unterstützende Infrastruktur stossen auf sich allein gestellte Medienforscher rasch an ihre Grenzen. Wo Grossprojekte ausnahmeweise möglich wurden, hatten sie mit gravierenden Strukturschwächen zu kämpfen — insbesondere mit Koordinations- und Integrationsproblemen sowie mit Äquivalenz-und Validitätsproblemen (vgl. dazu Stevenson 2003; Esser 2004; Wilke 2008).

      Mangel an adäquaten theoretischen Modellen und methodischen Verfahren

      Viertens sind die für harte Kausalnachweise notwendigen theoretischen Modelle und methodischen Auswertungskompetenzen noch unterentwickelt. Zur Beantwortung der Kernfrage, inwiefern verursachende Faktoren des Kommunikationskontextes einen charakteristischen Einfluss auf das Kommunikationsprodukt haben, nimmt die Komparatistik eine klare Trennung zwischen dem Untersuchungsgegenstand und seinen Rahmenbedingungen vor. Der Komparatist variiert durch den Ländervergleich die makrosozialen Rahmenbedingungen und zieht dann Schlussfolgerungen darüber, wie sich dies auf den Untersuchungsgegenstand auswirkt. Solche Schlussfolgerungen von Bedingungen der Makroebene auf die Mikroebene sind allerdings

      Mehrebenen-Problematik in der Komparatistik

      problematisch, weil sie (durch den Sprung über Analyseebenen hinweg) zu unzulässigen Kausalbehauptungen führen können. Für dieses Problem, das in der Literatur als „ökologischer Fehlschluss“ bezeichnet wird, bedarf es anspruchsvoller Lösungen: Sie betreffen Theorie und Methode. Zum einen müssen Mehrebenenheuristiken entwickelt werden, die solche schichtenübergreifenden Analysen theoretisch rechtfertigen (siehe weiter unten); zum anderen müssen Mixed Methods Designs, Triangulation und Mehrebenenanalyse zum Einsatz kommen (vgl. Jahn 2006; Hanitzsch 2010), um die hierarchischen theoretischen Annahmen auch methodisch umzusetzen. Die entsprechenden theoretischen Modelle und methodischen Verfahren sind in der komparativen Kommunikationsforschung erst in der Entwicklung. |28◄ ►29|

      6 Ziele des Vergleichs

      Warum vergleichen wir? Einleitend wurde bereits festgestellt, dass die Logik des Vergleiches ultimativ auf Erklärung abzielt. Auf dem Weg zu diesem Endpunkt werden drei weitere, vorgelagerte Zielsetzungen unterschieden (vgl. Esser 2003; Landman 2008):

      1. Ziel: Feststellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden

      Das erste Ziel liegt in der Feststellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Wir beschreiben publizistikwissenschaftlich relevante Phänomene in unterschiedlichen Medienumfeldern, um Gleichartigkeiten von identitätsstiftenden Besonderheiten grob abgrenzen zu können. Als Methode dient uns dazu die kontextuelle Beschreibung. Sie gilt als Anfangspunkt der vergleichenden Analyse, jedoch wird kein geschulter Komparatist hier stehenbleiben.

      2. Ziel: Erkennen funktionaler Äquivalente

      Das zweite Ziel besteht im Erkennen funktionaler Äquivalente. Das Grundproblem der Komparatistik liegt, so trivial es klingen mag, in der Vergleichbarkeit. Nur Äquivalentes (also Gleichwertiges), das in unterschiedlichen Kontexten die gleiche Funktion (also Rolle) erfüllt, kann sinnvoll verglichen werden. Aber was sind funktionale Äquivalente des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel und des Focus in England? Was sind funktionale Äquivalente der auflagenstärksten Schweizer Wochenblätter Coopzeitung und Migros-Magazin in Frankreich? Was ist das funktionale Äquivalent des amerikanischen Berichterstattungsstils Investigative Reporting in der Schweiz? Als Methode zur Identifizierung funktionaler Äquivalente dienen Expertenbefragung, Abgleich mit externen Daten und mehrperspektivische Recherche. Neben dem Länder- und Gegenstandswissen, welches wir aus den zuvor erwähnten Kontextbeschreibungen erhalten haben, ist hierfür zusätzlich theoretisch geschultes Konzeptwissen erforderlich, um die Gleichwertigkeit auf einer höheren Abstraktionsebene erkennen und begründen zu können.

      3. Ziel: Entwicklung von ordnenden Typologien

      Das dritte Ziel der Komparatistik besteht in der Entwicklung von Typologien, welche die Ordnung der erhobenen empirischen Phänomene erlauben. Typologien sind das Mindestergebnis einer komparativen Analyse. Hierbei werden die Befunde aus verschiedenen Ländern (z. B. zu journalistischen Einstellungen, Nachrichteninhaltsmustern oder Mediennutzungspräferenzen) nach mehreren Kriterien oder Dimensionen verglichen, sodass „Typen“ erkennbar werden. Von besonderem Interesse ist, welche Kriterien oder Dimensionen der Forscher|29◄ ►30| identifizieren kann, die zur Entstehung eines Typs beitragen, und wie gut sich die untersuchten Fälle („Realtypen“) denen im Zuge der Typologiekonstruktion entwickelten „Idealtypen“ zuordnen lassen. Erstmalig wurde dieses Vorgehen von Siebert, Peterson und Schramm in Four Theories of the Press (1956) gewählt. Auf Basis verschiedener Vergleichsdimensionen–Medienfunktion, Medienzugang, Medienkontrolle, Medienzensur und Medienbesitz–entwickelten sie vier Idealtypen von Mediensystemen: Autoritarismus-, Liberalismus-, Sozialverantwortungs- und das Kommunismus-Modell. Auch die Nachfolgestudie Comparing Media Systems von Hallin und Mancini (2004) ging so ähnlich vor (siehe Beitrag Mediensysteme–Medienorganisationen, i. d. B.). Eine Zuordnung von Realtypen zu einem Idealtypus ist immer mit Abstraktion und Detailverlust verbunden. Diese Komplexitätsreduktion

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