Handbuch Bibeldidaktik. Группа авторов
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Die vorliegenden Überlegungen zur didaktischen Relevanz legen unter einer ganz bestimmten Voraussetzung eine Fokussierung auf die beiden Themen „Verhältnis der biblischen Schöpfungserzählungen zur Welt- und Lebensentstehung“ sowie „Bewahrung der Schöpfung“ nahe. Entscheidend ist nämlich, dass gerade im Verhältnis zu naturwissenschaftlichen Theorien und ökologischen Überlegungen die genuin theologische Perspektive herausgearbeitet wird.
|120|Thematische Strukturen
Die verbreitete Redeweise vom biblischen ‚Schöpfungsbericht‘ weist auf ein grundlegendes Problem mit verschiedenen Facetten hin. So kann erstens unbedacht und ungewollt der Eindruck vermittelt werden, dass es sich in Gen 1,1–2,4aGen 1,10096>2,4a (im Folgenden: Gen 1) um einen Tatsachenbericht von der Entstehung der Welt und des Lebens handelt. Um dieses Missverständnis zu vermeiden, ist deshalb auf einen bewussten Sprachgebrauch zu achten, der Gen 1 als ‚Schöpfungserzählung‘ oder ‚Schöpfungspoesie‘ kennzeichnet: Hymnische Züge von Gen 1 werden u.a. dadurch deutlich, dass sich immer wiederkehrende Formulierungen finden (z.B. die Billigungsformel ‚und Gott sah, dass es gut war‘) sowie sogenannte Merismen, d.h. die Unterteilung einer Gesamtheit mit zwei oft entgegengesetzten Begriffen (z.B. Licht und Finsternis; Himmel und Erde; Tag und Nacht). Insbesondere kennzeichnet Gen 1 in formaler Hinsicht, dass acht Werke in sechs Tagen geschaffen werden (unterscheidbar anhand der Billigungsformel), wobei am zweiten (Himmelsfeste) und dritten Tag (Meer und Land; Pflanzen) die Lebensräume geschaffen werden, die von den am fünften (Wassertiere und Vögel) und sechsten Tag (Landtiere; Menschen) geschaffenen Lebewesen besiedelt werden.[4] Den Zusammenhängen zwischen dem zweiten und fünften sowie dritten und sechsten Tag entspricht wiederum die Korrespondenz zwischen dem ersten (Trennung von Licht und Finsternis) und vierten Schöpfungstag (Himmelskörper), wobei hier die zeitlichen Ordnungen im Vordergrund stehen: Wird mit dem ersten Werk die Tagesstruktur und damit die Abfolge der Zeit geschaffen, wird am vierten Schöpfungstag die Zeit selbst anhand der Himmelskörper strukturiert, „die ‚Zeichen sein sollen für Festzeiten, für Tage und Jahre (1,14Gen 1,14)“.[5] Dieser Textabschnitt in Gen 1,1–2,4a gehört zur sogenannten Priesterschrift, die im Kontext des babylonischen Exils entstanden ist. Kennzeichnend für die kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt ist nicht nur die Depotenzierung der Gestirne zu bloßen „Reflektoren“[6] von Licht, sondern die konsequente Unterscheidung von Schöpfer und Schöpfung und damit von Gott und Welt, welches nicht zuletzt daran deutlich wird, dass das göttliche Schaffen mit dem Wort bāra’ gekennzeichnet wird, welches niemals für das menschliche Schaffen verwendet wird.
Schon in den Anfängen historisch-kritischer Bibelforschung wurde erkannt, dass mit Gen 2,4b–3,24Gen 2,4b–3,24 eine zweite, von Gen 1 unabhängige Schöpfungserzählung vorliegt, welche herkömmlich dem sogenannten jahwistischen Geschichtswerk zugerechnet wird. Dabei wird Gen 2f. im Vergleich zu Gen 1 keineswegs mehr als erheblich älter eingestuft, vielmehr ist sogar eine nachpriesterliche Entstehung in Betracht zu ziehen. Im Unterschied zu Gen 1 erscheint die Distanz zwischen Gott und Welt dahingehend relativiert, als Gott auf anthropomorphe |121|Weise gezeichnet wird und im Garten Eden spazieren geht. Auch fehlt die Auseinandersetzung mit babylonischer Kosmologie und steht die Erschaffung des Menschen im Mittelpunkt. Das Menschenbild in Gen 2f. ist ebenso deutlich von anderen Akzentuierungen geprägt wie die in Gen 1 konstatierte Gottebenbildlichkeit: „Menschliche Erkenntnisfähigkeit beruht auf einem Raub und führt nachgerade zwingend in die für menschliche Lebenserfahrung konstitutive Distanz zu Gott“.[7] Beiden Texten ist jedoch gemeinsam, dass die Erde von Menschen nicht auszubeuten, sondern verantwortlich mit ihr umzugehen ist (Gen 1,28Gen 1,28; 2,15Gen 2,15; → Art. Adam und Eva).
Zur Schöpfungsthematik verdienen weitere biblische Texte Beachtung, die gleichermaßen unterstreichen, dass mit Schöpfung keineswegs ein Tatsachenbericht von der Welt- und Lebensentstehung vorliegt: So liegt ein wesentlicher Akzent der Schöpfungspsalmen (z.B. Ps 8;Ps 8 19Ps 19; 104Ps 104) darauf, dass die Herrlichkeit Gottes gepriesen wird, und bei Deutero- wie Tritojesaja (Jes 40–66Jes 400096>66) wird Gottes Handeln in der Geschichte als sein Schöpfungshandeln qualifiziert.[8] Schließlich ist im Ijobbuch die Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf dergestalt, dass sie „nicht durch eine totale Determination gekennzeichnet (sc. ist), vielmehr spielt sie sich in einem bestimmten Freiraum ab“.[9]
Für das NT steht die Schöpfungsthematik zwar nicht im Zentrum, dennoch wird diese geradezu selbstverständlich vorausgesetzt (vgl. z.B. Mt 6,25–34Mt 6,25–34; Röm 1,19f.). Wie der hebräische Begriff bāra’ wird auch das griechische ktizo allein für das Schöpferhandeln Gottes verwendet. Eine besondere Pointe neutestamentlicher Aussagen liegt in der Schöpfungsmittlerschaft Christi (Kol 1,15–20Kol 1,150096>20; Joh 1,1–3Joh 1,10096>3; Hebr 1,2f.), wobei dieses Bekenntnis eine „Folge der Erkenntnis des Auferstandenen“ ist.[10] Der Zusammenhang von Schöpfung und Erlösung kann u.a. mit Bezugnahmen auf Deutero- und Tritojesaja an verschiedenen Stellen hervorgehoben werden, wobei der Gedanke der neuen Schöpfung (2 Kor 5,16–212 Kor 5,160096>21; Röm 4,17f.; 8,19–23Röm 8,190096>23; Gal 6,15Gal 6,15) wie einer kosmologischen Neuschöpfung (Offb 21,1–4Offb 21,10096>4) vorfindlich ist. Hier wird besonders deutlich, dass Schöpfung keineswegs nur ein anfängliches, sondern auch ein gegenwärtiges und zukünftiges Geschehen bedeutet.
Wichtige Kontexte
Im Folgenden wird weniger die Fülle theologischer Bezüge der Schöpfungsthematik reflektiert (z.B. Christologie, Eschatologie, Soteriologie, Theodizee, Schriftlehre), vielmehr wird auf zwei wesentliche lebensweltliche Kontexte |122|eingegangen, die gegenwärtig aus didaktischen Gründen von großer Relevanz sind: Kreationismus einerseits und Szientismus andererseits.
Kreationistisches Denken hat in den letzten Jahren auch im deutschen Kontext eine nicht absehbare Aktualität erhalten.[11] Kreationisten verstehen Gen 1 als biblischen Konkurrenzbericht zu naturwissenschaftlichen Welt- und Lebensentstehungstheorien und versuchen diesen pseudonaturwissenschaftlich zu beweisen. Der (natur-)wissenschaftliche Anspruch des Kreationismus wird u.a. durch das „Institute for Creation Research“ (ICR) in der Nähe von San Diego herausgestellt. Im Grunde genommen liegt hier ein doppelter Kategorienfehler vor. Theologisch unzureichend wird Gen 1 als Tatsachenbericht von der Welt- und Lebensentstehung verstanden, naturwissenschaftlich unzureichend steht das Ergebnis aller wissenschaftlichen Untersuchungen von vornherein fest: Es kann nur wahr sein, was in Übereinstimmung mit dem biblischen ‚Schöpfungsbericht‘ als Gottes Wort steht.
Im Kontext einer von Naturwissenschaft und Technik geprägten Lebenswelt finden des Weiteren szientistisch orientierte Sachbücher wie R. Dawkins’ ‚Der Gotteswahn‘[12] eine breite Leserschaft. Der szientistische Charakter dieses Bestsellers tritt dadurch hervor, dass die Kultur evolutionstheoretisch durch natürliche Selektion der Meme erklärt wird, ohne dass eine differenzierte Auseinandersetzung mit Kulturtheorien als notwendig erachtet wird.