Grundkurs Soziologie. Hans Peter Henecka

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Grundkurs Soziologie - Hans Peter Henecka

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Möbius (1964): Die Politischen Theorien von der Antike bis zur Renaissance. 2. Aufl. Westdt. Verlag: Opladen

1.5.2Die Großväter der Soziologie: Soziologie als Fortschrittstheorie und Universalwissenschaft im 19. Jahrhundert

      Eine präzise Aussage, wer denn nun eigentlich als Begründer der Soziologie zu gelten habe, lässt sich kaum machen. Sicherlich sind die – als eigentliche founding fathers oder »Großväter« der Soziologie im Sinne einer Universalwissenschaft – immer wieder genannten Autoren des 19. Jahrhunderts wie Auguste Comte Herbert Spencer oder Karl Marx ohne die Vorarbeiten der Aufklärung sowie der verschiedenen Varianten der Vertragstheorie (Hobbes, Locke, Rousseau) oder der Vordenker eines (auch revolutionären) sozialen Wandels nicht denkbar.

1.5.2.1Auguste Comte

      Das Hauptanliegen von Auguste Comte (1798–1857), auf den, wie wir schon gesehen haben, der Begriff Soziologie ja zurückgeht (vgl. Abschnitt 1.3.2), war der wissenschaftliche Entwurf einer für seine Zeit passenden sozialen und politischen Ordnung. Aus einem sozialreformerischen Elan heraus suchte er, wie andere vor und nach ihm, nach den Gesetzmäßigkeiten der Menschheitsentwicklung, um störende Einflüsse auf den »sozialen Organismus« auszuschalten, bei unvermeidlichen Krisen »weise zu intervenieren« (»savoir pour prévoir, et prévoir pour prévenir«) und den »naturgeschichtlichen Entwicklungen« der Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. hierzu A. Comte, Rede über den Geist des Positivismus, in Jonas, I, 1981, 419 ff.). Als erklärter Gegner jeglicher Metaphysik waren für ihn Fragen nach dem Sein oder Spekulationen nach Sinn- und Zweckzusammenhängen der Geschichte müßig. Vielmehr stellte sich für ihn die Geschichte der Menschheit als eine lineare Entwicklung des Verstandes dar, die nach festen Gesetzen abläuft.

      In Weiterführung entsprechender Ansätze seiner Landsleute Turgot, Condorcet und vor allem Saint-Simon entwarf er ein geschichtsphilosophisches Schema als Grundlage seiner wissenschaftlichen Perspektive, das sogenannte Dreistadiengesetz: Nach Überwindung einer vorausgegangenen theologischen und metaphysischen Epoche folge jetzt ein »positives« Zeitalter, das von der Soziologie als der neuen Königin aller Wissenschaften bestimmt werde. Diese »positivistische« Aufklärung verband Comte mit einer Heilslehre der Vernunft, in der der Soziologie gleichfalls die entscheidende Rolle zugedacht war. Ähnlich der in den aufblühenden Naturwissenschaften angewandten und erstaunlich erfolgreichen Methoden sollten auch auf die sozialen Organisationen rationale Denkweisen und Verfahren angewandt werden, um zu ähnlich »positiven« Resultaten zu gelangen.

      Mit anderen Worten: Die »positive« Soziologie sollte – wie Comte sich ausdrückte – nur über die sorgfältige Beobachtung und Beschreibung sinnlich wahrnehmbarer Tatbestände in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, d. h. über erfahrbare, sogenannte »objektive Tatbestände«, zu »allgemeingültigen sozialen Gesetzmäßigkeiten und Ordnungen« gelangen. Von den so gewonnenen Einsichten versprach er sich – ähnlich der technischen Verwertung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse – wichtige Hinweise für eine stabilere Neugestaltung und praktisch-politische Steuerung von Gesellschaften im Sinne einer modernen Sozialtechnik, die letztlich allen ein Höchstmaß an Glück und Zufriedenheit eröffnen könne.

       Zur vertiefenden und ergänzenden Lektüre

      Raymond Aron (1979): Hauptströmungen des soziologischen Denkens. 1. Band. (Darin »Auguste Comte«, S. 71–130). Kiepenheuer & Witsch: Köln.

      Raymond Boudon & François Bourricaud (1992): Soziologische Stichworte. Ein Handbuch. (Darin »Auguste Comte«, S. 62–66). Westdt. Verlag: Opladen.

      Auguste Comte (1981): Rede über den Geist des Positivismus. In Friedrich Jonas, Geschichte der Soziologie. (Band I: Aufklärung, Liberalismus, Idealismus, Sozialismus, Übergang zur industriellen Gesellschaft, mit Quellentexten). 2. Aufl., S. 419–433. Westdt. Verlag: Opladen.

      Hermann Korte (2011): Einführung in die Geschichte der Soziologie (Darin »Der ›erste‹ Soziologe: August Comte«, S. 27–41). 9. Aufl. VS: Wiesbaden.

1.5.2.2Herbert Spencer

      Auch Herbert Spencer (1820–1903), dessen berühmte dreibändige »Principles of Sociology« zwischen 1876 und 1896 entstanden und der gegen Ende des 19. Jahrhunderts schlechthin als der englische Soziologe galt (und zugleich den größten Einfluss auf die aufsteigende amerikanische Soziologie ausüben sollte) war überzeugt, einen Weg gefunden zu haben, der es ihm ermöglichte, die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen seiner Zeit zu verstehen. Er ging davon aus, dass alle Formen des sozialen Lebens, die kleineren zwischenmenschlichen Verflechtungen wie die größeren sozialen Gruppen und Organisationen und erst recht das Ganze der Gesellschaft als soziale Organismen aufzufassen seien.

      Ebenso wie bei den individuellen Organismen von Menschen, Tieren oder Pflanzen liege auch den sozialen Organismen eine eigene Dynamik zugrunde. Hier wie dort bedeute dies »Wachstum« im Sinne der Vermehrung von Grundelementen oder Bausteinen (z. B. im gesellschaftlichen Bereich: Vermehrung der Bevölkerung), aber auch »Entwicklung« im Sinne einer natürlichen Evolution von niederen zu höheren, von einfachen zu komplexeren Gebilden (in der Gesellschaft: die vielfältigen Zusammenschlüsse kleinerer Einheiten zu größeren sozialen »Geweben« der verschiedensten Art, z. B. der Familien zur Verwandtschaft, der Verwandtschaften zu Sippen, der Sippen zu Stämmen, der Stämme zu Völkern, der Völker zu Staatengemeinschaften usw.). Schließlich: Wie es im Leben der natürlichen Organismen Steuerungsprogramme gebe, die das Zusammenwirken der einzelnen Elemente und Teile regulieren, so gebe es auch in der Gesellschaft Regulierungen, die dafür sorgten, dass der soziale Organismus überdauere und arbeitsteilige Differenzierungen auf wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Gebiet durch Prozesse der Verflechtung und Integration wieder aufgefangen würden. Spencer fasst dies in seiner universalen Weltformel zusammen: »Vom Aggregat zum System« und versteht Soziologie als Studium der Evolution.

      Daher war er davon überzeugt, dass die beobachtbaren Veränderungen im gesellschaftlichen und politischen Bereich insgesamt als Fortschritt anzusehen seien und letztlich auf eine vollkommenere und bessere Welt von freien und verantwortungsvollen Individuen hinausliefen. Zwar ließen sich diese evolutionären Vorgänge gedanklich erfassen und unterstützend steuern, doch als Anhänger des Darwinismus hielt es Spencer für eher störend bzw. für weitgehend zwecklos, in die mit jedem Fortschritt im Bereich des Lebens verbundenen Prozesse der natürlichen Auslese (Darwin: »survival of the fittest«) etwa durch sozialpolitische Aktivitäten (z. B. durch Unterstützungsprogramme für Behinderte, Kranke, Bildungsschwache, Arme, Obdachlose usw.) einzugreifen. Im Gegenteil: Je weniger politische Regulierung und Kontrolle, desto besser. Der gesellschaftliche Organismus bzw. das soziale System sei auch dank der »überragenden Weisheit der Natur« ohne Herrschaft und Zwang denkbar, ja eine liberale Anarchie als Idealzustand sogar wünschenswert.

       Zur vertiefenden und ergänzenden Lektüre

      Raymond Boudon & François Bourricaud (1992): Soziologische Stichworte. Ein Handbuch, (Darin »Herbert Spencer«, S. 532–540). Westdt. Verlag: Opladen.

      Ralf Dahrendorf & Colin Crouch (1980): Herbert Spencer. In Wilhelm Bernsdorf & Horst Knospe (Hrsg.), Internationales Soziologenlexikon. Band 1, S. 406–408. Enke: Stuttgart.

      Michael Kunczik (1999): Herbert Spencer. In Dirk Kaesler (Hrsg.), Klassiker der Soziologie. Bd. 1, S. 74–93. Beck: München.

      Herbert Spencer (1981): »Die Prinzipien der Soziologie« (The Principles of Sociology). In Friedrich Jonas, Geschichte der Soziologie. (Band I: Aufklärung, Liberalismus, Idealismus, Sozialismus, Übergang zur industriellen Gesellschaft, mit Quellentexten). 2. Aufl., S. 441–444.

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