Medienrezeptionsforschung. Helena Bilandzic

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Medienrezeptionsforschung - Helena Bilandzic

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zur Verfügung stehenden Signalen mit Bedeutungsgehalt aufgrund von deren physischen oder inhaltlichen Merkmalen bestimmte Signale bewusst oder unbewusst auswählen oder vermeiden« (Donsbach, 1991, S. 28). Diese Definition von Selektion verdeutlicht zwei wichtige Aspekte: Erstens umfasst Selektion nicht nur die Auswahl, sondern auch die Vermeidung von Informationen. Zweitens kann Selektion bewusst oder unbewusst und habitualisiert erfolgen.

      Definition: Selektion

      Selektion meint die unbewusste oder bewusste Auswahl bzw. das unbewusste oder bewusste Vermeiden von Informationen oder Medienangeboten.

      Grundsätzlich geht man in der Selektionsforschung von einem recht breiten Selektionsbegriff aus. Man unterscheidet eine prä-, peri- und postrezeptive Phase (vgl. Donsbach, 1991; Hartmann, 2006). In der prärezeptiven Phase interessiert die selektive Zuwendung bzw. die Auswahl von Medienangeboten vor dem Beginn der Rezeption. Die perirezeptive Phase beschreibt die selektive Wahrnehmung und Auswahl von Medieninhalten während der Rezeption und die postrezeptive Phase umfasst die selektive Erinnerung an Medieninhalte (vgl. Hartmann, 2006). In diesem Kapitel beschäftigen wir uns hauptsächlich mit der prärezeptiven Phase, die den Kern der Selektions-forschung ausmacht. Die perirezeptive (d. h. die Informationsverarbeitung während der Rezeption) und die postrezeptive Phase (d. h. den Abruf von Rezeptionserlebnissen) haben wir bereits in Kapitel 2 umfassend diskutiert. Die prärezeptive Phase beschäftigt sich zwar nicht mit dem Prozess der Rezeption, allerdings bildet sie die Voraussetzung für alle weiteren Selektionsprozesse.

      Thematisiert wird die prärezeptive Phase in zwei verschiedenen Forschungsbereichen, die sich in Bezug auf ihre institutionelle Verortung und die angewandten Methoden stark unterscheiden. Auf der einen Seite beschäftigt sich die von Medienanbietern und der werbetreibenden Wirtschaft betriebene Publikums- und Mediaforschung mit der Beschreibung von Mediennutzung in Bezug auf Reichweite und Nutzungsdauer (vgl. dazu Kapitel 1). Ziel dieser Beschreibung ist es, auf Basis von Nutzungsdaten Werbeleistungen berechnen zu können und Zielgruppen optimal zu definieren und anzusprechen (vgl. Frey-Vor, Siegert & Stiehler, 2008). Auf der anderen Seite geht die akademische Nutzungsforschung nicht nur der Beschreibung von Mediennutzung nach, sondern sie versucht auch, die Zuwendung zu Medienangeboten theoretisch zu erklären und vorherzusagen. Im Vordergrund stehen dabei die Bedürfnisse und Informationsverarbeitungsprozesse, die mit der Auswahl von Medien verbunden sind. In diesem Kapitel widmen wir uns ausschließlich der akademischen Nutzungsforschung.

      In der akademischen Nutzungsforschung wird Medienselektion definiert als ein »Entscheidungsprozess, der eine zumindest heuristische Durchdringung mindestens einer Medienzuwendungsoption impliziert, die gegen ein alternatives Verhalten (z. B. die Option nicht aufzurufen oder sich einer anderen Option zuzuwenden) ›geprüft‹ wird« (Hartmann, 2006, S. 20). In der Regel werden mehrere Selektionsentscheidungen unterschieden (vgl. Donsbach, 1989; Hartmann, 2006; Levy & Windahl, 1985). Die erste Entscheidung betrifft die Frage, überhaupt am Kommunikationsprozess teilzunehmen oder nicht (z. B. möchte ich Nachrichten rezipieren oder nicht). Wird diese Entscheidung bejaht, so geht es im zweiten Schritt um die Auswahl eines Mediums aus einer Reihe von unterschiedlichen Medienangeboten (z. B. TV oder Zeitung). Die dritte Entscheidung betrifft die Auswahl von einzelnen Medienangeboten innerhalb eines Mediums, also beispielsweise die Auswahl einer Sendung oder eines Artikels. Schließlich umfasst die vierte Entscheidung die Auswahl und damit Verarbeitung einzelner Informationen innerhalb eines Medienangebotes.

      Vergegenwärtigt man sich diese vier Selektionsentscheidungen, so wird nachvollziehbar, warum zentrale Ansätze der Selektionsforschung von einer gewissen Zielgerichtetheit von Selektionsentscheidungen ausgehen. Die Zielgerichtetheit von Selektion bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Selektionsentscheidungen den Rezipienten bewusst sind, das heißt, dass sie sich im Klaren darüber sind, warum sie was selektieren und rezipieren. Diese Frage wird uns bei den zwei folgenden theoretischen Erklärungsmodellen, dem Nutzen- und Belohnungsansatz sowie dem konsistenztheoretischen Ansatz, noch stärker beschäftigen.

      Merksatz

      Medienselektion umfasst vier Entscheidungen der Rezipienten: Teilnahme am Massenkommunikationsprozess, Auswahl eines Mediums, Auswahl von Medienangeboten innerhalb des Mediums und Auswahl von Informationseinheiten innerhalb eines Medienangebotes.

      Der Nutzen- und Belohnungsansatz (auch Uses-and-Gratifications-Ansatz, oder kurz UGA) geht vom Menschenbild eines aktiven Mediennutzers aus. Im Kern steht die Annahme, dass Menschen die Medienangebote auswählen, die ihre mit der Nutzung verbundenen Bedürfnisse am besten befriedigen können. Rezipienten werden nicht als reagierende, sondern als agierende bzw. zielgerichtet handelnde Nutzer verstanden, die sich selektiv den Medieninhalten zuwenden. Dabei werden fünf zentrale Annahmen getroffen (vgl. Katz, Blumler & Gurevitch, 1974; vgl. ausführlicher Schweiger, 2007; Vorderer, 1996):

       Erstens agieren Rezipienten bei der Auswahl von Medienangeboten zielgerichtet. Zielgerichtet bedeutet, dass die Mediennutzung funktional der Befriedigung von Bedürfnissen dient, wie beispielsweise dem Bedürfnis nach Information oder nach Unterhaltung. Selektionsentscheidungen geschehen daher nicht unreflektiert, sie sind vielmehr klar auf die gewünschten Gratifikationen hin ausgerichtet. Sie sind intentional.

       Zweitens, und eng damit verbunden, liegt die Initiative zur Mediennutzung auf Seiten der Rezipienten, nicht auf Seiten des Medienangebotes. Dabei steht die Frage »Was machen die Menschen mit den Medien?« im Vordergrund und nicht: »Was machen die Medien mit den Menschen?«

       Drittens stehen Medienangebote bei der Befriedigung von Bedürfnissen in Konkurrenz mit anderen Mitteln der Bedürfnisbefriedigung. Beispielsweise kann das Bedürfnis nach Information sowohl durch Zeitungsrezeption als auch durch interpersonelle Kommunikation gestillt werden.

       Viertens sind den Rezipienten ihre Nutzungsmotive grundsätzlich bewusst, so dass wir in empirischen Studien direkt danach fragen können. Anders formuliert, Menschen sind in der Lage, Auskunft über ihre Motive zur Nutzung einzelner Medienangebote zu geben. Meist werden den Befragten in der empirischen Forschung Aussagen wie »Ich nutze, um mich …« vorgelegt.

       Fünftens vollzieht der Nutzen- und Belohnungsansatz explizit keine Bewertung der Motive, die von den Befragten angegeben werden. Es werden demnach nicht Motive niedriger Natur von Motiven höherer Natur unterschieden. Das bedeutet, Forscher nehmen keine Wertung vor, ob ein Motiv gut, erstrebenswert oder ideal ist.

      Insgesamt versucht der Nutzen- und Belohnungsansatz überdauernde Motive der Mediennutzung in Bezug auf verschiedene Mediengattungen zu erarbeiten. Es geht daher nicht um die situative Variation von Motiven im Rezeptionsprozess, sondern vielmehr um zeitlich überdauernde Motivbündel, die allgemeine Erwartungen der Mediennutzer an Medieninhalte widerspiegeln. Daher wird in diesem Forschungsgebiet zumeist mit standardisierten Fragebögen gearbeitet, bei denen ausführliche Motivkataloge den Befragten vorgelegt werden. Mittlerweile findet sich in der Forschung eine ganze Reihe von Motivfragen, die sich entweder der medienübergreifenden Nutzung widmen oder einzelne Medien in den Blick nehmen bzw. die Motive zur Zuwendung verschiedener Medien miteinander vergleichen.

      Unter der Lupe: die Motiv-Skala von Gleich (1997)

      Gleich (1997) unterscheidet die Fernsehmotive »Information«, »Soziale Nützlichkeit«, »Ablenkung/Geselligkeit«, »Spannung/Unterhaltung« und »Interesse an TV-Personen«. Dem Autor geht es um den Zusammenhang zwischen den fünf genannten Fernsehmotiven und parasozialer Interaktion (vgl. Kapitel 8). Es zeigt sich, dass insbesondere die Erwartung, aus dem Fernsehen soziale Informationen zu beziehen, durch die man für das eigene Leben profitieren kann, und das Interesse an TV-Personen zur parasozialen

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