Medienrezeptionsforschung. Helena Bilandzic

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Medienrezeptionsforschung - Helena Bilandzic

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wurde beispielsweise nachgewiesen, dass Werbespots am Anfang und am Ende eines Blocks tatsächlich bessere Erinnerungschancen haben als die Spots, die in der Mitte ausgestrahlt werden (vgl. Pieters & Bijmolt, 1997; Zhao, 1997).

      Merksatz

      Menschen erinnern sich besser an Medieninformationen, wenn die gezeigten Informationen bereits stark mit anderen Konzepten im Gedächtnis verknüpft sind, wenn die Informationen am Anfang oder am Ende einer Sequenz gezeigt wurden, wenn die Informationen mit Emotionen verknüpft sind und wenn die Informationsaufnahme gründlich und motiviert erfolgt ist.

      Auch können durch Medienbeiträge induzierte Emotionen die Erinnerungsleistung fördern. Studien zeigen, dass Emotionen die Verarbeitung und Abspeicherung einer Botschaft intensivieren können (vgl. Bradley, Angelini & Lee, 2007). Dies spielt vor allem im Kontext emotionalisierter Nachrichten, Werbungen oder Kampagnen eine Rolle.

      Schließlich stellt sich die Frage, warum Menschen Informationen aus den Medien wieder vergessen und sie nicht mehr abrufen können. Obwohl es vorkommen kann, dass Informationen gewissermaßen gelöscht werden oder verfallen, ist es wahrscheinlicher, dass wir beim Vergessen nicht mehr auf eine gespeicherte Information zugreifen können, obwohl sie prinzipiell noch vorhanden ist. Vereinfacht kann man zwei Gründe ausmachen, warum Informationen aus den Medien vergessen werden. Erstens werden Informationen schwerer zugänglich, wenn sie über eine längere Zeit nicht mehr aufgerufen werden. Im assoziativen Netzwerk des Gedächtnisses wird die Suche nach diesen Informationen mit der Zeit schwieriger und daher ihre Aktivierung unwahrscheinlicher. Zweitens können zusätzlich aufgenommene Informationen den Zugriff auf die bereits gelernten Informationen behindern. Das kann passieren, wenn neue Informationen sehr ähnlich zu den bereits gespeicherten Informationen sind.

      In diesem Kapitel haben wir die wichtigsten Grundkonzepte der menschlichen Informationsverarbeitung von der Informationsaufnahme über die Speicherung bis hin zum Abruf kennengelernt. Wir haben gesehen, dass die Wahrnehmung von Medieninformation zwar schnell und automatisch abläuft, die Aufmerksamkeit für Medienreize jedoch willkürlich und bewusst gesteuert oder unwillkürlich und den Medienreizen folgend ablaufen kann. Die Ressourcen, die wir für die Informationsaufnahme, die Speicherung und den Abruf von Medieninformationen aufbringen können, sind aber nicht unendlich, sondern begrenzt. Je mehr kognitive Ressourcen auf einer Stufe verwendet werden, desto weniger ist für die anderen Stufen verfügbar. Zudem kann es auch sein, dass die vom Rezipienten zur Verfügung gestellten Ressourcen nicht ausreichen, um den Medieninhalt zu verstehen (beispielsweise wenn man wenig Ressourcen für die Radionachrichten verwendet, diese dann aber auch nicht mehr richtig versteht). Gespeichert werden Medieninformationen im Langzeitgedächtnis, dass wir uns als assoziatives Netzwerk von Gedächtnisinhalten vorstellen können. Die Gedächtnisinhalte sind untereinander durch Assoziationen verknüpft. Bestehende Gedächtnisinhalte, die als Schema vorliegen können, steuern die Aufnahme, die Interpretation und Speicherung von neuen Informationen. Was den späteren Abruf der Informationen betrifft, so werden die Informationen leichter erinnert, die stark mit anderen Konzepten im Gedächtnis verknüpft sind, die in der Rezeptionssituation am Anfang oder am Ende gezeigt wurden, die mit Emotionen verknüpft sind, und diejenigen, bei denen die Informationsaufnahme gründlich und motiviert erfolgt ist.

      In der Medienrezeptionsforschung werden die hier vermittelten Kenntnisse aber nicht losgelöst von anderen Prozessen betrachtet. Vielmehr benötigen wir zum Verständnis der Medienrezeption einen umfassenden Blick auf das Zusammenspiel verschiedener Phänomene. Beispielsweise müssen neben den kognitiven Prozessen auch emotionale Vorgänge betrachtet werden, die keineswegs losgelöst von kognitiven Prozessen ablaufen. Dies ist beispielsweise in der Unterhaltungsforschung zentral. Auch sind die hier eingeführten Grundlagen ein wichtiges Fundament für zentrale Fragestellungen der Medienrezeptionsforschung wie die unterschiedliche Verarbeitung auditiver, visueller, textueller, audiovisueller oder interaktiver Stimuli. Ebenso bauen Forschungsarbeiten zu Einstellungen, Urteilen und Heuristiken sowie zu parasozialen Interaktionen auf den hier vermittelten Kenntnissen auf. Kognitive Prozesse wie Wissenserwerb sind oftmals die Grundlage für die Ausbildung oder Änderung von Einstellungen, wie sie beispielsweise in der Werbeforschung oder politischen Kommunikationsforschung untersucht werden.

      Übungsaufgaben

      1 Erklären Sie den Unterschied zwischen willkürlicher und unwillkürlicher Aufmerksamkeit. Wählen Sie ein Beispiel aus Ihrer täglichen Medienrezeption.

      2 Stellen Sie sich vor, die Rezipienten werden stark mit Berichterstattung über das Thema Einwanderung konfrontiert. Erklären Sie an diesem Beispiel den Prozess des Primings. Was könnte Priming in diesem Kontext vorhersagen?

      3 Erklären Sie mit Hilfe der Schema-Theorie, wie Menschen reagieren, wenn ihre Erwartungen bei einem Kinofilm in Bezug auf das Genre nicht erfüllt werden. Welche Konsequenzen hat das für die Verarbeitung und Aufnahme von Informationen während des Filmes?

      4 Studien zeigen, dass in der Regel nur ein geringer Anteil der Fernsehnachrichten von den Rezipienten erinnert wird. Welche Erklärungen gibt es hierfür? Denken Sie dabei an die alltägliche Rezeptionssituation, die Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses sowie an Aufmerksamkeitsprozesse.

      Lang, A. (2000). The limited capacity model of mediated message processing. Journal of Communication, 50(1), 46–70.

      Diesen Aufsatz kann man als Grundlagentext zur kognitiven Verarbeitung von Medieninhalten begreifen. Die Erkenntnisse und Befunde aus der Kognitionspsychologie werden für die Verarbeitung von Medienreizen aufbereitet und ausführlich erklärt.

      Wirth, W. (2001). Aufmerksamkeit im Internet: Ein Konzept- und Theorieüberblick aus psychologischer Perspektive mit Implikationen für die Kommunikationswissenschaft. In K. Beck & W. Schweiger (Hrsg.), Attention Please! Online-Kommunikation und Aufmerksamkeit (S. 69–89). München: Reinhard Fischer Verlag.

      Dieser Aufsatz schlägt eine Brücke zwischen der Beschäftigung mit Aufmerksamkeit in der psychologischen Forschung und der Rolle von Aufmerksamkeit bei der Medienrezeption. Insbesondere die Implikationen der psychologischen Grundlagentheorie für die kommunikationswissenschaftliche Forschung sind sehr lesenswert.

      1 Das Kapitel beinhaltet Passagen des Kapitels »Kognition« von Jörg Matthes aus dem Buch »Handbuch Medienrezeption« (2014, hrsg. von Carsten Wünsch, Holger Schramm, Volker Gehrau und Helena Bilandzic), Nomos-Verlag. Wir danken Verlag und Autor für die Freigabe und die freundliche Kooperation.

      3 Selektivität und Gratifikationen

      Lernziele

      1 Sie erlernen die Ebenen der Selektion beim Prozess der Medienrezeption.

      2 Sie lernen die wichtigsten Motive kennen, warum Menschen sich Medien zuwenden.

      3 Sie machen sich mit den zwei zentralen Ansätzen der Medienselektionsforschung vertraut, dem Nutzen- und Belohnungsansatz sowie dem konsistenztheoretischen Ansatz.

      4 Sie erkennen die Unterschiede und Grenzen der beiden Ansätze.

      Die Erforschung der Selektion von Medienangeboten markiert einen wichtigen Teilbereich der Rezeptionsforschung. Aus Sicht einer rezeptionsorientierten Selektionsforschung steht die übergeordnete Frage im Vordergrund, was die Menschen von Medienangeboten erwarten und wie sich diese Erwartungen in Nutzungsmuster übersetzen lassen (vgl. Hasebrink, 1995). Selektion wird

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