Medienrezeptionsforschung. Helena Bilandzic

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Medienrezeptionsforschung - Helena Bilandzic

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sind eng miteinander verbunden. Wir können uns den Begriff Kognition im Allgemeinen als einen Prozess vorstellen, der mehrere Stufen zwischen einem Reiz und einer dadurch verursachten Reaktion beschreibt. Bezogen auf die Medienrezeption erklärt die kognitive Perspektive, wie Menschen beim Umgang mit Medien Informationen wahrnehmen, sie aufnehmen, verarbeiten, abspeichern und wieder abrufen können.

      Definition: kognitive Prozesse

      Unter kognitiven Prozessen bei der Medienrezeption versteht man alle informationsverarbeitenden Vorgänge, die ab der Wahrnehmung eines Reizes bis zur dadurch verursachten Reaktion ablaufen. Darunter fallen Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Denken, Problemlösen, Sprachverarbeitung und Sprachproduktion.

      Seit der sogenannten kognitiven Wende in den 1970er-Jahren wird der kognitive Apparat des Menschen in der psychologischen Grundlagenforschung vereinfacht in Analogie zu einem Computer beschrieben, der Informationen aufnehmen, verarbeiten und abspeichern kann und dessen Rechenleistung begrenzt ist (vgl. Neisser, 1974; Schank & Abelson, 1977). Ausgangspunkt fast aller psychologischen Modelle des menschlichen kognitiven Apparates ist daher die Annahme, dass die Umgebung eines Organismus als interne Repräsentation abgebildet und gespeichert werden kann. Der kognitive Apparat wird dabei als ein informationsverarbeitendes System verstanden, das durch seine Sinnesorgane Informationen aufnimmt, sie in interne Repräsentationen umwandelt, sie verarbeitet, aber auch verändern und reproduzieren kann. Die Verarbeitung der wahrgenommenen Informationen – beispielsweise einer Fernsehnachricht – erfolgt dabei immer auf Basis der bisher gespeicherten Informationen bzw. des bisher vorliegenden Wissens oder der bestehenden Prädispositionen der Rezipienten.

      Schon auf Basis dieser vereinfachten Vorstellung wird deutlich, dass interne Repräsentationen kein simples Abbild der Umgebungsinformation darstellen. Dies hat mindestens zwei Gründe:

       Erstens operiert der kognitive Apparat hoch selektiv. Dies liegt in erster Linie daran, dass unsere Ressourcen zur Informationsaufnahme und -verarbeitung limitiert sind, wie wir später noch ausführlicher sehen werden. Das bedeutet, nur ein geringer Teil der auf uns einströmenden Informationen wird tatsächlich beachtet und weiter verarbeitet.

       Zweitens hängen die Verarbeitung der einströmenden Informationen sowie die interne Repräsentation erheblich vom aktuellen Zustand des kognitiven Systems ab, also unserem Vorwissen, Einstellungen, Stimmungen, Emotionen oder unserer kognitiven Auslastung.

      Abb. 2.1 zeigt das Grundmodell des kognitiven Apparates nach Wickens et al. (2004), das sich in ähnlicher Form auch bei anderen Autoren wiederfinden lässt (vgl. Kluwe, 2001; Lang, 2000). Das Modell besteht aus mehreren grundlegenden Komponenten: (1) Dem sensorischen System, das für wenige hundert Millisekunden sensorisch verfügbare Informationen abbildet; (2) der Aktivierung dieser Informationen durch unsere Wahrnehmung; (3) dem Arbeitsgedächtnis, das die Informationen beinhaltet, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bewusst sind; (4) dem Langzeitgedächtnis als permanentem Wissensspeicher sowie (5) der Reaktionsselektion und -ausführung.

      Das Schaubild zeigt einen idealtypischen Informationsverarbeitungsablauf. In einem ersten Schritt nimmt unser sensorischer Apparat auditive, visuelle, olfaktorische oder haptische Reize auf. Dieses sensorische System verfügt zwar über eine sehr hohe Kapazität, allerdings sind diese Reize nur sehr kurz verfügbar. Durch den Prozess der selektiven Aufmerksamkeit wird ein Teil dieser sensorischen Informationen für die weitere Verarbeitung ausgewählt. Nur dieser Teil gelangt dann in den Wahrnehmungsapparat. Die wahrgenommene Information kann mit dem Wissen aus dem Langzeitgedächtnis abgeglichen werden. Damit wird den eingehenden Informationen Sinn und Bedeutung verliehen.

      Dies kann nun zu zwei unterschiedlichen Prozessen führen:

      Erstens können sowohl die eingehenden Informationen als auch Informationen aus dem Langzeitgedächtnis in das Arbeitsgedächtnis übertragen werden. Hier erfolgt nun eine Verarbeitung der Information in Form von Gedanken oder Entscheidungen. Am Ende dieses Prozesses steht die Reaktionsselektion bzw. die Reaktionsausführung. Zudem kann die Information im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Beispielsweise registrieren die Rezipienten beim Schauen eines Werbeblocks im Kino eine Vielzahl von Werbeinformationen. Ein Teil dieser Informationen gelangt in den Wahrnehmungsapparat, beispielsweise Informationen über den Geschmack eines neuen Softdrinks. Diese Information wird vor dem Hintergrund des bereits bestehenden Wissens über Softdrinks eingeordnet und im Gedächtnis abgespeichert. Für diesen Prozess können die Rezipienten je nach Situation und Schwierigkeit der Informationen geringe oder hohe Aufmerksamkeitsressourcen investieren. Schließlich gelangen die Rezipienten zu der Entscheidung, den Drink einmal zu probieren und setzen dies ggfs. später auch um.

      Zweitens kann eine direkte Reaktionsselektion und -ausführung erfolgen, ohne dass eine weitergehende Verarbeitung im Arbeitsgedächtnis erfolgt. Dies wären automatische Reaktionen und Handlungen, über die Rezipienten nicht weiter nachdenken. Beispielsweise kann bei Werbebotschaften das Markenimage verbessert werden, ohne dass die Rezipienten dies bemerken und ohne dass sie kognitive Ressourcen investieren (vgl. z. B. Schemer, Matthes, Wirth & Textor, 2008). Auch die sogenannte implizite Urteilsbildung, die wir später kennen lernen werden, beschreibt einen solchen Prozess.

      Zusammenfassend zeigt das Modell alle wichtigen Eckpunkte im Informationsverarbeitungsprozess, die wir im Folgenden etwas genauer unter die Lupe nehmen werden. Entscheidend an diesem einfachen Modell ist, dass die Prozesse nicht immer von links nach rechts ablaufen müssen. Der Prozess kann vielmehr an jedem Punkt des Modells gestartet werden.

      Warum übersehen Rezipienten in einem Medienangebot bestimmte Einzelheiten, und warum fällt es den Rezipienten schwer, ihre Aufmerksamkeit mehreren Reizquellen gleichzeitig zu widmen? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns mit zwei grundlegenden Phänomenen beschäftigen, die bei allen Rezeptionsphänomenen eine wichtige Rolle spielen: Wahrnehmung und Aufmerksamkeit.

      2.2.1 Wahrnehmung

      Wahrnehmung ist ein grundlegender und essentieller Prozess im menschlichen Organismus. Sie umfasst nicht nur haptische, visuelle, auditive, olfaktorische oder gustatorische Reize, sondern auch die Wahrnehmung des Körpers sowie die Wahrnehmung von Sprache und Zeit (vgl. für einen umfassenden Überblick Hagendorf, Krummenacher, Müller & Schubert, 2011). Nicht all dies ist für die Rezeptionsforschung von Belang. Entscheidend ist an dieser Stelle die grundlegende Feststellung, dass Wahrnehmungsprozesse gegenüber bewussten, willentlichen Eingriffen weitgehend abgeschottet sind; sie verlaufen schnell und ermöglichen damit eine optimale Anpassung an die physikalische Umwelt. Demgegenüber sind Denkprozesse verhältnismäßig langsam und auch der bewussten Kontrolle zugänglich (vgl. Lang, 2000; Wirth, 1997). Zudem haben wir bereits weiter oben festgestellt, dass die menschliche Wahrnehmung nicht als ein Abbild der Umwelt im Sinne einer physikalisch korrekten Beschreibung verstanden werden kann. Menschen stehen nur eine begrenzte Anzahl von Sinnesorganen zur Verfügung. Das bedeutet, dass nicht alle physikalischen Reize für uns wahrnehmbar sind. Neben den Begrenzungen infolge der beschränkten Leistungsfähigkeit unserer Sinnesorgane gibt es noch einen anderen Grund, warum wir nicht alle Reize wahrnehmen können: die Aufmerksamkeit, mit der wir unsere Umgebung (wie beispielsweise Medienbotschaften) betrachten.

      2.2.2 Aufmerksamkeit

      In der Regel werden zwei zentrale Funktionen von Aufmerksamkeit unterschieden (vgl. im Folgenden Wirth, 2001): Erstens die Selektion von relevanten Informationen aus einer Fülle von Reizen und zweitens der Abgleich von einströmenden Informationen mit bestehenden Wissensbeständen, damit wir aus einer Flut von Reizen Bedeutung generieren

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