Medienrezeptionsforschung. Helena Bilandzic

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Medienrezeptionsforschung - Helena Bilandzic

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Gruppe um Paul F. Lazarsfeld an einem Forschungsprogramm zum Radio in den USA, das Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Aufschwung als Unterhaltungs- und Bildungsmedium nahm (vgl. Lazarsfeld, 1940). Das Forschungsprogramm beschäftigte sich insbesondere mit dem Radiopublikum – seinen Vorlieben und Gewohnheiten, seinem Umgang mit dem Medium und den Motivationen, Radio zu nutzen, sowie den Effekten, die Radioprogramme auf das Publikum haben. Herzogs Studie war eine der ersten, die sich den Motivationen widmete, die Menschen zur Nutzung populärer Medienprodukte veranlassen (neben der Studie von Lazarsfeld und Herzog zur erfolgreichen Radio-Rateshow Professor Quiz, vgl. Lazarsfeld, 1940, S. 64 ff.). Die Studie von Herzog wird als Vorläuferin der 20 Jahre später entstandenen Uses-and-Gratifications-Forschung gesehen.

      Ziele: Die Studie erforscht die Bedeutung von Radio-Seifenopern für regelmäßige Hörerinnen und untersucht, welche Motive zur Nutzung sie haben, und wie sie das Gehörte mit ihrem Alltag verbinden.

      Aufbau: 100 Frauen, die mindestens zwei Seifenopern regelmäßig verfolgen, wurden in einem persönlichen Interview befragt. Die Stichprobe wurde nach Alter und Einkommen variiert; die meisten waren Hausfrauen.

      Methode: Die ersten 20 Interviews wurden offen geführt und dienten zur Entwicklung eines Fragebogens, mit dem die restlichen 80 Interviews dann durchgeführt wurden. Der Fragebogen deckte die Hörgewohnheiten, beliebte Themen und Sendungen ab, enthielt eine Motivliste für die Nutzung der Seifenopern und verglich die Beliebtheit von Radio im Vergleich zu Kino und Zeitschrift. Zudem wurde auch eine Reihe von Fragen zum Inhalt der Sendungen gestellt, etwa nach Ereignissen, die den Hörerinnen gut gefallen oder nicht gefallen haben, nach der Alltagsnähe und -relevanz. Neben den standardisierten Fragen konnten die Interviewer auch Kommentare der Befragten offen notieren.

      Ergebnisse:

       Nur wenige Hörerinnen nutzen die Programme, weil sie nichts anderes zu tun hatten; vielmehr wird eine recht gezielte Nutzung deutlich, bei der die Frauen ihren Tagesablauf so gestalten, dass sie die Programme hören können.

       Die Sendungen werden mit dem eigenen Leben verknüpft und entsprechend der eigenen Erfahrungen und Lebenssituation interpretiert.

       Drei Arten von Gratifikationen, die die Hörerinnen für die Nutzung der Sendungen angeben, werden deutlich: 1. Die Sendungen bieten emotionale Erleichterung, indem sie ihren Hörerinnen eine Gelegenheit geben, Gefühle zu empfinden, die in ihrem Leben sonst keinen Platz haben, und ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen (vgl. »chance to cry«, S. 70). 2. Uminterpretation des eigenen Lebens: Die Sendungen erlauben es, andere Schicksale stellvertretend zu erleben und somit die eigenen Probleme zu vergessen, glückliche (fiktionale) Momente auszukosten und empfundene Unzulänglichkeiten des eigenen Lebens zu kompensieren. 3. Lebenspraktische Hilfe: Die Sendungen bieten ihren Hörerinnen Erklärungen und Ratschläge für alltägliche Vorgänge und Phänomene an und können die Welt weniger bedrohlich erscheinen lassen.

      1.2.1 Kommunikation

      Medienrezeptionsforschung setzt sich also mit der Verarbeitung und dem Erleben von Medien und medienvermittelten Inhalten auseinander. Die Rezeption ist in einen umfänglicheren Prozess der Kommunikation eingebunden – was aber ist Kommunikation?

      Kommunikation ist nur in einem ganz technizistischen Sinne die Übertragung von Information (vgl. Sullivan, 2013, S. 3). Man kann durchaus erwarten, dass ein E-Mailprogramm alle eingespeisten Informationen vom Sender-Server zum Empfänger-Server überträgt. Bei Menschen, die auf der einen Seite Bedeutung in Botschaften packen und auf der anderen Seite Botschaften durch Bedeutung verstehen, kann man nicht von einer Übertragung sprechen: Es ist schließlich nicht gesagt, dass die intendierte Bedeutung auch wirklich beim Empfänger ankommt (in diesem Sinne also übertragen wird). Eine Sichtweise, die die Bedeutungen stärker in den Vordergrund stellt, ist hier angebrachter: Kommunikation wird als »Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen« (Maletzke, 1963, S. 18, kursiv im Orig.) gesehen. Stöber identifiziert drei Randbedingungen für Kommunikation zwischen Menschen, die die bedeutungsorientierte Sichtweise gut illustrieren (vgl. Stöber, 2008, S. 45 f; ähnlich auch Pürer, 2014, S. 66 f.):

      1 Kommunikation ist intentional, das heißt, sie ist ein sinnvolles, mit einem subjektiven Sinn ausgeführtes Handeln – es verfolgt also einen bestimmten Zweck;

      2 Kommunikation ist reflexiv, also auf andere Menschen bezogen und ihre Reaktionen antizipierend;

      3 Kommunikation ist vermittelt durch abstrakte Symbole, die auf Bedeutungskonventionen beruhen und in einer Sprachgemeinschaft gültigen Regeln folgen.

      Die Kommunikationswissenschaft setzt sich – obwohl der Name es nahelegen würde – nicht mit allen Formen der Kommunikation auseinander. Es geht meist um eine medienvermittelte Kommunikation, die die oben genannten Randbedingungen auf charakteristische Weise einschränkt.

      1.2.2 Medien

      Wir sind so selbstverständlich von Medien umgeben und haben ihre Präsenz derart verinnerlicht, dass wir zu wissen scheinen, was der Begriff bedeutet. Was trivial erscheint, ist natürlich zu hinterfragen und verdient einen genauen und neugierigen Blick. Pürer (vgl. 2014, S. 68 f.) unterscheidet in Anlehnung an Harry Pross zwischen primären, sekundären und tertiären Medien:

       Primäre Medien umfassen die menschliche Sprache sowie nicht-sprachliche Mittel der Kommunikation, die vom Menschen ausgehen, etwa Mimik, Gestik und Körperhaltung. Primäre Medien vermitteln Bedeutung zwischen Menschen, die miteinander in direktem Kontakt stehen und keiner technischen Übermittlung bedürfen.

       Sekundäre Medien konservieren Bedeutung über den persönlichen Kontakt hinaus; sie erfordern eine technische Ausstattung auf Seiten des Kommunikators, nicht aber auf Seiten des Rezipienten – Schrift und Druck sind Beispiele dafür.

       Tertiäre Medien vermitteln Kommunikationsvorgänge, die sowohl beim Kommunikator als auch beim Rezipienten technischer Vermittlung bedürfen: Hierzu zählen elektronische und digitale Massenmedien, aber auch Mittel der Individualkommunikation wie etwa das Telefon oder E-Mail.

      Die Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich vorwiegend mit den Prozessen, in die tertiäre Medien involviert sind – das schließt aber kommunikative Vermittlung durch Sprache und Schrift natürlich ein. Demnach sind auch in der Rezeptionsforschung vor allem die Prozesse relevant, die rund um das Rezipieren von Kommunikation erfolgen, welche durch tertiäre Medien vermittelt ist.

      Damit zusammen hängt der Vermittlungsmodus (vgl. Stöber, 2008, S. 40): Ein One-to-One-Vermittlungsmodus entspricht der typischen Situation in der Face-to-Face-Kommunikation (dem Gespräch von Angesicht zu Angesicht) oder auch dem Telefonat. Der One-to-Many-Modus ist die typische Situation in der Massenkommunikation (unten mehr dazu), in der z. B. professionelle Kommunikatoren einen Inhalt für viele Menschen produzieren. Schließlich ist der Modus Many-to-Many der typische Fall der vernetzten, partizipativen Kommunikation, bei der viele Menschen zu einem Inhalt (z. B. einem Wiki-Eintrag) beitragen, der wiederum einem größeren Personenkreis zugänglich ist.

      1.2.3 Massenkommunikation

      Die klassische Massenkommunikation nimmt immer noch einen besonderen Stellenwert in der Kommunikationswissenschaft und der Rezeptionsforschung ein. Maletzke definiert Massenkommunikation als »jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich (also ohne begrenzte und personell definierte Empfängerschaft), durch technische Verbreitungsmittel (Medien), indirekt (also bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (also ohne Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem) an ein disperses Publikum […] vermittelt werden« (Maletzke, 1963, S. 32, kursiv im Orig.).

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