Bio-psycho-soziales betriebliches Gesundheitsmanagement für Sozial- und Gesundheitsberufe. Ruth Haas
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Selbstlernaufgabe: Übertragen Sie das bio-psycho-soziale Modell nach Egger (2005) auf Ihre eigene gesundheitliche Situation.
In der ICF (International Classification of Function, Disability and Health) hat die WHO (World Health Organization) das bio-psycho-soziale Verständnis erweitert und spezifiziert. Die ICF wurde in Ergänzung der ICD (International Classification of Diseases) entwickelt. Die ICF gehört zu den von der Weltgesundheitsorganisation entwickelten Instrumenten der Klassifikationen von unterschiedlichen Aspekten der Gesundheit.
Funktionelle Gesundheit (ICF)
Die ICD stellt ein Klassifikationssystem für die Einordnung von Störungen der Gesundheit dar. Funktionsfähigkeit und Behinderung, verbunden mit einem Gesundheitsproblem, sind Thema der ICF. Die WHO beschreibt Gesundheit als Wechselwirkung zwischen den Komponenten Aktivitäten, Teilhabe, Umweltfaktoren (gleichbedeutend mit Kontextfaktoren) und personalen Faktoren. Es besteht eine dynamische Wechselbeziehung und durchgängig vielschichtige Interaktion zwischen diesen Komponenten der funktionalen Gesundheit (Abb. 3).
Abb. 3: Wechselwirkungen zwischen den Komponenten der ICF (DIMDI 2005, 23)
Die ICF versteht unter dem Begriff Körperstrukturen die anatomische Basis des menschlichen Körpers, wie z. B. Organe, Muskelskelettsystem. Unter Körperfunktionen werden die physiologischen Funktionen von Körpersystemen (einschließlich der mentalen Funktionen) verstanden (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005).
Körperstrukturen und -funktionen können beeinträchtigt werden, so dass diese von der Norm abweichen oder sogar verloren gehen (Begriff der Schädigung) (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005). Mit der Komponente Aktivität wird die Durchführung einer Aufgabe oder Handlung (Aktion) durch einen Menschen beschrieben (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005). Partizipation (Teilhabe) beschreibt das Einbezogensein des Menschen in eine Lebenssituation. Sind Aktivitäten beeinträchtigt, kann eine Person Einschränkungen bei der Durchführung einer Handlung haben.
Förder- / Barrierefaktoren
Eingeschränkte Handlungsfähigkeit kann ein Barierrefaktor beim Einbezogensein in eine Lebenssituation darstellen (Beeinträchtigung der Partizipation / Teilhabe). Die Komponente der Umweltfaktoren oder auch Kontextfaktoren beschreibt die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der Menschen ihr Dasein führen. Umweltfaktoren können gesundheitsförderlich sein (Förderfaktoren) oder als gesundheitliche Barrieren (Barrierefaktoren) eingeschätzt werden (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005).
Personenbezogene Faktoren werden den Kontextfaktoren zugeordnet. Sie beinhalten Faktoren, die sich auf die betrachtete Person beziehen, wie beispielsweise Alter, Geschlecht, sozialer Status, Lebenserfahrung usw. Diese werden in der ICF nicht klassifiziert (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI). Kontextfaktoren können Förderfaktoren oder Barrieren darstellen. Als Förderfaktoren werden Faktoren in der Umwelt einer Person klassifiziert, welche die Funktionsfähigkeit eines Menschen unterstützen (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005). Zu den Förderfaktoren gehören z. B. die
„Verfügbarkeit relevanter Hilfstechnologie, positive Einstellungen der Menschen zu Behinderung, sowie Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze, die darauf abzielen, alle Menschen mit Gesundheitsproblemen in alle Lebensbereiche einzubeziehen“ (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005, 147).
Als Barrieren bezeichnet die ICF Faktoren in der Umwelt einer Person, welche die Funktionsfähigkeit einschränken, wie zum Beispiel eine unzugängliche materielle Umwelt oder negative Einstellungen zu Menschen mit Gesundheitsproblemen. Barrieren und Förderfaktoren können vorhanden sein oder fehlen.
Sind in einem Betrieb Aufzüge vorhanden, können Menschen mit Schmerzen in den unteren Extremitäten (Körperfunktion) mit oder / ohne Schädigung einer Körperstruktur (wie z. B. des Kniegelenkes) die Aktivität Gehen ausführen und somit ihre Arbeit behalten (Teilhabe).
Die Erfassung von Gesundheitsproblemen unter Bezug auf die ICF wird im Folgenden an Beispielen erläutert.
Herr X. hat heftige Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und kann deshalb nicht mehr alltagsrelevant heben und tragen (Aktivität). Eine differenzierte Untersuchung durch den Arzt (Kontextfaktor) zeigt, dass er eine Schädigung der Bandscheibe hat (Körperstruktur), die jedoch durch physiotherapeutische Maßnahmen zu kompensieren ist. Die Physiotherapie wird von seiner Krankenkasse in ausreichendem Umfang bezahlt (Kontextfaktor). Herr X kann bereits nach kurzer Zeit seine beruflichen und privaten Aufgaben wieder bewältigen. Hinzu kommt, dass er. eine aktive Person ist und auch zu Hause die physiotherapeutischen Aufgaben übt (personale Faktoren).
Selbstlernaufgabe: Wie kann das ICF-Modell der Gesundheit zur Erfassung von gesundheitlichen Problemlagen im betrieblichen Kontext eingesetzt werden? Beleuchten Sie ein selbst gewähltes Fallbeispiel mit der ICF.
1.2 Modelle der Gesundheit
Im folgenden Kapitel werden Modellvorstellungen über die Entstehung und Veränderung von Gesundheit dargelegt. Pathogenetisch ausgerichtete Modelle werden nicht vorgestellt, da im Zentrum dieses Buches die Förderung von Gesundheit steht und nicht die Vermeidung von Krankheit (Prävention) (Kap. 2.1).
Saluto- vs. Pathogenese
Aus pathogenetischer Perspektive wird Gesundheit als Normalzustand betrachtet und Krankheit hingegen als Abweichung von dieser Norm. Es wird nach objektivierbaren Faktoren gesucht, die zu dieser Abweichung beitragen und die es zu vermindern gilt. Die salutogenetische Betrachtungsebene sieht Gesundheit und Krankheit als Pole eines Kontinuums, auf dem sich ein Mensch sein Leben lang und jeden Tag bewegt. Es wird nach Faktoren gesucht, die objektiv und subjektiv dazu beitragen, dass ein Mensch gesund bleibt und sich subjektiv betrachtet wohl fühlt. Um den jeweiligen gesundheitlichen Ist-Stand zu erfassen, werden aus pathogenetischer Sicht Krankheitssymptome erfasst, zu Diagnosen summiert und nach der ICD klassifiziert.
Ein salutogenetischer Blick analysiert gemeinsam mit dem betroffenen Menschen seine Lebensgeschichte, die Einflüsse der eigenen Person und der Lebenswelt auf den Prozess seiner Gesundheit.
1.2.1 Das Salutogenese-Modell von Aaron Antonovsky
Die Frage, wie Gesundheit entsteht, anstatt allein nach den Ursachen von Erkrankungen zu fragen, entspricht der Denkrichtung von Antonovsky / Franke (1997) in seinem Ansatz der Salutogenese. Er ist der Frage nachgegangen, warum manche Menschen trotz großer Belastungen und einschneidender Lebensereignisse gesund bleiben. Für Antonovsky (1979) besitzen Patho- und Salutogenese eine komplementäre Beziehung. Er fordert, dass nicht nur nach den Krankheitsursachen geforscht wird, sondern die gesamte Lebensgeschichte eines Menschen untersucht werden sollte.
Die zentrale Frage des Autors lautet, welche Faktoren dazu führen, dass eine Person auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum in Richtung Gesundheit einzuordnen ist. Die Erforschung und Behandlung pathogener Faktoren sollte durch die Suche nach den Ursachenzusammenhängen von Gesundheit ergänzt