Bio-psycho-soziales betriebliches Gesundheitsmanagement für Sozial- und Gesundheitsberufe. Ruth Haas
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„Maxime 1: Gesundheit und Krankheit ergeben sich aus einem Wechselspiel von sozialen und personalen Bedingungen, welches das Gesundheitsverhalten prägt“ (Hurrelmann / Richter 2013, 139).
Das Gesundheitsverhalten wird nicht der alleinigen Verantwortung des Individuums zugeschrieben, sondern steht in einer Wechselbeziehung mit der Lebenswelt, der Gesellschaft und der Persönlichkeit des Menschen. Dies erklärt, warum Menschen sich entgegen ihres kognitiven Wissens teilweise nicht gesundheitsorientiert verhalten und gesundheitliche Risiken eingehen.
Für die betriebliche Gesundheitsförderung lässt sich davon ableiten, dass diese Wechselbeziehung in den Blick genommen werden sollte. Das bedeutet, dass sowohl das individuelle Verhalten als auch die Arbeitsverhältnisse in die Betrachtung einbezogen werden müssen.
„Maxime 2: Die sozialen Bedingungen (Gesundheitsverhältnisse) bilden den Möglichkeitsraum für die Entfaltung der personalen Bedingungen für Gesundheit und Krankheit“ (Hurrelmann / Richter 2013, 140).
Soziale Bedingungen ermöglichen oder behindern die Entfaltung von personellen Gesundheitspotentialen oder Defiziten.
Mit der Digitalisierung ist ein hohes Maß an Sitzen an Büroarbeitsplätzen verbunden. Dies sorgt möglicherweise dafür, dass Menschen, die grundsätzlich gerne körperlich aktiv sind, psychisch ermüdet nach Hause kommen und keine Energie mehr zu körperlicher Aktivität aufbringen. Umgekehrt kann eine Berufswahl, die mit körperlicher Aktivität verbunden ist, dafür sorgen, dass sich ein Mensch ausreichend bewegt, obwohl Sport nicht zu seinem Interessenspektrum gehört.
„Maxime 3: Gesundheit ist das Stadium des Gleichgewichts, Krankheit das Stadium des Ungleichgewichts von Risiko- und Schutzfaktoren auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene“ (Hurrelmann / Richter 2013, 141).
Faktoren, die das Risiko für das mögliche Auftreten einer Erkrankung fördern, wie zum Beispiel Rauchen oder Bewegungsmangel stehen in einer Wechselbeziehung mit anderen körperlichen, psychischen und sozialen Schutz- und Risikofaktoren.
So kann Rauchen einerseits zu einem subjektiv wahrgenommenen Entspannungsempfinden führen, da die Person, den Arbeitsplatz verlässt, sich austauscht, um sich gedanklich von belastenden Einflüssen der Arbeit für kurze Zeit zu lösen.
„Maxime 4: Gesundheit und Krankheit als jeweilige Endpunkte von Gleichgewichts- und Ungleichgewichtsstadien haben eine körperliche, psychische und soziale Dimension“ (Hurrelmann / Richter 2013, 142).
Gesundheit wird als Gleichgewichtsprozess von körperlichen, sozialen und psychischen Faktoren verstanden. Gleichgewichts- oder Ungleichgewichtssituationen auf der körperlichen, psychischen und sozialen Ebene beeinflussen sich gegenseitig.
Eine körperliche Einschränkung am Bewegungsapparat kann zu körperlicher Inaktivität führen, die wiederum körperliche, aber auch psychische und soziale Auswirkungen zur Folge hat. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zunahme des Körpergewichtes erhöht sich, soziale Kontakte, die über die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten gepflegt wurden, gehen zurück und das Selbstwertgefühl wird möglicherweise negativ beeinflusst.
„Maxime 5: Gesundheit ist das Ergebnis einer gelungenen, Krankheit einer nicht gelungenen Bewältigung von inneren und äußeren Anforderungen“ (Hurrelmann / Richter 2013, 143).
Ein Mensch muss sich mit Anforderungen auseinandersetzen, die er sich selbst stellt und mit solchen, die aus der Umwelt an ihn herangetragen werden (Kap. 1.2.3). Eine erfolgreiche Bewältigung stärkt die Gesundheit, während Misserfolge in der Bewältigung von Anforderungen zu Stresserleben (Kap. 5.1.1) führen können.
Eine Person, die hohe Leistungsanforderungen an sich stellt und nicht in der Lage ist diese zu befriedigen, kann dies als Belastung empfinden oder eine resignative Einstellung entwickeln.
Niedrige äußere Anforderungen, d. h. langanhaltende Unterforderung kann eine psychische Fehlbelastung für eine Person darstellen (Kap. 3.3.3).
„Maxime 6: Persönliche Voraussetzung für Gesundheit ist eine körperbewusste, psychisch sensible und umweltorientierte Lebensführung“ (Hurrelmann / Richter 2013, 144).
Erfolgreich bewältigte Anforderungen gehen häufig mit einem Maß an Lebenszufriedenheit und positiven Befinden einher. Besonders bedeutsam bewerten Hurrelmann / Richter (2013) eine positive Einstellung zu den Belastungen des Alltagslebens und eine optimistische Einstellung zur Zukunft sowie ein hohes Maß an Akzeptanz der eigenen Körperlichkeit und der eigenen Person (Kap. 1.2.2).
„Maxime 7: Die Bestimmung der Ausprägungen und Stadien von Gesundheit und Krankheit unterliegt einer subjektiven Bewertung“ (Hurrelmann / Richter 2013, 142).
Das subjektive Erleben des individuellen Gesundheitsprozesses ist nicht deckungsgleich mit objektiv messbaren Parametern oder diagnostizierten gesundheitlichen Störungen. So kann eine Person mit einer diagnostizierten chronischen Erkrankung ein erfülltes Leben führen und sich subjektiv gesund fühlen.
„Maxime 8: Fremd- und Selbsteinschätzung von Gesundheits- und Krankheitsstadien können sich auf allen drei Dimensionen – der körperlichen, der psychischen und der sozialen – voneinander unterscheiden“ (Hurrelmann / Richter 2013, 33.)
Eine Person kann sich in der körperlichen Dimension als sehr krank erleben, auch wenn diese Einschätzung von Gesundheitsexperten nur zum Teil unterstützt wird. Es ist denkbar, dass ein Mensch sich subjektiv sozial beeinträchtigt fühlt, auch wenn dieser alle Aufgaben und Rollen im Leben gut erfüllt und aus der Sicht der im Gesundheitswesen tätigen Personen als gut integriert eingeschätzt wird.
Hurrelmann / Richter (2013) definieren Gesundheit aus interdisziplinärer Perspektive sehr umfassend und integrieren darin die zentralen bio-psycho-sozialen Gesundheitsmodelle wie folgt:
„Gesundheit bezeichnet den Zustand des Wohlbefindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich psychisch und sozial in Einklang mit den Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet. Gesundheit ist nach diesem Verständnis ein angenehmes und durchaus nicht selbstverständliches Gleichgewichtsstadium von Risiko- und Schutzfaktoren, das zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt immer erneut in Frage gestellt ist. Gelingt das Gleichgewicht, dann kann dem Leben Freude und Sinn abgewonnen werden, es ist eine produktive Entfaltung der eigenen Kompetenzen und Leistungspotentiale möglich und es steigt die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu integrieren und zu engagieren“ (Hurrelmann / Richter 2013, 147).
Beim Transfer der Definition auf ein Beispiel der Arbeitswelt, könnte demnach ein / e ArbeitnehmerIn als gesund bezeichnet werden, wenn diese sich grundlegend wohl fühlt. Dieses positive Wohlbefinden basiert einerseits auf einer Deckung der beruflichen und privaten Ziele und Möglichkeiten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten. Ein beruflich kompetenter und zielstrebiger Mensch ist an einem Arbeitsplatz tätig, der Entwicklungsmöglichkeiten und den Einsatz der Kompetenz eröffnet. In der Lebensgestaltung existiert ein Gleichgewicht zwischen Stressoren und Schutzfaktoren. Übertragen auf die Arbeitswelt könnte dies bedeuten, dass auf der einen Seite eine durchaus fordernde berufliche Tätigkeit mit hohem Zeit- und Präzisionsdruck (Stressor), einer hohen Lärmbelastung und einer hohen Anzahl an Überstunden, auf der anderen Seite der Integration in ein gut funktionierendes Team getragen von Wertschätzung und kooperativer Haltung und einem hohen Maß an Selbstbestimmung gegenübersteht.