Allgemeine Staatslehre. Alexander Thiele

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Allgemeine Staatslehre - Alexander Thiele страница 26

Автор:
Серия:
Издательство:
Allgemeine Staatslehre - Alexander Thiele

Скачать книгу

wie dem Bund der Steuerzahler immer wieder suggerierte Metapher vom Staat als „institutionalisierter Dieb“ erweist sich insofern aus verschiedenen Gründen als verfehlt und verkennt diese vereinbarte Arbeitsteilung. Vgl. auch A. Thiele, Der gefräßige Leviathan, S. 101f. und unten bei Frage V.

       296

      Siehe A. Thiele, Der gefräßige Leviathan, S. 262ff. Siehe auch H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 16.

       297

      Siehe dazu H.M. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, 2008.

       298

      Dazu A. Thiele, Gleichheit angesichts von Vielfalt im philosophischen und juristischen Diskurs, DVBl. 2018, 1112 (1119); ders., Kommunitarismus und Grundgesetz, in: W. Reese-Schäfer (Hrsg.), Handbuch Kommunitarismus, S. 465ff.; ders., Staatsverschuldung und Demokratie, Leviathan 46 (2018), 336 (347f.). Es geht also entgegen den Vorstellungen der AnhängerInnen des Suffizienzprinzips nicht allein darum, dass alle „genug“ haben. Die Alternative zu Suffizienz lautet im Übrigen auch nicht „gleich viel“, vielmehr ist ein bestimmtes Maß an sozialer Ungleichheit durchaus zulässig (und auch notwendig sowie nicht zu vermeiden). Zu schlicht insoweit N. Bolz, Diskurs über die Ungleichheit, S. 19 („Also genug, statt gleich viel.“). Freiheit und Gleichheit sollten daher nicht gegeneinander ausgespielt, sondern behutsam miteinander versöhnt werden.

       299

      U. Di Fabio, Herrschaft und Gesellschaft, 2. Auflage (Studienausgabe) 2019.

       300

      T. Vesting, Staatstheorie, Rn. 281.

       301

      T. Vesting, Staatstheorie, Rn. 281.

       302

      Dementsprechend ist die lange Regierungsbildung auch in anderen Staaten kein Problem (Belgien, Israel, Nordirland, Spanien).

       303

      C. Sunstein, #Republic, 2018.

       304

      P. Collier, The Future of Capitalism, S. 212.

       305

      Siehe dazu unten Frage VIII.

       306

      Darauf ist bei Frage VII noch einmal zurückzukommen.

      II. Wie entstehen Staaten, welche staatlichen Wandlungsprozesse lassen sich unterscheiden und wie

      und wann gehen Staaten unter?

      Während die heutige Welt im Wesentlichen von Nationalstaaten überzogen ist, war das aus historischer Perspektive anders. Der Status Quo ist das Ergebnis einer dauerhaften, bisweilen wellenmäßigen Entwicklung, die sich auch zukünftig fortsetzen wird. Der Blick auf die bisherige Entwicklung und damit auf die Entstehung und Veränderung der Staaten ist auch für die Allgemeine Staatslehre im Hinblick auf die Einordnung heutiger Geschehnisse von Interesse.

      1. Entstehung von Staaten

      Mit der originären und der derivativen Form der Staatsentstehung lassen sich zwei grundlegende Arten unterscheiden, wie sich staatliche Strukturen auf einem Gebiet ausbilden können.

      a) Originäre Staatsentstehung

      Die Entstehung staatlicher Strukturen auf Territorien, wo zuvor keinerlei Staatlichkeit oder staatsähnliche Strukturen existierten wird als originäre Staatsentstehung bezeichnet. Originäre Staatsentstehungsprozesse sind heute praktisch nicht mehr denkbar – der gesamte Erdball ist von Staaten besetzt, allenfalls partiell finden sich innerhalb dieser Staaten abgeschiedene (und geduldete) Regionen, wo Staatsentstehungen theoretisch denkbar wären.[307] Auch die Entstehung von Staaten aus vorstaatlichen Herrschaftsgebilden, |58|die immerhin noch bis ins 19. Jahrhundert zu beobachten war, ist keine originäre Staatsentstehung in diesem Sinne, sofern sie sich unter dem Einfluss und nach dem Vorbild anderer Staaten vollzieht, da ein bestehendes Staatensystem dann bereits vorausgesetzt wird.[308]

      Auch wenn es schwierig ist, den genauen Anfangspunkt entsprechender „erster“ staatlicher Entwicklungen zu bestimmen, da dieser im Dunkel der Frühzeit liegt und nur archäologisch erschlossen werden kann, steht fest, dass die neolithische Revolution[309] einen zentralen Wendepunkt einleitete.[310] Mit der Domestizierung von Pflanzen und Tieren und der damit einhergehenden Sesshaftwerdung – Jagen und Sammeln spielten allerdings zunächst weiterhin eine große Rolle – wurden zwischen 10.000–5000 v. Chr. weltweit Prozesse in Gang gesetzt,[311] die in einem mehrere Jahrtausende währenden komplexen Prozess zur Entstehung der ersten „staatlichen“ Hochkulturen als Vorläufer der heutigen modernen Staaten führten.[312] Zu Beginn der neolithischen Revolution handelte es sich vornehmlich um kleinere Dorfgemeinschaften, deren Zusammengehörigkeit auf verwandtschaftlichen Beziehungen und daraus resultierenden Lineages[313] beruhte und bei denen die Versorgung des je eigenen Haushalts im Vordergrund stand.[314] Auf diese Weise |59|entwickelten sich segmentäre Gesellschaften[315] mit unterschiedlichen verwandtschaftlichen Verbindungen, die im Laufe der Zeit (nicht zuletzt über beachtliche Heiratsregelungen) eine erstaunliche Komplexität erreichen konnten und deren Fortbestand zudem von gemeinsamen Ritualen und Erzählungen, mithin von sprachlichen Narrativen[316] abhängig war. Wichtig ist die Erkenntnis, dass diese segmentären Gemeinschaften weder als starr, noch als unpolitisch[317] angesehen werden können.[318] Sie unterlagen einem steten strukturellen Wandel, der mit den Reproduktionsproblemen der Sesshaftwerdung ebenso zusammenhing, wie mit wandelnden Einflüssen einzelner Lineages (Familien und Personen) und sich vor allem in veränderten Macht- und Herrschaftsstrukturen niederschlug. Einmal etablierte Strukturen waren nie von Dauer, weil sie angesichts der mit ihr einhergehenden sozialen Asymmetrie innerhalb der Gemeinschaft stets verletzlich blieben. Folgt man diesen Erkenntnissen der modernen politischen Anthropologie dürfte es vollständig egalitäre Gesellschaften entgegen früheren Vorstellungen zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte gegeben haben,[319] was den heutigen Versuch entsprechende Gesellschaften errichten zu wollen aus historischer Perspektive fragwürdig erscheinen lässt. „Kurz gesagt: es gibt keine Gesellschaft ohne politische Macht und keine Macht ohne Hierarchie und Beziehungen der Ungleichheit zwischen den Individuen und den sozialen Gruppen.“[320] Was daraus zugleich folgt, ist die Historisierbarkeit der ersten segmentären Gesellschaften; sie sind nicht geschichtslos und können und müssen aus einer prozesshaft-historischen Perspektive beleuchtet werden, was denn auch seit der Mitte des 20. Jahrhunderts vermehrt geschieht. Der entscheidende |60|Sprung dieser Gesellschaften zur staatlichen Hochkultur hängt damit aber nicht an ihrer seit jeher vorhandenen Politisierung,[321]

Скачать книгу