Ökologie der Wirbeltiere. Werner Suter

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Ökologie der Wirbeltiere - Werner Suter

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Energieverbrauch und damit der Bedarf hingegen nur mit der ¾-Potenz (W0.75; Kap. 2.1). Die Differenz W0.25 kann theoretisch von größeren Herbivoren auf zwei Arten genutzt werden:

      • Bei gleichbleibender Qualität der Nahrung muss pro Einheit Körpermasse weniger Nahrung aufgenommen werden.

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      Abb. 2.23 Links: Der Nasenaffe (Nasalis larvatus) aus den flussbegleitenden Tieflandwäldern Borneos besitzt als spezialisierter Laubfresser den kompliziertesten Kammermagen aller Affen; er wirkt deshalb dickbäuchig. Neueste Beobachtungen lassen vermuten, dass auch Nasenaffen Nahrung zum erneuten Kauen aufwürgen, aber nicht nach Partikelgröße sortieren (Matsuda et al. 2015). Rechts: Der Hoatzin (Opisthocomus hoazin), ein entfernter Verwandter der Kuckucke, ist bislang der einzige bekannte Vormagenfermentierer unter den Vögeln. Er erreicht damit ähnlich wie die nicht fermentierenden Strauße (Struthio), aber im Gegensatz zu anderen herbivoren Vögeln, den Säugetieren vergleichbare lange Retentionszeiten und hohe Verdaulichkeit der Nahrung (Fritz S. A. et al. 2012).

      • Bei gleicher Menge aufgenommener Nahrung können größere Arten mit Nahrung schlechterer Qualität, also Pflanzen mit höherem Faseranteil, auskommen. Erklären lässt sich dies über die höhere Kapazität im Verdauungsapparat, der längere Retentionszeiten und damit eine verbesserte Verdauung von faserreicher Nahrung zulassen sollte.

      Dass kleinere Arten fast durchweg Nahrung von höherer Qualität konsumieren als größere, ist bereits von Bell R. H. V. (1970) und Jarman (1974) an afrikanischen Huftieren beobachtet worden. Der Sachverhalt ist heute als «Jarman-Bell-Prinzip» bekannt und nicht nur im Vergleich vieler Arten – Säugetiere wie Vögel – bestätigt worden, sondern auch für Männchen und Weibchen bei geschlechtsdimorphen Herbivoren und selbst für ungleich große Individuen innerhalb desselben Geschlechts (Brivio et al. 2014). Die lange akzeptierte Erklärung von Demment & Van Soest (1985), dass kleinere Arten Nahrung geringerer Qualität schlechter verdauen können als größere Arten, wird aber weder theoretisch noch durch Daten gestützt (Clauss et al. 2013). Tatsächlich zeigen sowohl existierende Datenreihen als auch neue Fütterungsversuche, dass die Fähigkeit zur guten Verdauung nicht körpergrößenabhängig ist, sondern dass größere Herbivoren höhere Aufnahmeraten besitzen, die allometrisch mit einer höheren Steigung skalieren als der Grundumsatz (Müller et al. 2013; Steuer et al. 2014). Beobachtungen zur Allometrie der Nahrungsaufnahme von Herbivoren im Freiland (Kap. 3.8) unterstützen die Erklärung, dass große Herbivoren auf qualitativ schlechte Nahrung fokussieren, weil normalerweise nur diese räumlich konzentriert und in einer Menge vorhanden ist, welche die benötigten Aufnahmeraten garantiert.

      Werden Herbivore nach ihrer Nahrungsstrategie klassifiziert, so kann die Einteilung entweder anhand der Art der Nahrung (botanischen Zusammensetzung, Pflanzenteile) oder anhand ihrer Qualität erfolgen.

      • Bei der Einteilung nach der (botanischen) Nahrungszusammensetzung lassen sich unterscheiden: Laubäser (browser) – Mischäser (mixed feeder) – Grasäser (grazer). Bei der Laubäsung zählen nicht nur die Blätter von Sträuchern und Bäumen, sondern auch Knospen, Zweige und Rinde sowie dikotyle Kräuter (forbs), auch wenn Letztere in punkto Nahrungsqualität oft nicht mit eigentlichem Laub vergleichbar sind. Mischäser nutzen sowohl Laub als auch Gras, während Grasäser normalerweise kein Laub fressen, aber beim Grasen einen kleineren Anteil dikotyler Kräuter aufnehmen können.

      • Die gängige Unterteilung gemäß Qualität unterscheidet hingegen: Konzentratselektierer (concentrate selector/selective feeder) – Intermediärtyp (intermediate feeder) – Raufutter-Fresser (roughage/bulk feeder). Als Qualitätsmerkmal gilt der Fasergehalt, wobei davon ausgegangen wird, dass der Bedarf an höherer Qualität mit stärkerer Selektivität bestimmter Pflanzen (oder Teilen davon) einhergeht.

      Wie bei vielen Klassifikationen darf aber nicht vergessen werden, dass die Grenzen zwischen den Gruppen oft fließend sind, weil viele Arten eine gewisse Flexibilität zeigen können, sodass sich über die Herbivorenarten hinweg mehr oder weniger ein Kontinuum ergibt.

      In einem vereinfachten, aber berühmt gewordenen Konzept (Hofmann 1989) sind die beiden Aspekte Nahrungsart und Qualität respektive Selektivität vermengt worden. Hofmanns Schema (Abb. 2.24) ordnet die verschiedenen europäischen Wiederkäuer anhand ihres mittleren Grasanteils in der Nahrung innerhalb des Kontinuums von Laubäsern (links) zu Grasäsern (rechts) ein. In dieser eindimensionalen Darstellung wird jedoch der Gradient Laub – Gras zugleich zu einem Gradienten abnehmender Nahrungsqualität. Zwar besitzt Gras im Durchschnitt einen höheren Faseranteil als Laub, doch der höhere Ligningehalt sowie sekundäre Pflanzenstoffe im Laub können dessen Qualität ebenfalls herabsetzen. Laubnahrung ist deshalb nicht a priori von besserer Qualität als Gras (Box 2.5). Der populäre Begriff «Konzentratselektierer» für Laubäser ist auch insofern problematisch, als selbst qualitativ gute Laubäsung noch immer einen weit höheren Faseranteil besitzt als alles, was aus der Tierhaltung unter der Bezeichnung «Konzentratfutter» bekannt ist (Clauss et al. 2010). Die Qualität der aufgenommenen Nahrung wird am stärksten über die Selektivität (für bestimmte Pflanzenarten, Altersstadien oder Teile der Pflanze) gesteuert. Es gibt sowohl bei Laub- als auch Grasäsern selektive und auch nicht selektive Arten. Tendenziell sind kleinere Herbivoren wegen ihres relativ höheren Energiebedarfs stärker selektiv als größere; zudem sind sie aufgrund der schmaleren Schnauze stärker dafür prädestiniert (Kap. 3.8).

      Gras (Monokotyledonen) und Laubäsung (Blätter krautiger und verholzter Dikotyledonen) unterscheiden sich in mancher Hinsicht bezüglich ihrer Nahrungsqualität für Herbivoren:

      • Zellwände sind in Gräsern eher dick, mit einem höheren Anteil an Zellulose und Hemizellulose. In Blättern sind sie trotz des größeren Gehalts an Lignin eher dünn, was einen höheren Anteil zyto-plasmatischen Inhalts zur Folge hat. Da Zellulosen fermentiert werden, ist die Assimilationsdauer von Gras länger (Lignin kann nicht fermentiert werden).

      • Abwehrstoffe: Siliziumkristalle in Gras und verschiedene sekundäre Metaboliten in Blättern sind Abwehrmechanismen der Pflanzen, um Herbivorie zu reduzieren (Kap. 2.2). Als Folge sind die Grasfresser mit starker Abnutzung ihrer Zähne konfrontiert, während Laubäser zum Teil aufwendige Entgiftung der Nahrung durchführen müssen. Man nimmt an, dass die im Vergleich zu Grasäsern stark vergrößerten Speicheldrüsen der Laubäser dem Abbau der Metaboliten dienen (Hofmann et al. 2008). Tanninbindende Proteine im Speichel werden nicht nur von Huftieren, sondern auch von Primaten (inklusive des Menschen), Nagetieren, Hasenartigen, Beuteltieren und weiteren produziert (Espinosa Gómez et al. 2015).

      • Architektur der Pflanze: Gräser bestehen aus Blattspreiten, Stängel (mit Fruchtständen) und Blattscheiden und wachsen oft in einer dicht gepackten Vegetationsschicht, was den Herbivoren die Selektion der qualitativ höherwertigen Teile erschwert, besonders da die proteinreicheren jungen Blätter an der Basis entsprießen. Laubäsung enthält eine räumlich oft mehr heterogene Zusammensetzung aus Knospen, jungen und älteren Blättern, Zweigen sowie Blüten und Früchten, die von Herbivoren besser selektiv genutzt werden können (Ausnahme: das dichte Gewirr von dornen- oder stachelbewehrten Sträuchern und Bäumen, zum Beispiel Akazienverwandte).

      • Räumliche Verteilung: Grasnahrung ist im Raum sehr gleichförmig vorhanden, Laubäsung kommt hingegen lockerer verteilt vor und bietet den Herbivoren eine geringere nutzbare Biomasse.

      Die

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