Tatort Bodensee. Eva-Maria Bast
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Claudias ahnungslose Replik kam rasch. »Gut natürlich. Wenn so ein wundervolles freies Wochenende am Bodensee vor mir steht: Das Wetter soll ja toll werden, der See dürfte einigermaßen erträgliche Temperaturen haben – ich freue mich auf jeden Fall schon riesig darauf – genauso wie die Kinder sich auf die Oma freuen! Ich habe gedacht, ich sag dir heute schon, dass ich morgen einen früheren Zug nehmen kann. Ich habe nämlich jetzt doch keinen Mittagsdienst mehr, das heißt, ich könnte die Bahn von Heilbronn nach Stuttgart um 12.45 Uhr nehmen, die müsste ich eigentlich schaffen. Dann wäre ich um 13.30 Uhr ungefähr in Stuttgart und könnte dann um 13.40 Uhr weiterfahren Richtung Singen. Und von dort ist’s ja eh bloß noch ein Klacks! Also, ich such die Verbindungen noch mal ganz genau heraus, aber ich denke, so gegen halb drei könntest du mich am Überlinger Bahnhof abholen – falls du mich noch haben willst!«, fügte sie kokett hinzu. »Aber jetzt sag endlich, wie geht’s dir eigentlich?«
Oje! Wenn Claudia wüsste! Glücklicherweise hatte auch Protnik den Rand gehalten und Claudia gegenüber keinen Ton von der ganzen Malaise verlauten lassen! Andererseits: wie brachte er das alles – einigermaßen eheverträglich – wieder auf die Reihe? Wie sollte er seiner Frau erklären, dass er da zwei Tage im Überlinger Krankenhaus hatte zubringen müssen, weil er beim Tauchen im Bodensee verunglückt war – bei einem Tauchgang, auf dem sein Freund und Partner ums Leben gekommen, ermordet worden war?!
»Ach, mir geht es einfach blendend«, flötete er ins Telefon, was ihm natürlich irritierte Blicke der drei anderen im Krankenzimmer einbrachte. Wahrscheinlich überlegten die jetzt, ob er beim raschen Auftauchen an die Oberfläche nicht doch irgendwie psychisch durchgeknallt war – alle drei, selbst Protnik; das konnte er ihren Gesichtern deutlich ansehen. »Der Tauchgang war so weit ganz okay.« Wieder konsternierte Mienen der anderen! »Aber am besten, ich erzähle dir alles, wenn du dann endlich da bist!«
»Alles klar, so machen wir’s!« Claudia schien – dank der Vorfreude auf das verlängerte Wochenende zu zweit am Bodensee – bester Laune. »Gut, dann holst du mich also um halb drei am Bahnhof in Überlingen ab! Einverstanden?«
Horst nickte am Telefon: »Alles roger – genauso machen wir’s! Also dann bis morgen! Tschüss – und viele Grüße an die Kinder!« Zufrieden lächelnd legte er auf und ließ sich entspannt in das Kissen zurücksinken. Für einen Moment schloss er die Augen. Dann begann er, sich auf den Fortgang des Gespräches zu konzentrieren. Eigentlich gar nicht so schlecht, dass die Ärzte ihn dazu verdonnert hatten, noch ein paar Tage zur Beobachtung im Krankenhaus zu bleiben, denn als Kranker genoss man bei einem solchen Verhör zumindest das Privileg der erschöpften Pause, die man einem Menschen in seiner Situation einfach zugestehen musste.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er die Ungeduld in den Gesichtern der beiden anderen. Doch ganz offensichtlich hatten sie für sich beschlossen, die Situation nicht mit einer zu frühen Fortsetzung ihrer Diskussion zu verschärfen. Protnik dagegen hielt sich weiter im Hintergrund und blinzelte Horst verstohlen mit einem Zwinkern des rechten Augenlides zu.
»Gut, meine Herren! Wir können wieder!« Mit neuer Energie versehen blickte er die beiden Polizisten entschlossen an. »Also, ich fasse zusammen: Eheprobleme, Nachbarschaftsstreit, Disziplinarverfahren. Sie tippen mit anderen Worten auf Selbstmord! Sehe ich das richtig?«
Hofer wiegte bedächtig den Kopf: »Wie sollen wir es denn sonst sehen? Also, an die Geschichte von der von irgendeinem mysteriösen Dritten manipulierten Pressluftflasche glaubt in Wirklichkeit doch nur der Doktor, oder? Es sei denn«, und damit fixierte er Horst mit strengem Blick, »es sei denn, Sie hätten etwas mit der Manipulation zu tun! Sie könnten ruckzuck zu unserem Hauptverdächtigen werden!«
In diesem Moment explodierte Protnik! »Also das ist doch …! Das ist ja wohl das Hinterletzte, was ich jemals gehört habe! Sie sprechen hier von einem Kollegen! Für den lege ich meine Hand ins Feuer!« Protniks Gesicht war hochrot angelaufen. Außer sich vor Empörung schnaubte er wütend und glotzte Hofer missbilligend an.
»Ist ja schon gut!«, wehrte der mit erhobenen Händen beschwichtigend ab. »Ich meine ja nur … Schließlich wissen Sie ebenso gut wie wir, dass wir alle Möglichkeiten durchgehen müssen, zumindest rein theoretisch!«
Protnik war immer noch auf hundertachtzig. »Rein theoretisch! Ich bin Praktiker und wie gesagt, ich kenne den Kollegen seit Jahren sozusagen in- und auswendig!«
»Aber wir nicht, Herr Protnik!«, schaltete sich nun Schlotterbeck mit einer scharfen Erwiderung in den Disput ein. »Und deshalb lassen Sie uns bitte in aller Ruhe unsere Arbeit erledigen, einverstanden?« Er musterte den Ulmer Kollegen streng, bevor er sich zu Horst herumdrehte. »Also, Herr Meyer! Natürlich wollen wir Sie da in nichts hineinreiten, ganz im Gegenteil, aber nun wieder zum Thema vor der Unterbrechung zurück: War das alles, was Sie uns zu sagen haben? War da sonst nichts mehr, rein gar nichts?« Wie der Fuchs vor dem Kaninchenstall, schoss es Horst durch den Kopf! Dieser lauernde Blick, diese knisternde Atmosphäre mit einem Mal – war das noch derselbe Beamte, der vorher noch so jovial gelächelt hatte?
Horst schüttelte stumm den Kopf.
Doch bevor Schlotterbeck zu einer weiteren Frage ansetzen konnte, mischte sich nun wieder Hofer in die Diskussion ein: »Also keine Andeutungen bezüglich dienstlicher Probleme, irgendwelcher Ermittlungen, bei denen der Herr Grundler eventuell nicht so recht vorangekommen ist, irgendwelche Namen, Verdächtigungen oder so etwas? Da spricht man doch abends beim Bier schon mal drüber, oder?« Aufmunternd zwinkerte er Horst zu.
Doch der schüttelte neuerlich den Kopf, obwohl hinter seiner Stirn ein ganzes Dutzend Alarmglocken auf einmal schrillten. »Wir haben Wein getrunken, Weißherbst, wenn Sie’s genau wissen wollen!«
Genervt grunzte Hofer. »Nein, will ich nicht!« Verärgert fuhr er fort: »Also, ich rekapituliere: mit Ausnahme der bereits erwähnten – privaten – Schwierigkeiten gab es nichts, was auf ein Tatmotiv und somit auf die Manipulationen eines Dritten hinweisen könnte? Rein gar nichts? Richtig oder falsch?«
Horst hatte begriffen: Die wollten auf Selbstmord hinaus und den unangenehmen Fall so schnell wie möglich zu den Akten legen! So gingen die also mit dem Tod eines Kollegen um: unfassbar! Es sei denn … Aber diese These vertrug das Atmen nicht, die musste er hinterher sorgfältig mit Protnik angehen. Jetzt ging es erst mal darum, die beiden Typen vor ihm schnellstmöglich loszuwerden! Er nickte entschieden: »Genauso ist es! Keine weiteren Probleme, nur ein ganzer Haufen von privaten Schwierigkeiten, von denen Thomas allmählich erdrückt worden ist, richtig!«
Misstrauisch fixierte ihn Schlotterbeck. »Sie sind sich ganz sicher? Sie bleiben bei dieser Aussage?«
Noch einmal nickte Horst – aus den Augenwinkeln konnte er die verblüffte Miene von Protnik erkennen – aber dem konnte er später alles erklären. »Richtig!«
»Gut! Dann ist die Vernehmung hiermit beendet!« Schlotterbeck sprang auf und drückte auf die Stopp-Taste seines Diktiergerätes.
Auch Hofer machte eine abschließende Handbewegung. »Dann sind wir vorerst fertig miteinander! Vielen Dank und weiterhin gute Besserung!« Damit wandte er sich um und öffnete die Tür des Krankenzimmers.
»Wiedersehen!« Schlotterbeck versuchte die Andeutung eines Lächelns. »Und passen Sie auf, mit wem Sie das nächste Mal Tauchen gehen!« Damit folgte er Hofer nach und schloss hinter sich die Tür.
»Arschloch!«, stieß Horst hervor, kaum dass die beiden verschwunden waren. »Was glauben die eigentlich, wer sie sind?!«
Protnik zog sich den Stuhl in die Nähe von Horsts Nachttisch.