Tatort Bodensee. Eva-Maria Bast
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Horst war nun ganz in seinem Element und ließ sich auch von dem schicksalergebenen Augenaufschlag seines Kollegen nicht mehr in seiner Begeisterung bremsen.
Gleichwohl erwartete ihn ein hartes Stück Arbeit, denn bisher war an Protnik jede Bemühung Horsts völlig folgenlos abgeprallt, in diesem irgendwelches noch so winzige Interesse an Kunst- und Kulturdenkmalen, welchen Jahrhunderts auch immer, wachzukitzeln. Der Kerl war halt einfach nicht kitzlig!
16
Einige Stunden später saßen sie alleine mit ihrer Flasche Rotwein (14,80 Mark hatte die im Laden in Meßkirch gekostet – unglaublich! Aber immerhin, es war wenigstens eine trockene Heilbronner Spätlese) in der Burgschenke. Der Herbergsvater, der sich herzlich gefreut hatte, seinen alten Bekannten Horst so unvermutet schnell einmal wiederzusehen, hatte extra für die beiden die eigentlich um diese Uhrzeit längst geschlossene Burgschenke aufgemacht und versichert, später noch mit ihnen bei einer Tasse Tee (!) zusammenzusitzen.
Horst war regelrecht aufgeblüht und hatte sich trotz der Ereignisse der letzten Tage gefühlt, als durchströme ihn ein warmer Energieschub. Schon als sie die letzten Kilometer vor dem Wildenstein erst durch Kreenheinstetten und dann Leibertingen gefahren waren. Wie oft hatten er und Claudia schon einen Spaziergang von der Burg ins Dorf herein unternommen und waren dort in einer der beiden Wirtschaften bei einem gemütlichen Abendessen regelrecht »verhockt«? Leibertingen, das Lavendeldorf auf dem Heuberg, zu dem es der frankreichbegeisterte Bürgermeister in den letzten Jahren mit Beharrlichkeit gemacht hatte: ein Stückchen Provence auf der rauen Alb – allein beim Lesen des Namens auf dem Ortsschild hatte er sich schon wieder wie zu Hause gefühlt! Und als er aus dem Auto ausgestiegen war und endlich wieder unmittelbar vor seiner Lieblingsburg gestanden hatte, da schossen ihm tatsächlich die Tränen in die Augen – ein sicheres Anzeichen dafür, wie erledigt er nach all den Ereignissen der letzten Tage doch war. Aber der Wildenstein würde ihn schnell wieder an Leib und Seele genesen lassen, dessen war er sich ganz sicher. Die mächtigen, fast 500 Jahre alten Bastionen der imposanten Burg, die beiden Zugbrücken, die schon ganze Generationen von Malern und Fotografen in ihren Bann gezogen hatten, und die einmalige Lage auf den steilen schroffen Kalkfelsen sage und schreibe 200 Meter über dem Tal der jungen Donau: Es war – jedes Mal aufs Neue – ein atemberaubend schönes Gefühl, wieder hier zu sein!
Nach der herzlichen Begrüßung durch den Herbergsvater hatte Horst, wie immer, seinen Rundgang durch die alte Burg aufgenommen, der ihn vom Speisesaal mit den herrlichen Wandmalereien aus der Renaissance durch den engen Gang über die Treppe aus ausgetretenen Kalkstufen in den riesigen Rittersaal führte. Den obligatorischen Abschluss bildete danach der Besuch der winzigen Burgkapelle mit dem sehenswerten Altar des Meisters von Meßkirch und – natürlich – der Klappe unter dem Teppich des Altarbodens, bei der er bisher jedes Mal Verblüffung bei seinen Begleitern hervorgerufen hatte, denen er die Burg und ihre Geschichte erläutert hatte. Auch bei Protnik war das nicht anders, nachdem bis dahin jeder Erklärungsversuch, jede noch so heitere Geschichte aus der Chronik der Grafen von Zimmern, die ja gerade auch hier, auf dem Wildenstein, spielte, wirkungslos verpufft war. Aber eine in das Holz des Altarbodens gesägte Fluchtklappe, darunter verborgen eine steile Holztreppe, die in einen dunklen Raum hinunterführte, aus dem ein kühler Luftzug in die Kapelle hochwehte, das war es, was das Herz des Kriminalisten höherschlagen ließ! »Wie geschaffen für ein Verbrechen!« rief Protnik begeistert aus, während Horst aufseufzend die Augen zum Himmel richtete: Sein Kollege war und blieb nun einmal ein kulturloser Geselle, an dem war Hopfen und Malz hoffnungslos verloren!
»Also, Michael«, begann Horst, nachdem sie eine Zeit lang jeder für sich ihren Gedanken nachhängend stumm am Tisch gesessen hatten. »Ich habe mir die ganze Geschichte noch mal hin und her überlegt: Das war kein Selbstmord – in hundert Jahren nicht! Und Susanne, also seine Frau«, fügte er rasch hinzu, als er den fragenden Blick seines Kollegen auffing, »Susanne war’s auch nicht. Die haben sich zwar ganz und gar auseinandergelebt und wollten sich sogar scheiden lassen, aber Susanne und Mord?! Nein – nie und nimmer. Außerdem waren sie sich längst einig über das Auseinandergehen. Dann der Psychopath von Nachbar. Gut, bei solchen Typen weiß man nie, wenn die vollends durchknallen, aber trotzdem! Der hat doch erstens Horst das Disziplinarverfahren und die Anzeige angehängt, und zweitens glaube ich auch nicht, dass der so clever ist, um auf die Idee mit dem Sauerstoff zu kommen! Nein, da muss noch ein anderer, ein absoluter Insider im Spiel sein!«
Protnik brütete dumpf über seinem Weinglas. »Aber wer? Wie um alles in der Welt sollen wir das denn rauskriegen?«
»Na, komm schon, da haben wir doch schon ganz andere Dinger geknackt, denk doch nur an den angeblichen Selbstmord damals in …« Horst wurde vom Klingeln seines Handys unterbrochen. Gereizt starrte er das Telefon an. »Was ist denn jetzt schon wieder? Man hat einfach keine Ruhe mehr, seit es diese Scheißdinger gibt! Überall und jederzeit erreichbar sein! Furchtbar!« Beständig klingelte das Handy weiter.
»Dann nimm halt ganz einfach nicht ab – irgendwann hört’s ja auch wieder auf«, knurrte Protnik, dem die Aversionen seines Kollegen gegen den technischen Fortschritt manchmal ein Rätsel waren.
»Quatsch!«, erwiderte Horst und bellte ein ärgerliches »Meyer!« in das Mikrofon. Nur wenige Augenblicke später musste Protnik eine merkwürdige Veränderung in Horsts Mienenspiel erleben. So also sah einer aus, dem gerade eben die Gesichtszüge entgleisten!
»Ja, schon, Herr Steiner! Nein, natürlich nicht, Herr Steiner! Ich denke nicht daran, selbstverständlich weiß ich, dass das nicht unser Gebiet ist! Nein, klar habe ich verstanden. Nein, ich ermittle nicht auf eigenes Risiko. Und mein Kollege«, erstaunt sah er Protnik an, »nein, mein Kollege auch nicht! Wir haben ja auch beide Urlaub, da ist schon deshalb gar nicht dran zu denken … ja, doch, alles klar, geht in Ordnung! Danke, ja! Hallo … aufgelegt, der hat schon aufgelegt!« Wütend drückte er auf den roten Knopf und feuerte das Handy in die Ecke. »Wiederhören!«
Verwundert betrachtete Protnik das merkwürdige Schauspiel. »Was um alles in der Welt ist denn in dich gefahren? Und wer war das denn überhaupt?«
Horst schnaubte wütend. »Das errätst du in hundert Jahren nicht, wer da gerade angerufen hat!«
»Ja, wie denn auch? Ich bin schließlich kein Hellseher!« Missmutig musterte Protnik sein Gegenüber. »Also Rätsel haben wir auch so genug, da brauche ich nicht noch zusätzlich eines an der Backe!«
Beschwichtigend hob Horst die Hand. »Hast ja recht! Aber trotzdem: Das ist jetzt wirklich der Gipfel! Weißt du, wer das war?«
»Nein!!! Weiß ich nicht!!!«
»Das war der Steiner! Der Steiner höchstpersönlich!« Horst schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die vor ihnen stehenden Gläser hüpften und die Weinflasche für einen Augenblick bedenklich wackelte.
Protnik glotzte ihn verständnislos an. »Steiner … welcher Steiner denn?«
»Na, mein Chef natürlich. Und zwar der Oberboss! Der Steiner von der Polizeidirektion Heilbronn, der Oberrat! Persönlich!«
Jetzt war es Protnik, der seinerseits mit einem Fausthieb auf den Tisch die Gläser tanzen ließ: »Das gibt’s doch nicht! Sag bloß, der weiß schon alles …«
Horst nickte: »Na ja, was auch immer ›alles‹ ist! Aber