Das Leben ist ein Abenteuer. Hans-Peter Vogt

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Das Leben ist ein Abenteuer - Hans-Peter Vogt

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kam um halbzwölf wieder. „Ich hab’s“, sagte sie nur. „Jetzt können wir Nils wecken.“ Sie ging hinüber, setzte sich neben Nils, nahm seine Hand und fing an zu summen. Nach drei Minuten schlug Nils die Augen auf. Er starrte einen Moment an die Decke, dann sah er zu seiner Schwester. „Is’ Zeit? Dann mal los. Wir haben heute eine Aufgabe.“

      Sie wurden abgeholt. Eine schwarze unauffällige Limousine mit starkem Motor und aufgemotztem Fahrgestell. Eine Granate von Auto. Äußerlich sah man das dem Auto nicht an.

      „Wo sind sie jetzt?“ fragte Dennis den Fahrer. „Sie haben grade die Grenze überschritten. Hat ein bisschen gedauert, weil sie unterwegs eine Reifenpanne hatten.“ Dennis nickte. Gut, dann haben wir genügend Zeit. Er sah auf seine Uhr. Kurz vor zwölf.

      Sie fuhren hinüber nach Brandenburg. Sie benutzten Landstraßen, der Fahrer fuhr ruhig und sicher. Er hatte das schon oft gemacht. Bloss nichts riskieren. Nicht bei einem solchen Auftrag. Er würde Dennis und seine Kinder irgendwo rauslassen, dann würde er weiterfahren, einen Bogen drehen und nach Berlin zurückkehren. Dennis würde wissen, wie er nach Hause kommt. Dennis wusste immer, wie er zurückkommt.

      Er ließ Dennis an einer dunklen Kreuzung raus und zeigte in die Richtung. Etwa eine halbe Stunde in diese Richtung. Dennis nickte. Er hatte den Weg schon ein paar mal gemacht, auch nachts. Er wusste, dass es Wachen mit MP und scharfe Hunde gab. Fledermäusen tun die Hunde nichts.

      An einer getarnten Stelle zogen sich Dennis und seine Kinder aus. Sie versteckten die Kleidung unter den Büschen, verwandelten sich in Fledermäuse und schwirrten los. Die Signale der Fledermäuse sind im Dunkeln unnachahmlich. Sie „sahen“ jeden Baum, jeden Strauch, jeden Wachmann und jeden dieser gefährlichen Kampfhunde, die von den Russen benutzt wurden. Dann hängten sie sich unter den Giebel des Bauernhofes, der umfriedet mitten in Feldern lag, die nicht mehr bewirtschaftet wurden.

      Das war Russengebiet. Es wurde weiträumig bewacht.

      Eine Stunde später sahen sie in der Ferne Lichtkegel. Dann hielten sie an und fuhren nach einer Weile wieder weiter. Unter Nils klingelte ein Handy.

      „OK“, sagte einer der Russen, „sie kommen.“ Die Tür ging auf, der Lichtschein fiel kurz nach draussen. Zwanzig Gestalten kamen raus, bewaffnet mit MP’s. Sie verteilten sich im Gelände.

      Dann war es still. Nicht einmal das Glimmen einer Zigarette war zu sehen. Das waren wirklich Profis.

      Das Gelände war weitläufig durch einen Zaun abgegrenzt. Das Tor wurde jetzt geöffnet und der LKW rollte hinein. Es war ein großer LKW. Der 40-Tonner bremste vor dem Haus, dann ging überall das Flutlicht an.

      Nils hörte, dass Dennis und Théra leise summten. Nur er hörte das. Sie wollten die Sprache verstehen. Er war der einzige, der russisch verstand. Papa und Théra mussten ihre Kräfte dafür einsetzen.

      Die Fahrer stiegen aus und hoben die Hände. Von zwei Seiten kamen jetzt bewaffnete Männer, je einer untersuchte die Fahrer nach Waffen, dann warf er die Pistolen in das Dunkel außerhalb des Lichtscheins.

      Sie befahlen den Fahren, den Schlüssel rauszurücken und sich auf den Boden zu legen. Nur einer der Bewaffneten blieb im Focus der Lampen, die anderen verschwanden wieder ins Dunkel. Wenn etwas mit der Ladung nicht stimmte, würden sie sofort anfangen zu schießen. Dennis und Nils hatten das schon einmal erlebt. Damals hatten die Russen 40 Leute umgenietet. Die Leichen waren nie gefunden worden.

      Diesmal ging alles glatt. Der Russe öffnete die Flügeltüren. Darin standen Paletten mit Kartons und einer der Russen kam jetzt mit einem Hubwagen angefahren. Er hob eine der Paletten nach der anderen heraus und stapelte sie im Hof. Dahinter kam noch eine Ladung Paletten zum Vorschein, und er hob auch davon einen Teil heraus. Diese Kartons schienen leer zu sein. Sie waren nur mit Bändern verschnürt, wie echt.

      Einer der Männer kam aus dem Dunkel und rief in russisch hinein. „Ihr könnt jetzt rauskommen. Hände über den Kopf. Ihr springt einzeln raus und macht zehn Schritte vorwärts. Dann bleibt ihr stehen. Dawai, dawai,“ bekräftigte er.

      Er selbst trat zurück, die MP im Anschlag.

      Nun traten die Mädchen einzeln an die Laderampe. Sie blinzelten in das gleisende Licht, dann sprangen sie herunter und nahmen die Hände über den Kopf.

      Nils war verblüfft. Irgendwie schienen die Russen heute besonders schlecht gelaunt zu sein, und er war zugleich traurig. Die armen Mädchen. Sie wurden unter irgendeinem Vorwand hierher gelockt, aber das war Frischfleisch für den boomenden Nuttenmarkt in Berlin und anderswo.

      Es waren junge Mädchen. Sie waren schlecht gekleidet. Offenbar hatte es in den LKW nicht einmal eine Toilette gegeben. Es stank. Sie sprangen einzeln heraus und sie zitterten vor Angst, Müdigkeit und Hunger. Einige konnten sich kaum auf den Beinen halten. Welch ein Jammer.

      Der LKW war wirklich voll. Zum Schluss standen vielleicht hundertzwanzig Mädchen im Scheinwerferlicht, die Hände immer noch über den Köpfen. Es waren Mädchen dabei, die mochten gerade mal 12 sein.

      Der Russe trat nun an den LKW, leuchtete mit einer Stablampe hinein und stöhnte. „Was für ein Dreck.“ Er winkte vier seiner Freunde herbei und sie spielten „Hammelsprung“. Sie stellten sich gegenüber auf und winkten die Mädchen herbei. Zwei tasteten die Mädchen ab. Gesicht, Zähne, Brüste, Hüften, Beine. Dann reichten sie die Mädchen zum zählen weiter. Es bildeten sich zwei Haufen. Ein großer und ein kleiner.

      Dann kam einer der anderen Russen ins Licht und befahl den Fahrern aufzustehen. Er nahm sie mit zu dem kleineren Haufen, und befühlte die Mädchen alle noch einmal. Einem der Mädchen leuchtete er ins Gesicht. „Wasń das. Pjotr. Komm doch mal her. Er gab ihm die Taschenlampe. „Ins Gesicht“, befahl er. Er fasste dem Mädchen unters Kinn und bewegte das Gesicht hin und her. „Pickel“, meinte er. „Hast du noch woanders Pickel? Arme, Po, Beine?” Er sah, wie das Mädchen den Kopf schüttelte. „Ma’ aufmachen.“ Er zeigte auf den Reißverschluß der Jacke, und als das Mädchen nicht schnell genug reagierte, griff er ihr in die Haare und riß den Kopf hin und her. Das war schmerzhaft und das Mädchen schrie gequält. „Arme hoch“, befahl er. Dann griff er dem Mädchen links und rechts an die Brüste, zog mit einem schnellen Griff den Reißverschluß auf, fasste in die Bluse und riß sie auf, so dass zwei Knöpfe wegsprangen. Das Mädchen zuckte, aber es traute sich vor Angst nicht, was zu sagen. Er griff in die geöffnete Bluse, holte die Brüste raus wie zwei Würste, und befahl, „mehr Licht.“ Dann ließ er die Hände hinunter wandern. „Umdrehen“. Er drückte sich von hinten an das Mädchen, schlang die Hände um die Taille, ließ sie an den Hüften hinunter fahren, befühlte die Oberschenkel und griff ihr in den Schritt. „Wie heißt du?“ „Jasmin“, flüsterte das Mädchen. „Lauter.“ „Jasmin“, wiederholte das Mädchen und der Russe machte zwei Stoßbewegungen von hinten mit der Hüfte. Dann drehte er sie mit einem schnellen Griff um und drückte sich von vorne an sie. Er presste sie an sich, dann griff er ihr in die Haare, ging einen halben Schritt zurück und stieß sie zu dem großen Haufen. Sie stolperte und fiel, aber das schien den Russen nicht mehr zu interessieren.

      Er prüfte den kleinen Haufen noch einmal. Vier der Mädchen schickte er zu den anderen, die anderen ließ er stehen. „Was sollen wir mit denen machen“, fragte er, „sie erfüllen nicht die Norm.“ Die Fahrer zuckten die Schultern. Sie waren bloss die Fahrer. Sie standen in der Hierarchie immerhin so hoch, dass sie berechtigt waren, das Geld entgegenzunehmen, aber sie waren bloss die Fahrer.

      Der Russe

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