Klausurenkurs im Bürgerlichen Recht II. Ulrich Falk
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Zu diskutieren bleibt das Ausmaß des Mitverschuldens. Die genaue Festlegung der Mitverschuldensquote bereitet nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Jedenfalls dürfte diese keinesfalls 50% unterschreiten, ohne weiteres wären Quoten von 75%, 80% womöglich gar 90% denkbar. Ein Ausschluss der Haftung aufgrund des Mitverschuldens (Mitverschulden von 100%) erscheint hingegen nicht unbedenklich.
Hinweis für die Fallbearbeitung:
Für Studierende ist es meist schwierig, eine genaue Mitverschuldensquote anzugeben. Wichtig ist, dass bei Festlegung der Quote möglichst alle Gesichtspunkte argumentativ dargelegt werden. Dann kann ein Korrektor nachvollziehen, welche Erwägungen dazu veranlasst haben, eine bestimmte Quote auszuwählen. Von vielen Prüfern im 1. Examen wird aber nicht einmal erwartet, dass die Bearbeiter eine bestimmte Quote beziffern.
f) Inhalt des Schadensersatzanspruchs
Ein Schadensersatzanspruch setzt zunächst einen Schaden voraus, der sich im Ausgangspunkt nach der Differenzhypothese i. S. v. § 249 BGB bemisst. Man vergleicht die Vermögenslage des A nach dem schädigenden Ereignis mit dem hypothetischen Vermögen, das ohne das schädigende Ereignis bestünde.[37]
aa) Heilbehandlungskosten und Geldrente
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Gemäß § 249 II 1 BGB kann A die Kosten für die Heilbehandlung von F erstattet verlangen. Außerdem ist an eine Geldrente nach § 843 BGB zu denken. A trägt bleibende, schwerwiegende Schäden davon. Sollten sie ihn daran hindern, sein Studium wie geplant zu beenden oder verursachen sie vermehrte Bedürfnisse, so ist eine Geldrente zu gewähren.
bb) Schmerzensgeld
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Ferner könnte A ein Schmerzensgeld zustehen nach § 253 II BGB, der eine Ausnahme von dem Grundsatz statuiert, dass Nichtvermögensschäden nicht ersatzfähig sind. Es soll ein Ausgleich geschaffen werden für die nachteiligen Folgen in Bezug auf die körperliche und seelische Verfassung, die Schmerzen, die Bedrückung infolge körperlicher Entstellungen und eine Schmälerung der Lebensfreude.[38]
Die Höhe des Anspruchs wird vom Richter nach freiem Ermessen festgelegt (§ 287 ZPO).[39] Bemessungsgrundlagen sind vor allem das Ausmaß der Störung, Alter, persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Verletzten und des Schädigers. Bei den Verletzungen des A erscheint, wenn man die neuen Tendenzen der Rechtsprechung zur Erhöhung der Schmerzensgeldsummen zugrunde legt, eine Summe bis zu einer halben Million Euro vorstellbar. Allerdings fließt das Mitverschulden als ein Bewertungsfaktor in die Bemessung ein, was eine massive Reduzierung bewirken muss.
cc) Aufwendungen und Verdienstausfall der Mutter
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Fraglich ist, wie die Fahrt- und Übernachtungskosten der Mutter des A zu beurteilen sind. Es handelt sich dabei strenggenommen um einen Schaden der Mutter. Diese ist jedoch nur mittelbar Geschädigte, weshalb ihr nach der Konzeption des BGB grundsätzlich keine Ersatzansprüche zustehen. Das Verhalten des F führte zu einer Rechtsgutsverletzung des A, aber nicht der Mutter. Diese hat lediglich einen Vermögensschaden, den sie aber gegenüber F mangels einer eigenen Anspruchsgrundlage nicht geltend machen kann. Von dem Grundsatz, dass mittelbar Geschädigte keine Ansprüche haben, gibt es nur wenige Ausnahmen: vor allem §§ 844, 845 BGB, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und Drittschadensliquidation. Auch letztere führt im vorliegenden Fall nicht zu einer sachgerechten Lösung, da es an einer zufälligen Schadensverlagerung mangelt, die für eine Drittschadensliquidation charakteristisch ist.
Vgl. zu deliktischen Ansprüchen Dritter vor allem den Fall 11 „Altenteil“.
Die Rechtsprechung umgeht dieses Problem, indem sie die Fahrt- und Übernachtungskosten von nahen Angehörigen für Krankenhausbesuche als Schaden des Verletzten ansieht. Sie zählen zu den erforderlichen Kosten der Heilbehandlung, auch wenn die Angehörigen keinen Ersatz von dem Verletzten fordern. Als Heilungskosten gelten nämlich alle Kosten, die zur Behebung bzw. Linderung des Leidens erforderlich sind.[40] Durch die Anerkennung eines sogenannten normativen Schadens des Verletzten wird verhindert, dass die heilungsfördernden Besuche der Familienangehörigen den Schädiger unverdientermaßen entlasten.
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Treu und Glauben gebieten es, dass die Kosten möglichst gering gehalten werden. Das ergibt sich auch aus der Pflicht zur Schadensminderung gem. § 254 II BGB, die letztlich eine Ausgestaltung von § 242 BGB ist. Die Mutter des A wählte die Übernachtung in einer preiswerten Pension, was nicht zu beanstanden ist. Problematisch ist die lange Dauer ihres Aufenthalts. Tägliche Besuche sind nur in Ausnahmefällen ersatzfähig. Entscheidend sind dabei die Höhe der Kosten und die Schwere der Verletzungen.[41] Wegen der überaus schweren, auch psychisch extrem belastenden Verletzungen des A erscheint es jedoch fast zwingend geboten, die Notwendigkeit der mütterlichen Betreuung auch über den Zeitraum von drei Monaten zu bejahen. Für diesen Zeitraum hat der Schädiger auch den Verdienstausfall des Angehörigen aufgrund der Besuche zu ersetzen.[42] Die Gesamtkosten der M sind demnach erstattungsfähig.
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Ergänzender Hinweis:
Bzgl. der Kosten für die Besuche naher Angehöriger wäre auch eine andere Anspruchskonstruktion denkbar. Man kann die der Mutter entstandenen Kosten als Aufwendungen im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag begreifen.[43] Dabei wäre zunächst zu fragen, ob es sich um eine GoA für den Schädiger oder für den Geschädigten handelt. Das Interesse des Schädigers am Heilungserfolg des Geschädigten ist aufgrund seiner gesetzlichen Schadensersatzpflichten unbestreitbar (Naturalrestitution). Aber auch ein Interesse des Geschädigten lässt sich ohne große Mühe begründen.
Problematisch könnte der Fremdgeschäftsführungswille der Mutter des A sein.[44] Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei einer Heilungsförderung zugunsten eines Geschädigten um ein objektiv fremdes Geschäft.[45] Der Fremdgeschäftsführungswille wird deshalb vermutet. Selbst wenn man stattdessen von einem auch-fremden Geschäft ausginge, würde die Rechtsprechung diese Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens annehmen.[46]
Vgl. zu der Kritik an der Rechtsprechung zum auch-fremden Geschäft aber Fall 7 „Erbensucher“.
Im Falle der Annahme einer GoA für den Schädiger ergäbe sich sodann ein Erstattungsanspruch der Mutter für im Rahmen der Verhältnismäßigkeit liegende Auslagen nach §§ 677, 683 BGB. Dieser Anspruch steht dem Angehörigen persönlich – nicht dem Geschädigten zu. Nimmt man hingegen eine GoA für den Geschädigten an, so wäre dieser seiner Mutter nach §§ 677, 683 BGB ausgleichspflichtig. Diese Belastung mit einem Anspruch wäre ihm im Rahmen des Schadensersatzes als adäquat-kausale Folge der Schädigung vom Schädiger zu ersetzen; zu prüfen wäre dies dann im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität.
2. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. § 229 StGB
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Der Straftatbestand der fahrlässigen Körperverletzung (§ 229