BGB-Schuldrecht Besonderer Teil. Volker Emmerich
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Teil I Veräußerungsverträge › § 3 Haftung des Verkäufers bei Verletzung der Pflichten aus § 433 Abs. 1 S. 1 › IV. Gefahrübergang
1. Begriff
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In dem Glastransport-Fall 3 ist das Glas bei dem Käufer K zerstört worden, bevor V voll erfüllt hatte (Eigentumsvorbehalt!). Dadurch ist dem V die Erfüllung, ohne dass er dies zu vertreten hätte, nachträglich unmöglich geworden, da sich der Vertrag spätestens mit der Abnahme des Glases durch K auf diesen Posten beschränkt hatte (§ 243 Abs. 2). Folglich ist V frei geworden (§ 275 Abs. 1). Die Folge müsste an sich sein, dass der Käufer K den Kaufpreis nunmehr ebenfalls nicht mehr zu bezahlen bräuchte (§ 326 Abs. 1). Denn er erhält nicht, worauf er – eigentlich – nach § 433 Abs. 1 S. 1 Anspruch hat (do ut des).
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Diese Verteilung der Preisgefahr erscheint indessen bei einem Kaufvertrag über bewegliche Sachen dann als unbillig, wenn die Unmöglichkeit erst eingetreten ist, nachdem der Käufer bereits den Besitz der Sache erlangt hatte, weil er von diesem Augenblick ab die „Verantwortung“ für das Schicksal der Sache trägt. Deshalb enthält § 446 S. 1 für den genannten Fall eine Ausnahme von § 326 durch die Bestimmung, dass mit der Übergabe der verkauften Sache auch schon vor voller Erfüllung des Verkäufers die Gefahr des zufälligen Unterganges und einer zufälligen Verschlechterung auf den Käufer übergeht. Zum Verständnis dieser Regelung ist es notwendig, sich folgendes zu vergegenwärtigen[3]:
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Bei gegenseitigen Verträgen muss man zwischen der Leistungs- und der Gegenleistungs- oder Preisgefahr unterscheiden: Bei der Leistungsgefahr geht es um die Frage, was geschehen soll, wenn einer Partei (hier dem Verkäufer V) die Erfüllung ihrer (Sachleistungs-)Pflicht zufällig unmöglich wird[4]. Diese Frage beantwortet grundsätzlich § 275 Abs. 1 dahin, dass die betreffende Partei, der Sachleistungsschuldner, beim Kauf also der Verkäufer, frei wird. Folglich ist es im Regelfall der (Sachleistungs-)Gläubiger (hier der Käufer K), der die Leistungsgefahr trägt; denn er verliert bei zufälliger Unmöglichkeit der Lieferung der verkauften Sache seinen Anspruch auf die (nicht mehr mögliche) Leistung des Verkäufers V.
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Die Gegenleistungs- oder Preisgefahr betrifft dagegen die Frage, was in diesem Fall, d. h. bei zufälliger Unmöglichkeit oder Verschlechterung der Sachleistung (o. Rn 13), aus der Verpflichtung des Sachleistungsgläubigers, des Käufers K, zur Erbringung der Gegenleistung wird. Für den Regelfall beantwortet diese Frage § 326 Abs. 1, nach dem der Sachleistungsgläubiger (der Käufer) dann gleichfalls frei wird, sodass es grundsätzlich der (Sachleistungs-)Schuldner, in unserem Fall also der Verkäufer V ist, der die Preisgefahr tragen muss. Denn ihn trifft nach dem Gesagten das Risiko, bei nachträglicher zufälliger Unmöglichkeit oder Verschlechterung der Leistung den Anspruch auf die Gegenleistung ganz oder teilweise einzubüßen.
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Das gilt indessen nur im Regelfall, da sich innerhalb und außerhalb des BGB verschiedene Ausnahmen von der geschilderten Verteilung der Preisgefahr finden (o. Rn 14), die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Käufer (doch) „zahlen“ muss, obwohl er nach § 275 den Anspruch auf die dem Verkäufer unmöglich gewordene Leistung verloren hat. Die wichtigsten Fälle finden sich in § 326 Abs. 2 sowie eben in den §§ 446, 447 und § 475 Abs. 2 (vgl außerdem noch § 2380 BGB und § 56 S. 1 ZVG). Folglich ist es in diesen Fällen im Ergebnis der Käufer (und nicht wie im Regelfall der Verkäufer, s. o. Rn 14), der die Preisgefahr trägt, weil der Käufer hier zur Erbringung der von ihm geschuldeten Gegenleistung verpflichtet bleibt, obwohl er die Leistung des anderen Teils, des Verkäufers, infolge deren Unmöglichkeit nicht mehr verlangen kann (§ 275 Abs. 1).
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Bei der Anwendung der genannten Vorschriften muss man beachten, dass die Frage der Preisgefahr nur in der Zeitpanne auftauchen kann, während derer der Sachleistungsschuldner (der Verkäufer) zur Leistung verpflichtet ist und ihm infolgedessen die Erfüllung seiner Leistungspflicht (noch) unmöglich werden kann. Der früheste Zeitpunkt, zu dem dies geschehen kann, ist aus diesem Grund der des Vertragsabschlusses, da der Schuldner vorher nichts schuldet, während der späteste dafür in Betracht kommende Zeitpunkt der der vollständigen Erfüllung der Leistungspflicht durch den Schuldner ist. Das folgt einfach aus dem Umstand, dass seine Verpflichtung durch die Erfüllung erlischt (§ 362), sodass ihm ihre Erfüllung fortan auch nicht mehr unmöglich werden kann (sog Erfüllungszeitraum). Danach berührt ihn das Schicksal der Kaufsache nicht mehr, sondern geht allein den Käufer als den neuen Eigentümer der Sache etwas an: casum sentit dominus.
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In den §§ 446, 447 und 475 Abs. 2 geht es mithin allein um die Frage, ob der Käufer bei zufälligem Untergang oder zufälliger Verschlechterung der Kaufsache während des Erfüllungszeitraums, d. h. nach Vertragsabschluss und vor voller Erfüllung seitens des Verkäufers (o. Rn 16), (ebenfalls) frei wird oder (trotz Unmöglichkeit oder Verschlechterung der Verkäuferleistung) zur Bezahlung des (vollen) Kaufpreises verpflichtet bleibt. Gemäß § 326 Abs. 1 müsste an sich der Verkäufer während des ganzen Erfüllungszeitraums die Preisgefahr tragen, sodass der Käufer in jedem Fall der Unmöglichkeit der Leistung vor voller Erfüllung seitens des Verkäufers frei würde. Da dies jedoch unbillig ist, sobald der Käufer durch Übergabe zum „Herrn“ der Kaufsache geworden ist, hat das Gesetz in § 446 S. 1 dem Käufer einer Sache die Preisgefahr schon vom Augenblick der Übergabe ab (und eben nicht erst ab voller Erfüllung durch den Verkäufer) auferlegt. Eine weitere Vorverlegung des Zeitpunktes des Gefahrübergangs findet sich für den Versendungskauf in § 447 und in § 475 Abs. 2 (dazu u. Rn 21 ff).
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