BGB-Schuldrecht Besonderer Teil. Volker Emmerich
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Ebenso wie nach früherem Recht muss man zunächst die Zeit vor und nach Gefahrübergang (§§ 446 und 447) unterscheiden (s. dazu im Einzelnen schon o. § 3 Rn 7 ff). Vor Gefahrübergang gelten die allgemeinen Regeln über Leistungsstörungen (§§ 275, 280–284 und 323–326) auch bei Sachmängeln ohne Einschränkungen. Für die Anwendung der besonderen kaufrechtlichen Vorschriften über die Haftung des Verkäufers bei Sachmängeln ist erst Raum nach Gefahrübergang (s. § 434 Abs. 1 S. 1). Welche Rechte dem Käufer dann zustehen, richtet sich in erster Linie nach den §§ 437 ff. Der vorrangige Rechtsbehelf des Käufers bei Lieferung einer mangelhaften Sache ist danach sein Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 437 Nr 1 und 439; s. im Einzelnen u § 5 Rn 1 ff).
Teil I Veräußerungsverträge › § 4 Mängelhaftung › II. Sachmangel
1. Überblick
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Ein Sachmangel liegt nach S. 1 des § 434 Abs. 1 in erster Linie vor, wenn die verkaufte Sache bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat (u. Rn 13 ff). Der Maßstab für die Mangelfreiheit der Sache ist folglich entsprechend § 311 Abs. 1 vorrangig den Vereinbarungen der Parteien zu entnehmen. Nur wenn es an derartigen Vereinbarungen fehlt, ist auf die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr 1; u. Rn 21) und hilfsweise auf die gewöhnliche Verwendung der Sache als Maßstab zurückzugreifen (Nr 2 aaO; s. u. Rn 22 ff), wobei es in dem zuletzt genannten Fall noch zusätzlich darauf ankommt, ob die Sache eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Weitere Fälle der Sachmängelhaftung finden sich ergänzend in den Abs. 2 und 3 des § 434 (u. Rn 25 ff).
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Ob eine Sache mangelhaft ist, kann man nur beurteilen, wenn man einen Maßstab hat. Diesen kann man entweder den Abreden der Parteien entnehmen (§ 311 Abs. 1) oder als den Parteien vorgegeben ansehen. Folgerichtig unterscheidet man bei Kauf, Miete und Werkvertrag einen subjektiven und einen objektiven Fehlerbegriff. Der objektive Fehlerbegriff, der früher (nur) beim Kauf durchaus herrschend war[4], griff als Maßstab für die Mangelhaftigkeit einer Sache in erster Linie, soweit vorhanden, auf gesetzliche Regelungen und sonst auf die im Verkehr vorherrschenden Anschauungen über die gebotene Qualität einer Sache zurück (s. jetzt § 434 Abs. 1 S. 2 Nr 2).
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Nach dem subjektiven Fehlerbegriff, der sich im Kaufrecht zu § 459 aF bereits seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durchgesetzt hatte,[5] ist der Maßstab zur Bestimmung des Fehlers vorrangig den Abreden der Parteien und nicht irgendwelchen wie immer ermittelten objektiven Kriterien zu entnehmen (§ 311 Abs. 1). Weist die gelieferte Sache andere Eigenschaften als danach geschuldet auf, so ist sie mangelhaft. Als Fehler oder Mangel gilt deshalb nach dem subjektiven Fehlerbegriff grundsätzlich jede negative Abweichung der Ist-Beschaffenheit der Sache von der vereinbarten (Soll-)Beschaffenheit.
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Wie § 434 Abs. 1 S. 1 zeigt, geht auch das geltende Recht von dem subjektiven Fehlerbegriff aus – mit der Folge, dass sich der „neue“ Begriff des Sachmangels in § 434 Abs. 1 S. 1 jedenfalls im Kern mit dem früheren Fehlerbegriff des § 459 Abs. 1 aF deckt. Soweit schon nach § 459 Abs. 1 aF ein Fehler angenommen wurde, gilt mit anderen Worten heute nach dem (tendenziell weiteren) § 434 Abs. 1 S. 1 dasselbe, sodass die frühere Praxis zu § 459 Abs. 1 aF insoweit ihre Bedeutung behält[6].
2. Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 1)
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Nach S. 1 des § 434 Abs. 1 liegt ein Sachmangel zunächst vor, wenn die Sache bei Gefahrübergang nicht die „vereinbarte Beschaffenheit“ aufweist (subjektiver Fehlerbegriff, s. o. Rn 8). Jede (ausdrückliche oder konkludente) Einigung der Parteien über die geschuldete Beschaffenheit der Kaufsache führt folglich zur Anwendbarkeit des S. 1 des § 434 Abs. 1, wenn die tatsächliche Beschaffenheit hinter der vereinbarten zurückbleibt.
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Der Begriff der Beschaffenheit in § 434 ist neu, seine Auslegung daher umstritten, nicht zuletzt deshalb, weil von der engen oder weiten Definition des Begriffs der Beschaffenheit die Reichweite der Sachmängelhaftung des Verkäufers, insbesondere in Abgrenzung zu dessen Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo, cic), abhängt.[7] Im Wesentlichen lassen sich drei verschiedene Auffassungen über das Verständnis des Begriffs der Beschaffenheit in § 434 Abs. 1 S. 1 unterscheiden: Man kann dem Begriff der Beschaffenheit zunächst (im Anschluss an die Rechtsprechung zu dem früheren § 459 Abs. 1[8]) grundsätzlich auf die physischen Eigenschaften der Kaufsache beschränken.[9] Gegen eine derart restriktive Interpretation des § 434 Abs. 1 S. 1 spricht indessen der Wille der Verfasser des SMG von 2001, zum Schutze des Käufers die Haftung des Verkäufers für Sachmängel insgesamt zu verstärken und deshalb die herkömmliche Unterscheidung zwischen der Sachmängelhaftung und der Haftung für das Fehlen zugesicherter Eigenschaften im Kaufrecht aufzugeben. Aber auch die entgegengesetzte Auffassung, zur vereinbarten Beschaffenheit einer Sache gehöre heute auf dem Boden der Vertragsfreiheit (§ 111 Abs. 1) letztlich alles, worüber sich die Parteien im Einzelfall als vom Verkäufer geschuldet geeinigt haben, verdient als zu weitgehend keine Billigung. Deshalb wird heute überwiegend der Beschaffenheitsbegriff in § 434 Abs. 1 S. 1 über die physische Beschaffenheit der Kaufsache hinaus auf sämtliche Eigenschaften einer Sache im Sinne des früheren § 459 Abs. 2 erstreckt (vgl § 434 Abs. 1 S. 3), so dass dazu auch alle rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse gehören, die aufgrund ihrer Art und Dauer auf die Wertschätzung der Sache von Einfluss sein können, und zwar einschließlich der Beziehungen der Sache zu ihrer Umwelt[10]. Insbesondere die Rechtsprechung hat sich mehrfach dieser Meinung