Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
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Auf der Rechtsfolgenseite führen also alle drei genannten Normen noch nicht zur materiellen Lösung des Falles. Die erste bestimmt die anwendbare Rechtsordnung, die zweite bestimmt die anwendbare Rechtsordnung unter der Prämisse einer sonstigen Kollisionsnorm, während die letzte auch in Verbindung mit einer weiteren deutschen Kollisionsnorm nur einen weiteren Schritt auf dem Weg zur anwendbaren Rechtsordnung vorsieht.
III. Sachnormen
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Sachnormen (oder Sachvorschriften, Art. 3a Abs. 1) sind dagegen Normen des materiellen Rechts, deren Tatbestand einen rechtlich relevanten Sachverhalt beschreibt und deren Rechtsfolge unmittelbar die Rechtslage beeinflusst. Wird aus Sicht des IPR von „materiellem Recht“ gesprochen, so bedeutet dies nicht wie sonst materielles Recht in Abgrenzung zu Prozessrecht oder Formvorschriften. Materielles Recht als Gegenbegriff zu Kollisionsrecht wird synonym für die Gesamtheit aller Sachnormen verstanden, umfasst also neben dem materiellen Zivilrecht auch dessen Formvorschriften sowie die Zivilverfahrensordnungen.
IV. Doppelfunktion
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Ausnahmsweise kann eine Norm sowohl die Funktion einer Kollisionsnorm als auch einer Sachnorm haben. Erfasst eine Norm tatbestandlich einen Fall mit Auslandsbezug, ordnet sie jedoch auf der Rechtsfolgenseite eine bestimmte materielle Rechtsfolge an, so kommt ihr diese Doppelfunktion zu: Einerseits ist sie Kollisionsnorm, denn sie schließt die kollisionsrechtliche Suche nach der anwendbaren Rechtsordnung aus, indem implizit durch die Bestimmung der Rechtsfolge gesagt ist, dass hierüber nicht ein anderes Statut entscheidet. Gleichzeitig ordnet sie als Sachnorm eine materielle Rechtsfolge an. Zu dieser Kategorie gehören häufig materielle Normen für internationale Sachverhalte und materielle Normen des IPR.
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Nach Art. 17 Abs. 2 kann im Inland eine Ehe nur durch ein Gericht geschieden werden; das schließt die Anwendung des Scheidungsstatuts (vor und nach Inkrafttreten der Rom III-VO am 21.6.2012) teilweise aus, wenn es eine Privatscheidung erlaubt,[1] sofern die Scheidung im Inland erfolgt (insoweit Kollisionsnorm) und ordnet zugleich (unabhängig von der Zulässigkeit einer rechtsgeschäftlichen Scheidung nach dem Scheidungsstatut) ein bestimmtes Verfahren (Scheidung durch Gericht) an (insoweit Sachnorm wie § 1564 S. 1 BGB, der aber keine Kollisionsnorm enthält, sondern nur dann gilt, wenn deutsches Recht Scheidungsstatut ist). Hingegen ist § 1944 Abs. 3 BGB eine Sondernorm für Auslandsfälle, die nur Sachnormcharakter hat: § 1944 Abs. 3 setzt die Anwendung deutschen Rechts als Erbstatut voraus, regelt aber materiell die Ausschlagungsfrist abweichend, wenn die genannten Auslandsbezüge bestehen.
Teil II Allgemeine Lehren des IPR › § 2 Kollisionsnorm › B. Typen von Kollisionsnormen
B. Typen von Kollisionsnormen
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Innerhalb der Kollisionsnormen werden zahlreiche Kategorien unterschieden; teilweise erlauben diese Kategorien eine komplementäre Aufteilung der Bestimmungen des IPR und ziehen praktische Folgerungen nach sich. Oft beschreiben sie jedoch nur bestimmte Typen von Regelungsstrukturen, ohne dass sich aus der jeweiligen Einordnung einer Norm Folgerungen ergeben. Dann handelt es sich nur um fachsprachliche Konvention, mittels derer über einen bestimmten Normtyp gesprochen wird, dh die Bedeutung mancher der nachfolgenden vieldiskutierten und -umstrittenen Begriffe erschöpft sich – ohne praktische Relevanz – in der akademischen Erkenntnis, dass es diesen Normtypus gibt.
I. Selbständige und unselbständige Kollisionsnormen
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1. Selbständige Kollisionsnormen bezeichnen in ihrer Rechtsfolge die Rechtsordnung, welche auf den im Tatbestand beschriebenen Sachverhalt anwendbar ist. Sie gehören immer zum Besonderen Teil des IPR (ua Art. 7 ff).
Art. 10 Abs. 1 erklärt als Rechtsfolge das Recht des Staates, dem die Person angehört, für anwendbar. Tatbestand ist der Name der Person.
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2. Unselbständige Kollisionsnormen bezeichnen hingegen nicht ohne Einschaltung einer weiteren Kollisionsnorm das anwendbare Recht; sie sind Hilfsnormen, welche die Anwendung des Kollisionsrechts ergänzend regeln. Sie stehen häufig im Allgemeinen Teil des IPR, da sie meist ohne Bezug auf bestimmte Systembegriffe den Umgang mit Verweisungen präzisieren.
Art. 4 Abs. 1 S. 1 setzt die Verweisung durch eine andere (selbständige) Kollisionsnorm voraus und legt die Verweisung in dem Sinn aus, dass sie auf das fremde IPR zu beziehen ist. Art. 5 Abs. 1 setzt eine Heimatrechtsverweisung voraus und löst den Konflikt, der entsteht, wenn das Subjekt der Anknüpfung mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt. In beiden Fällen spielt es keine Rolle, ob im konkreten Fall das Namensstatut, das Ehegüterstatut etc zu ermitteln ist.
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3. Unselbständige Kollisionsnormen sind nicht weniger wichtig als selbständige. Da unselbständige Kollisionsnormen immer im Zusammenwirken mit wenigstens einer selbständigen Kollisionsnorm Anwendung finden, hängt natürlich auch das richtige Ergebnis der Anwendung einer selbständigen Kollisionsnorm vom Inhalt anderer Kollisionsnormen ab, ist also nicht eigentlich „selbständig“. Man kann deshalb auch von unmittelbaren Verweisungsnormen und sonstigen Anknüpfungsregeln sprechen.
Ist eine Vertragspartei Österreicher und Deutscher, so gibt die „selbständige“ Kollisionsnorm des Art. 7 Abs. 1 nicht wirklich das auf die Geschäftsfähigkeit anwendbare Recht an; ohne die Anknüpfungsregel des Art. 5 Abs. 1 ist eine Entscheidung zwischen dem deutschen und dem österreichischen Recht nicht möglich.
1. Entstehung
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Die historische Entwicklung, die das IPR im 19. Jahrhundert von der Statutenlehre zum Sitz des Rechtsverhältnisses genommen hat, führte aus theoretischer Sicht zu der Notwendigkeit, dass jeder Staat nicht mehr nur die Geltung eigener Normen, sondern den Schwerpunkt beliebiger Rechtsverhältnisse hätte regeln müssen. Für das Erbstatut lautet zB die Grundstruktur der Verweisungsnorm aus Sicht der Statutenlehre „deutsches Erbrecht gilt, wenn...“; aus Sicht der Savignyʼschen Sitzlehre hingegen „ein Erbfall untersteht dem Recht des Staates....“. Dem damit naheliegenden Schritt zur Universalität der Kollisionsnormen stand im 19. Jahrhundert ein Souveränitätsverständnis entgegen, das Bestimmungen über die Anwendbarkeit einer ausländischen Rechtsordnung zwar nicht als verbotenen Eingriff in fremde Souveränität, wohl aber als unschicklich im Verhältnis zur fremden Souveränität erscheinen ließ.