Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher

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      a) Die Staatsangehörigkeit ist seit Mancini in Kontinentaleuropa das wichtigste Anknüpfungskriterium für das Personalstatut. Dieser Begriff meint Rechtsangelegenheiten, die einen – oder mehrere – Beteiligte persönlich angehen. Die Staatsangehörigkeit wird überwiegend als rechtliche Eigenschaft verstanden, die eine Person einem bestimmten Staat zuordnet und diesem Staat gegenüber zum Träger von Rechten und Pflichten macht. Außerdem gewährt die Staatsangehörigkeit Schutzansprüche des Angehörigen gegen seinen Staat. Für die kollisionsrechtliche Anknüpfung hat diese staatsrechtliche Seite der Staatsangehörigkeit nur geringe Bedeutung.

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      b) Für das IPR steht im Mittelpunkt die Wirkung der Staatsangehörigkeit als Indikator der Zugehörigkeit der Person zu einer Rechtsordnung. Da das Parteiinteresse des Beteiligten in persönlichen Angelegenheiten auf die Anwendung der Rechtsordnung gerichtet ist, in die er sich integriert fühlt, geht es darum, die Verbundenheit eines Menschen mit einer Rechtsordnung zu typisieren. Die Staatsangehörigkeit ist hierzu zwar noch das im deutschen und kontinentaleuropäischen IPR vorwiegende Kriterium, sie ist in dieser Funktion jedoch weder rechtsvergleichend einzigartig noch rechtspolitisch zweifelsfrei.

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      c) Rechtsvergleichend ist feststellbar, dass nahezu alle Staaten des Common Law nicht in der Staatsangehörigkeit, sondern im domicile das maßgebliche Kriterium der Zugehörigkeit zu einer Rechtsordnung sehen. Das domicile (näher Rn 286) ist eine aus körperlicher Anwesenheit und Bleibewillen zusammengesetzte Rechtsfigur, die eine voluntativ-räumliche Beziehung zu einem Staat beschreibt, wenn auch eine erheblich stabilere als der gewöhnliche Aufenthalt oder gar der Wohnsitz. Es scheint daher falsch, das domicile solchen wechselhaften räumlichen Bindungen gleichzustellen; es steht vielmehr der Staatsangehörigkeit im Sinn bewusster Identifikation des Anknüpfungssubjekts mit einem Staat gleich.

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      Andere Staaten (insbesondere in Skandinavien) stellen auch in persönlichen Angelegenheiten teilweise auf das Recht des Vornahmeortes eines Rechtsgeschäfts ab und erlauben daher dem Einzelnen eine flexiblere Anpassung an ein – auch nur kurzfristig gewähltes – Umgebungsrecht, was auch Manipulationen ermöglicht.

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      Berühmtheit erlangten aus unterschiedlichen Gründen bestimmte Ehen, die in den 1960er und 70er Jahren in Schottland und in Dänemark (Tondern) geschlossen wurden. In beiden Rechtsordnungen werden die materiellen Ehevoraussetzungen nach dem Recht des Eheschließungsortes beurteilt, was zB 16-jährigen Deutschen (meist in Gretna Green, Schottland) ohne elterliche Einwilligung die Eheschließung ermöglichte. In Tondern (Dänemark) heirateten zahlreiche Italiener und Spanier, deren aus deutscher Sicht maßgebliches Heimatrecht (Art. 13 Abs. 1 aF) damals die Scheidung nicht anerkannte, geschiedene Partner; der dänische Standesbeamte beurteilte die Frage des Ehehindernisses der Bigamie nach dänischem Recht, das eine – zB in Deutschland ausgesprochene – Scheidung als wirksam anerkennt.

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      Dies hat verschiedene äußere Gründe:

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      aa) Seit das Haager Unterhaltsstatutübereinkommen 1956 und das Minderjährigenschutzabkommen für Eingriffe in das Sorgerecht und für den Kindesunterhalt vom Staatsangehörigkeits- zum Aufenthaltsprinzip gewechselt sind, ist der gewöhnliche Aufenthalt im Bereich der Haager Übereinkommen zunehmend zum primären Anknüpfungskriterium geworden. Zunächst konnte man die Entscheidung für die Anwendung des Aufenthaltsrechts noch als isolierte Reaktion auf die Schutzbedürftigkeit des betroffenen Kindes und damit auf die Eilbedürftigkeit der Entscheidung – ein höchst anerkennenswerter Grund – verstehen. Das Haager Unterhaltsstatutübereinkommen 1973 und ihm folgend, das Haager Unterhaltsprotokoll 2007, die auch für Unterhaltsansprüche Volljähriger gelten, machen aber deutlich, dass sich eine andere Sicht der Schwerpunktbestimmung durchgesetzt hat; das Staatsangehörigkeitsprinzip ist nur noch von nachrangiger Bedeutung (Art. 5 und – mittelbar – Art. 8 HUntStÜbk 1973), wird aber wohl zunehmend als wählbares Recht eine Rolle spielen (Art. 8 Abs. 1 lit. a HUntStProt 2007). Das Haager Kindesschutzübereinkommen verzichtet nun sogar auf eine Art. 3 MSA entsprechende Norm, da die Mitte des 20. Jahrhunderts noch veranlasste Rücksichtnahme auf das vielen Staaten selbstverständliche Staatsangehörigkeitsprinzip im Kindschaftsrecht heute nicht mehr nötig ist.

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      bb) Ein Einfluss gegen das Staatsangehörigkeitsprinzip ergibt sich aus der verfassungskonformen Gestaltung von Kollisionsnormen mit mehreren Anknüpfungssubjekten. Vor allem die eherechtlichen Verweisungsnormen, aber auch das internationale Kindschaftsrecht hängen von den Interessen verschiedener Beteiligter (Ehegatten, Mutter, Vater, Kind) ab; die vormalige Behandlung der Ehefrau als vom Ehemann kollisionsrechtlich abhängiges Nicht-Anknüpfungssubjekt, aber auch die traditionelle Sicht des Kindes als von den Eltern abhängige Person sind nicht mehr vereinbar mit dem Differenzierungsverbot (Art. 3 Abs. 2 GG), der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und einem modernen Familienverständnis (Art. 6 Abs. 1 GG). Wo aber mehrere Personen zum Anknüpfungssubjekt werden, entstehen Fälle, in denen die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium versagt, weil die Beteiligten verschiedene Staatsangehörigkeiten haben können.

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      Deutlich wird der Einfluss der beiden unterschiedlichen Motive, wenn man Art. 14 Abs. 1 Nr 2 mit Art. 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 aF und Art. 19 Abs. 1 idF des KindRG vergleicht. Art. 14 Abs. 1 gibt das Staatsangehörigkeitsprinzip nicht auf und benutzt den gewöhnlichen Aufenthalt nur als hilfsweises Anknüpfungskriterium zur Lösung dieses Problems. Hingegen macht der Übergang in der Anknüpfung der Abstammung von Art. 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 aF (Ehewirkungsstatut der Mutter bzw Heimatrecht eines ehelichen Elternteils bzw Heimatrecht der nichtehelichen Mutter) zu Art. 19 Abs. 1 nF deutlich, dass hier zwei Motive eine Rolle spielen: einmal die Abkehr von der elternorientierten Anknüpfung, die das Kind – im Sinn der jüngeren subjektivierten Sicht des Kindes – zum Anknüpfungssubjekt macht; zum anderen aber auch eine Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip, die neben der Effizienz des Aufenthaltsprinzips für den schnellen Schutz des Kindes (der Richter braucht kein fremdes Recht zu ermitteln) auch die Vermeidung von Verwicklungen bei der Bestimmung der Staatsangehörigkeit (die oft von der gerade erst festzustellenden Abstammung abhängt) im Auge hat.

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