Europarecht. Christiane Eichholz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Europarecht - Christiane Eichholz страница 19
41
Nach der Osterweiterung sollte das Europäische Parlament wieder[68] über siebenhundertzweiunddreißig Sitze verfügen. Bei der Neuverteilung der Sitze im Europäischen Parlament orientierte sich der Vertrag von Nizza an den Bevölkerungszahlen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Deutschland sollte nach der Osterweiterung genau so viele Abgeordnete stellen können wie vorher.[69] In anderen Mitgliedstaaten musste die Anzahl der sie im Europäischen Parlament vertretenen Abgeordneten reduziert werden, damit das Parlament nach Beendigung der Osterweiterungen noch eine arbeitsfähige Größe hat.
2. Die Charta der Grundrechte der EU[70]
42
Der Europäische Rat hatte 1999 beschlossen, dass eine Charta der Grundrechte der EU erarbeitet werden sollte. In der Charta sollten erstmals alle in der EU geltenden Grundrechte zusammengefasst werden. Bislang verwies Art. 6 Abs. 2 EUV a.F.[71] auf die Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskommission (EMRK) des Europarates und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts. Die Charta wurde ursprünglich vom ersten europäischen Konvent unter dem Vorsitz von Prof. Roman Herzog erarbeitet. Sie wurde anschließend von einer Reihe von Organen, unter anderem dem Europäischen Parlament und dem Rat, gebilligt und zur Eröffnung der Regierungskonferenz von Nizza am 7.12.2000 von den Staats- und Regierungschefs feierlich proklamiert. Die Charta sollte zunächst als Bestandteil[72] der gescheiterten Verfassung in Kraft treten. Es wird jetzt auf sie in Art. 6 Abs. 1 EUV Bezug genommen. Danach erkennt die Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte niedergelegt sind. Der Text der Charta der Grundrechte verbindet die klassischen Grundrechte der EMRK mit den Grundfreiheiten gem. den Art. 45–66 AEUV und den Zielbestimmungen wie z.B. der Vielfalt der Kulturen und den Programmsätzen des Gemeinschaftsrechts. Art. 51 der Charta der Grundrechte regelt, dass sie für die EU-Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU und für die Mitgliedstaaten, sofern diese Unionsrecht durchführen, gilt.[73]
3. Die weiteren Vergemeinschaftungen
43
Nach dem Vertrag von Nizza wurde in Art. 29 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich EUV a.F. eine Europäische Stelle für die justizielle Zusammenarbeit (Eurojust) zur engeren Zusammenarbeit der Justizbehörden sowie anderer zuständiger Behörden in den Mitgliedstaaten aufgenommen. Diese justizielle Zusammenarbeit war in dem Art. 31 EUV a.F. geregelt und ist jetzt in den Art. 82, 83 und 85 AEUV zu finden.
1. Teil Die europäische Integration › B. Die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft › VI. Die Reform der Europäischen Gemeinschaft durch die Europäische Verfassung
VI. Die Reform der Europäischen Gemeinschaft durch die Europäische Verfassung
44
Der aus einhundertfünf Mitgliedern[74] bestehende Europäische Konvent nahm einen Verfassungsentwurf im Konsensverfahren am 13.6. und 10.7.2003 an. Auf zwei Regierungskonferenzen wurde der Verfassungstext überarbeitet und schließlich am 29.10.2004 auf einer weiteren Regierungskonferenz von allen Regierungschefs der Mitgliedstaaten unterzeichnet. Die Verfassung sollte am 1.11.2006 in Kraft treten. Gem. Art. 48 Abs. 3 EUV a.F. hätten alle Mitgliedstaaten[75] den Vertrag zur Änderung der Gründungsverträge gem. ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifizieren müssen, damit der Verfassungsvertrag in Kraft treten konnte.
45
Die französische Bevölkerung lehnte in einem Referendum am 29.5.2005 mit 54,8 %, die Niederländer am 1.6.2005 mit 61,54 % den Verfassungsentwurf ab. In anderen EU-Staaten waren Referenden erfolgreich (Spanien, Luxemburg) bzw. wurden abgesagt (Irland, Polen, Dänemark, Großbritannien, Tschechien, Portugal).
46
Nach Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zum Europäischen Verfassungsvertrag wurden von dem CSU-Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Gauweiler und von weiteren Personen Verfassungsbeschwerden beim BVerfG eingereicht. Bundespräsident Köhler lehnte die Unterzeichnung der Ratifizierungsurkunde bis zur BVerfG-Entscheidung ab.
1. Teil Die europäische Integration › B. Die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft › VII. Die Reform der Europäischen Gemeinschaft durch den Vertrag von Lissabon
VII. Die Reform der Europäischen Gemeinschaft durch den Vertrag von Lissabon[76]
47
Der Europäische Rat beschloss am 21./22.6.2007 nach dem Scheitern der Europäischen Verfassung die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften nur zu verändern und sie nicht durch eine Verfassung zu ergänzen.
Bereits am 13.12.2007 unterzeichneten die Staatschefs aller Mitgliedstaaten den Vertrag von Lissabon. Durch ihn wird der EUV[77] a.F. geändert und der EGV durch den neuen Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)[78] ersetzt. Beide Verträge sollten am 1.1.2009 in Kraft treten. Dem musste gem. Art. 48 Abs. 3 EUV a.F.[79] wie schon beim Verfassungsvertrag eine Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften vorausgehen. Nur in Irland war hierfür die Durchführung eines Referendums notwendig. Selbst in Frankreich und den Niederlanden war ein Referendum durch eine notwendige parlamentarische Zustimmung ersetzt worden.
a) Das irische Referendum
48
Am 12.6.2008 wurde in dem irischen Referendum mit 53 % bei einer Wahlbeteiligung von 40 % der Entwurf des Vertrages von Lissabon abgelehnt. Vor einem zweiten irischen Referendum im Herbst 2009 versuchte Irland, den übrigen Mitgliedstaaten weitreichende Zugeständnisse abzuringen. So wurde u.a. der Entwurf des Lissabon-Vertrags dahingehend geändert, dass weiterhin ein Kommissar pro Mitgliedstaat in der Kommission vertreten sein wird. Weitere Zugeständnisse[80] wurden auf dem Gipfel der Regierungschefs am 19.6.2009 beschlossen, um die Zustimmung im zweiten irischen Referendum zu erreichen. Alle Zugeständnisse wurden in den „Erläuterungen“ zum Vertragstext untergebracht, sodass der Vertrag selbst nicht geändert werden musste. Eine Änderung des Vertragstextes hätte der erneuten Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten bedurft. Irland forderte dennoch die Umwandlung der „Erläuterungen“ in ein Protokoll zum Vertrag, wodurch die Zugeständnisse rechtlicher Bestandteil des Lissabon-Vertrags geworden wären. Auch hierfür wäre die Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten erforderlich gewesen. Irland zeigte sich dann aber damit einverstanden, dass das Protokoll an den nächsten von allen Mitgliedstaaten zu ratifizierenden Beitrittsvertrag[81] angehängt wird. Im zweiten irischen Referendum am 2.10.2009 hatten bei einer Wahlbeteiligung von 53,1 % der