Europarecht. Christiane Eichholz
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b) Die deutsche Zustimmung
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Nach der Zustimmung zum Lissabon-Vertrag durch Bundestag und Bundesrat wurden u.a. von dem CSU-Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Gauweiler und der Partei „Die Linke“ Verfassungsbeschwerden beim BVerfG aufgrund einer behaupteten Aushöhlung des Rechte des Bundestages durch eine Übertragung von weiteren Kompetenzen auf die nicht ausreichend demokratisch legitimierte EU eingereicht. Bundespräsident Horst Köhler lehnte im Juni 2008 die Unterzeichnung der Ratifizierungsurkunde bis zur BVerfG-Entscheidung ab.
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Das BVerfG hat am 30.6.2009[82] die Verfassungsbeschwerde gegen das deutsche Zustimmungsgesetz zum Lissabon-Vertrag abgewiesen. In Bezug auf das deutsche Begleitgesetz hat es allerdings festgestellt, dass das deutsche Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der EU[83] insoweit gegen Art. 38 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG verstoße, als in ihm Beteiligungsrechte des deutschen Bundestages und des Bundesrates nicht im ausreichenden Umfang ausgestattet worden seien. Die Ratifikationsurkunde der Bundesrepublik Deutschland zum Lissabon-Vertrag dürfe solange nicht in Rom hinterlegt werden, wie die von Verfassungs wegen erforderliche Ausgestaltung der parlamentarischen Beteiligungsrechte nicht in Kraft getreten sei. Das BVerfG erklärte, dass künftig jedes Mal, wenn nationale Hoheitsrechte nicht aufgrund der begrenzten Einzelermächtigung, sondern aufgrund der dynamischen Kompetenzklausel gem. Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV ohne Ratifizierungsverfahren in den Mitgliedstaaten auf die EU übertragen werden sollten, der Bundestag zuvor gefragt werden müsse. Je nach Bedeutung des Falles könne der Bundestag dann ein entsprechendes Gesetz erlassen oder den deutschen Vertretern in Brüssel Weisungen erteilen. Durch dieses Urteil unterstrich das BVerfG den supranationalen Charakter der EU. Dem Grundsatz der begrenzten Einzelermäßigung wird zentrale Bedeutung beigemessen, da die EU tatsächlich nur tätig werden könne, wenn die Mitgliedstaaten ihr auf jeweils nationaler Ebene in einem demokratisch legitimierten Verfahren entsprechende Befugnisse übertragen haben[84].
c) Die Unterzeichnung in Polen und Tschechien
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In Polen und Tschechien hatten die Parlamente dem Lissabon-Vertrag bereits frühzeitig zugestimmt. Die Staatspräsidenten verweigerten jedoch eine Unterzeichnung bis zu einem erfolgreichen irischem Referendum. Die Ratifizierung erfolgte in Polen am 9.10.2009 kurz nach dem irischen Referendum. Der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus verlangte zunächst, dass die Garantien für Irland vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden müssten. Da die übrigen Mitglieder des Europäischen Rates nicht bereit waren, auf diese Forderung einzugehen, verlangte er – ebenfalls erfolglos – eine Klarstellung, dass durch den Lissabon-Vertrag keine Entschädigungsansprüche vertriebener Sudetendeutscher und Ungarn gegen die tschechische Republik begründet würden. Schließlich unterzeichnete er am 3.11.2009 den Lissabon-Vertrag, der nach Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten zum 1.12.2009 in Kraft treten konnte.
2. Die Neuerungen im Vertragstext von Lissabon[85]
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Hinweis
Die in den folgenden Teilen gewählte Darstellung basiert auf den Änderungen des am 1.12.2009 in Kraft getretenen Lissabon-Vertrages. Es wird daher hier von einer Zusammenfassung der Änderungen abgesehen.[86]
3. Maßnahmen zur Koordinierung und Überwachung der Haushaltsdisziplin in den EURO-Staaten[87]
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Aufgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit von Griechenland Ende 2009, Anfang 2010 war die Stabilität des Euros in Gefahr. Im Mai 2010 wurde gem. Art. 122 AEUV ein 750 Mrd. € umfassender Finanzstabilisierungsmechanismus von den Ratsmitgliedern beschlossen,[88]die den EURO als Zahlungsmittel eingeführt haben. Sofern ein Mitgliedstaat der EURO-Zone nicht mehr in der Lage sein sollte, zu vertretbaren Konditionen am Finanzmarkt Kredite zu erhalten, soll dieser einen Kredit nach den Bedingungen des Finanzstabilisierungsmechanismus beantragen können.[89] Der Finanzstabilisierungsmechanismus wird auch EURO-Rettungsschirm genannt. Der Rettungsschirm setzt sich aus von der Kommission gewährten Krediten der EU, einer Kreditlinie des Internationalen Währungsfonds und Krediten der Mitgliedstaaten[90] zusammen. Die EURO-Staaten haben am 7.6.2010 die sog. European Financial Stability Facility[91] (EFSF) in der Form einer Luxemburgischen AG gegründet. Gesellschafter wurden alle EURO-Staaten. Die EFSF sollte als Provisorium bis zum 30.6.2013 in Kraft bleiben. Jeglicher Hilfe musste ein einstimmiger Beschluss des Direktoriums, also aller Mitgliedstaaten der Euro-Staaten, vorausgehen. Die Kreditbedingungen, zu denen die EFSF die Kredite an die betroffenen Mitgliedstaaten weitergab, wurden von der Europäischen Kommission ausgearbeitet.
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Gegen das Stabilisierungsmechanismusgesetz, durch das die Beteiligung an der EFSF in Deutschland beschlossen worden war, wurden in Deutschland mehrere Klagen vor dem BVerfG erhoben. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden u.a. von dem CSU-Politiker Peter Gauweiler gegen die Umsetzung des Europäischen Rettungsschirms durch das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus am 7.9.2011 zurückgewiesen.[92] Das BVerfG begründete dies damit, dass es die Einschätzung des Gesetzgebers bezüglich der Tragfähigkeit des Bundeshaushalts und des wirtschaftlichen Leistungsvermögens der Bundesrepublik Deutschlands zu respektieren habe. Die Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestages liefe nicht völlig leer. Künftige Rettungspakete bedürften jedoch der Zustimmung des Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags.
Der EFSF folgte ab dem 1.7.2013 der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM).[93] Der ESM ist auf Dauer angelegt. Er ist primärrechtlich in einem neuen Absatz 3 des Art. 136 AEUV verankert.[94]
Art. 122 (2) AEUV sieht die Möglichkeit von finanziellen Hilfen der Union für einzelne Mitgliedstaaten nur vor, wenn diese aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich ihrer Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht sind.
Gem. Art. 123 AEUV ist es der EZB und nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten verboten, den Mitgliedstaaten Kreditfazilitäten zu gewähren oder gar direkt Schuldtitel von diesen zu erwerben. Eine weit verbreitete Ansicht legt diese Regelung dahingehend aus, dass der Erwerb von Schuldtiteln über den Ankauf am Markt zulässig sei.[95]
Gem. Art. 125 (1) AEUV[96] haften weder die EU noch die Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten eines Mitgliedstaates. Teilweise wird zur Rechtfertigung des EFSF sowie des ESM dazu argumentiert, dass Art. 125 (1) AEUV die freiwillige Übernahme von Verbindlichkeiten nicht ausschließen wolle. Außerdem werde die Unterstützung nicht unmittelbar, sondern über die EFSF bzw. später die ESM geleistet.[97]
4. Bankenaufsicht[98]
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Aufgrund der Finanz- und Staatsschuldenkrise in den Jahren 2007 und 2008 wurde vom Europäischen Rat ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken (Single Supervisory Mechanism – SSM) geschaffen. Als Rechtsgrundlage dafür wurde Art. 127 (6) AEUV herangezogen. Danach ist durch einstimmigen Beschluss des Rates nach Anhörung des Europäischen Parlaments die Übertragung „besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen“ an die EZB zulässig. Die Übertragung dieser Aufsichtskompetenz erfolgt auf die EZB durch die VO 1024/2013[99]. Der EZB-Aufsicht