AGB-Recht. Martin Schwab
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![AGB-Recht - Martin Schwab AGB-Recht - Martin Schwab Recht in der Praxis](/cover_pre1014655.jpg)
Diese Theorie des letzten Wortes ist von der Rechtsprechung weitgehend aufgegeben worden (zum jetzigen Lösungsansatz sogleich Rn. 139); und sie stößt in der Tat auf Bedenken: Wer seine AGB letztlich mit Erfolg in den Vertrag einführt, hängt nach ihr von der mehr oder weniger zufälligen Reihenfolge der Vertragserklärungen ab. Damit wird indes keine angemessene Interessenbewertung erzielt. Die Verwendung von AGB dient der Rationalisierung des Geschäftsverkehrs: Der Verwender tritt mit einem vorformulierten Vertragswerk in die Verhandlungen ein, weil er nicht bei jedem einzelnen Geschäftsabschluss jeden einzelnen Punkt neu bedenken und neu aushandeln möchte. Das Interesse, den Geschäftsverkehr zu rationalisieren, besteht nun aber in gleichwertiger Weise auf seiten beider Vertragsparteien. Wenn derjenige, der als letzter seine AGB zur Sprache bringt, sich mit ihnen durchsetzt, wird nur sein Rationalisierungsinteresse berücksichtigt; das des Vertragsgegners bleibt auf der Strecke. § 150 II BGB bietet daher insgesamt für den Fall der Kollision von AGB keinen angemessenen Konfliktlösungsmechanismus an[2].
3. Der richtige Lösungsweg: Grundsätzliche Nichteinbeziehung sämtlicher AGB
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Wenn also beide Seiten ein gleichwertiges Interesse an der Einbeziehung ihrer AGB haben und diese einander widersprechen, kann – in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung[3] – nur eine Lösung zutreffend sein: Weder die AGB der einen noch die der anderen Seite werden Vertragsbestandteil. Rechtsdogmatisch wird dies Ergebnis erreicht durch eine interessengerechte Handhabung des § 154 I BGB[4]: Wenn beide Parteien ihre (einander widersprechenden) AGB einbeziehen wollen und sich gegen fremde AGB mit Hilfe einer Abwehrklausel verwahrt haben, befinden sie sich im offenen Dissens über vertragliche Nebenbestimmungen (accidentialia negotii). Damit ist an sich nach § 154 I BGB der Vertrag nicht geschlossen. Diese Regel gilt aber nur im Zweifel, d.h. dann nicht, wenn beide Parteien durch ihr gesamtes Verhalten ihren Willen erkennen lassen, dass der Vertrag auch ohne Rücksicht auf die AGB zustande kommen soll. Ein solcher Wille kommt namentlich dann zum Ausdruck, wenn die Parteien ungeachtet ihrer Meinungsverschiedenheiten bezüglich der AGB zur Durchführung des Vertrags schreiten.
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In Einzelheiten befindet sich dieser Lösungsansatz noch im Fluss. In Teilen der Rechtsprechung sowie in der Literatur wird er nämlich teilweise selbst für den Fall befürwortet, dass auf einer oder beiden Seiten keine Abwehrklausel in den AGB enthalten sind, sondern sich diese lediglich inhaltlich widersprechen[5]. Dieser Auffassung ist zuzustimmen: Ein offener Dissens über die Einbeziehung von AGB besteht immer schon dann, wenn beide Seiten mit einander widersprechenden AGB aufwarten. Das Interesse beider Parteien, die eigenen AGB durchzusetzen, ist ohne Rücksicht darauf, ob jene AGB eine Abwehrklausel enthalten oder nicht, als gleichwertig anzusehen. Wenn beide Parteien auf ihre AGB hinweisen, kann keine von ihnen damit rechnen, die Gegenpartei werde, wenn sie im weiteren Verhandlungsverlauf nicht widerspreche, ohne weiteres bereit sein, die eigenen AGB hinzunehmen. Daher verbietet sich auch ohne Rücksicht auf eine Abwehrklausel jede Lösung, wonach die Einbeziehung von AGB von der zufälligen Reihenfolge der AGB abhängt. Wer die vertragliche Leistung erbringt, ohne auf eine Klärung der offene Frage zu dringen, wessen AGB nun Vertragsbestandteil werden, bringt damit vielmehr zum Ausdruck, dass ihm die Geltung der eigenen AGB nicht so wichtig sind, er vielmehr statt dessen ohne eine vertragliche Regelung der accidentialia negotii, d.h. zur Not auch auf dem Boden des dispositiven Gesetzesrechts zu kontrahieren und zu leisten bereit ist[6]. Freilich ist darauf hinzuweisen, dass der BGH (entgegen der hier vertretenen Ansicht) bis in die jüngere Zeit eine Abwehrklausel für erforderlich hält, um sich mit Erfolg gegen die AGB der Gegenseite zu verwahren[7].
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Die Unerheblichkeit von Abwehrerklärungen zeigt sich auch in umgekehrter Richtung: Selbst wenn eine Partei sich (neben oder anstelle einer Abwehrklausel in AGB) durch individuelle Erklärung gegen die AGB der Gegenseite verwahrt und auf den eigenen AGB besteht und die Gegenseite hiergegen im weiteren Verlauf keinen Widerspruch erhebt, wird keine der beiden AGB Vertragsbestandteil[8]. Erst recht genügt es entgegen der Ansicht des BGH[9] nicht, wenn eine Partei auf sonstige Weise unmissverständlich klar macht, dass sie nur zu ihren eigenen AGB kontrahieren will; und schon gar nicht reicht eine besonders scharf formulierte Abwehrklausel in AGB hin[10]. Denn alle diese Erklärungen ändern nichts daran, dass das Interesse beider Parteien an der Einbeziehung ihrer AGB gleichwertig ist und keine Partei, selbst wenn sie noch so heftig auf den eigenen AGB besteht, davon ausgehen kann, die Gegenseite werde jene AGB mangels ausdrücklichen Widerspruchs akzeptieren. Vielmehr stehen zwei gleichrangige und gleichwertige Vertragswerke einander gegenüber. Vorrang gewinnt das Klauselwerk einer Partei gegenüber dem der anderen nur dadurch, dass es zur Individualabrede i.S.d. § 305 I 3 BGB erstarkt; dann verdrängt es entgegenstehende AGB nach § 305b BGB. Zur Individualabrede erstarken AGB aber erst dann, wenn der Verwender sie ernsthaft zur Disposition stellt (im Einzelnen oben Teil 1 Rn. 139).
a) Grundsatz
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Anstelle der AGB, deren Einbeziehung nach diesen Grundsätzen gescheitert ist, gilt für den Vertrag das dispositive Gesetzesrecht[11]. Die Parteien müssen also mit demjenigen Interessenausgleich vorlieb nehmen, den ihnen der Gesetzgeber zugedacht hat.
b) Teilkongruenz von AGB
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Tipp
Soweit sich die AGB beider Vertragsparteien nicht widersprechen, gelten sie anstelle des dispositiven Gesetzesrechts.
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Zweifelhaft erscheint freilich, ob die Geltung der AGB insoweit bestehen bleibt, als sie sich decken:
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Beispiel 35
a) | In den AGB des Verkäufers steht: „Zahlungsziel 30 Tage“, in den AGB des Käufers „Zahlungsziel 90 Tage“. |
b) | Der Verkäufer behält sich in seinen AGB das Eigentum bis zur Erfüllung sämtlicher Forderungen aus der laufenden Geschäftsverbindung vor (Kontokorrentvorbehalt); der Käufer akzeptiert in seinen AGB nur einen einfachen Eigentumsvorbehalt. |
c) | In den AGB des Vermieters steht: „Vertragslaufzeit 10 Jahre“, in den AGB des Mieters „Vertragslaufzeit 5 Jahre“. |
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Wenn beide Parteien sich zwar im Grundsatz darüber einig sind, dass es beim dispositiven Recht nicht bewenden soll, aber sich über das Ausmaß der Abweichung nicht einigen können, so gebietet es die Privatautonomie beider Parteien,