Besonderes Verwaltungsrecht. Mathias Schubert
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2. Der Kreisausschuss
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Nicht einheitlich ist die Stellung des Kreisausschusses in den einzelnen Ländern.
In Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind Kreisausschüsse gar nicht vorgesehen; hier können lediglich fakultativ durch die Hauptsatzung beschließende und beratende Ausschüsse gebildet werden. Dies scheint auf den ersten Blick auch für Schleswig-Holstein zu gelten, doch zeigt eine nähere Betrachtung, dass er dort lediglich als „Hauptausschuss“ tituliert wird (vgl § 40b schl.h.KreisO).
In den übrigen Ländern variiert die rechtliche Ausgestaltung der Kreisausschüsse beträchtlich. Einerseits sind sie lediglich Organteil des Kreisorgans Kreistag (Bayern[129] [Art. 26 ff bay. LKrO], Mecklenburg-Vorpommern [§§ 113 ff m.v.KVerf.], Rheinland-Pfalz, Thüringen), andererseits kommt ihnen selbst Organqualität zu (Brandenburg, Hessen, Niedersachsen [§§ 74 ff NKomVG], NRW [§§ 56 ff KrO NRW], Saarland).
Dieser grundlegend unterschiedlichen Ausgangslage entsprechen auch die den Kreisausschüssen zugewiesenen Aufgaben. In Bayern, Rheinland-Pfalz und Thüringen haben sie vornehmlich die Beschlüsse des Kreistages vorzubereiten und stellen damit lediglich eine unselbstständige Hilfseinrichtung dieses Kreisorgans dar. Dagegen eröffnet sich in den übrigen Ländern den Kreisausschüssen ein breites Betätigungsfeld. Neben der auch hier teilweise (Brandenburg, Niedersachsen, NRW, Saarland) vorgesehenen Funktion, die Aufgabenerfüllung des Kreistages vorzubereiten, kommt ihnen – abgesehen von der Eilentscheidungsbefugnis in NRW, im Saarland und in Niedersachsen – zusätzlich noch eine Lückenkompetenz für die Angelegenheiten, die nicht der Entscheidung eines anderen Kreisorgans bedürfen, zu. Vereinzelt (Brandenburg, NRW) obliegt ihnen auch die Planung besonders bedeutsamer Verwaltungsaufgaben im Rahmen der vom Kreistag festgelegten allgemeinen Richtlinien. Ein weites Funktionsspektrum bietet sich den Kreisausschüssen in Hessen, wo sie die gesamte laufende Verwaltung des Kreises nach den vom Kreistag aufgestellten Grundsätzen und im Rahmen der bereitgestellten Mittel besorgen.
In Mecklenburg-Vorpommern besteht die Besonderheit, dass den Kreisausschüssen – obgleich kein Kreisorgan – ein den organschaftlich strukturierten Kreisausschüssen vergleichbarer Kompetenzrahmen zugewiesen ist (vgl § 113 II, III m.v.KVerf).
Den Vorsitz in den Kreisausschüssen führt regelmäßig der Landrat. Details zum Kreisausschuss bei Meyer, in: HKWP3, § 25 Rn 64 ff.
3. Der Landrat
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Ein weiteres Kreisorgan ist der Landrat, der als kommunaler Wahlbeamter hauptberuflich die Kreisverwaltung leitet. In seiner Position kommt die traditionelle Doppelfunktion der Landkreise als Selbstverwaltungskörperschaft und untere staatliche Verwaltungsbehörde besonders anschaulich zum Ausdruck.
Mit Blick auf die Selbstverwaltungsaufgaben obliegt ihm regelmäßig die Repräsentation des Landkreises. Er ist (außer in Hessen, vgl § 45 I 1 hess.LKrO: „Der Kreisausschuss vertritt den Landkreis“) gesetzlicher Vertreter des Kreises und ihm obliegt die Besorgung der Geschäfte der laufenden Verwaltung regelmäßig selbst (in Hessen, vgl § 44 II hess.LKrO). Abgesehen von einigen besonderen Aufgaben – so ergibt sich gemäß Art. 34 I Nr 2 bay.LKrO die Zuständigkeit für solche Angelegenheiten des Landkreises, die im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder geheim zu halten sind (ähnliche Regelungen etwa in Niedersachsen [§ 85 I Nr 5 NKomVG], dem Saarland und Sachsen-Anhalt) – ist er daneben insbesondere berechtigt, Eilentscheidungen zu treffen, wenn eine rechtzeitige Einberufung des zuständigen Kreisorgans nicht möglich ist[130].
Soweit er – im Rahmen der Organleihe (so zB traditionell in Baden-Württemberg und Bayern – s. auch u. Rn 212) – auch als untere staatliche Verwaltungsbehörde fungiert (die LKrO Sachsen und Sachsen-Anhalt vermeiden diesen Begriff), nimmt er zugleich originär staatliche Aufgaben wahr, was zu Zuordnungs- und Haftungsproblemen führen kann[131].
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Unterschiedlich geregelt ist die Wahl des Landrats. Traditionell geschieht dies in Baden-Württemberg (§ 39 V bw.LKrO) noch durch den Kreistag, in den anderen Ländern ist eine Direktwahl (§ 126 I BbgKVerfG; § 80 Abs. 1 NKomVG; Art. 40 bay. GLKrWG) durch die Kreisbürger vorgesehen. Schleswig-Holstein hat die Direktwahl allerdings 2009 schon wieder abgeschafft[132]. Dabei variiert die Amtsperiode zwischen fünf (§ 80 III i.V.m. § 47 II 1 NKomVG) und sieben bis neun Jahren (§ 116 II m.v.KVerf.).
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Im Rahmen der Ernennung ist ein staatlicher Mitwirkungsakt grundsätzlich nicht erforderlich. Teilweise ist eine Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde in der Bewerbungsphase vorgesehen (Baden-Württemberg, Hessen), teilweise darf der Wahl durch die Rechtsaufsichtsbehörde nicht widersprochen worden sein (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern).
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Die Novellierung des Kommunalrechts Mitte der 90er-Jahre in NRW und Niedersachsen hatte auch im Kreisorganisationsrecht parallele Veränderungen zur Gemeindeebene (vgl oben Rn 124) zur Folge. So wurde in beiden Ländern die sog. Doppelspitze abgeschafft und die Aufgaben des bisherigen hauptamtlichen Oberkreisdirektors (OKD) und des ehrenamtlichen Landrats in einer Person, dem hauptamtlichen Landrat als kommunalem Wahlbeamten, zusammengefasst (vgl § 42 KrO NRW).
Teil I Kommunalrecht › § 4 Die innere Gemeindeverfassung › VII. Der kommunale Organstreit
VII. Der kommunale Organstreit[133]
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Allgemein anerkannt ist inzwischen trotz des prinzipiellen Verbots eines verwaltungsinternen In-Sich-Prozesses die Möglichkeit, verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz auch für Streitigkeiten innerhalb einer kommunalen Körperschaft zu erreichen, da die organisatorische Aufgliederung hier gerade auf eine kontrastierende, mehrpolige Willensbildung abzielt. Dieses Ergebnis wäre am Ende des 19. Jahrhunderts wegen der seinerzeit vertretenen sog. Impermeabilitätstheorie, nach welcher der Staat ein für das Recht undurchdringliches (impermeables) Gebilde darstellt, dessen Organe keine Adressaten von Rechtssätzen sein können, noch undenkbar gewesen[134]. Heutzutage ist ein solcher Rechtsstreit wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG nur logisch und stringent[135]. An Stelle der missverständlichen Benennung als „Kommunalverfassungsstreit“ sollte allerdings besser die treffendere Bezeichnung „kommunaler Organstreit“ Verwendung finden. Sie umgreift Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Organen einer kommunalen Körperschaft (sog. Inter-Organ-Streit)
Beispiele:
Widerruf der Betrauung eines Beigeordneten mit der allgemeinen Vertretung des verantwortlichen Hauptverwaltungsbeamten.[136] Klage eines Ratsmitglieds gegen den Hauptverwaltungsbeamten auf Akteneinsicht in die Dienstpostenbewertung der Verwaltungsmitarbeiter[137].
und solche zwischen einem oder mehreren Mitgliedern eines kommunalen Kollegialorgans und diesem selbst (sog. Intra-Organ-Streit).