Verteidigung bei Korruptionsfällen. Klaus Bernsmann
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b) Sonstige Stelle
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Folgt man dem Duktus des Wortlauts des § 11 Abs. 1 Nr. 2c, ist der zweite Ort, an dem eine Person zur „Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ „bestellt“ sein kann, die „sonstige Stelle“.
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Nach den Gesetzesmaterialien[46], die nur dann als „wenig ergiebig“[47] erscheinen, wenn man die „sonstige Stelle“ gleichsam als Flügeltür zur Öffnung des Amtsträgerbegriffs einsetzen will, wird die „sonstige Stelle“ in § 11 Abs. 1 Nr. 2c genannt, um deutlich zu machen, dass neben Behörden auch Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie Behördenteile und „sonstige Stellen“, die zu öffentlichen Aufgaben berufen sind, wie etwa „Vereinigungen, Ausschüsse oder Beiräte, die bei der Ausführung von Gesetzen mitwirken“, unter diesen Begriff fallen sollen.[48]
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Bei all diesen „Stellen“ besteht schon auf Grund ihrer öffentlich-rechtlichen Struktur eine weitgehende Einbindung in die Verwaltungsstruktur. Personen, die „bei“ oder „im Auftrag“ solcher „Stellen“ tätig werden, sind während der Ausübung ihrer Tätigkeit für Außenstehende von „Beamten“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2a oder Behördenbediensteten i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c kaum bzw. gar nicht zu unterscheiden. Das gilt für den Vorstand einer öffentlich-rechtlich konstituierten (Landes-)Bank[49] ebenso wie z. B. für einen Rechtsanwalt (oder sonstigen Dritten), wenn er als Vorsitzender (oder Mitglied) einer staatlichen Prüfungskommission – etwa in einem juristischen Staatsexamen – tätig wird.[50]
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Diese Sicht der „sonstigen Stelle“ ist zwanglos kompatibel mit dem (vorgeblichen) Ziel des Gesetzgebers, den zu § 359 a. F. entwickelten „strafrechtlichen Beamtenbegriff“ im neuen Recht lediglich festzuschreiben. Dann wäre „sonstiger“, d. h. nicht-beamteter Amtsträger in der Tat nur, wer „durch eine hierfür zuständige Stelle zu Dienstverrichtungen berufen“ ist, „die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind und staatlichen Zwecken dienen“.[51]
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Zu dem, was spätestens seit Ende der 90er Jahre, beginnend mit der Entscheidung des 2. Senats vom 19.12.1997[52] für fortwährend zunehmende Rechtsunsicherheit gesorgt hat, verhält sich weder die Gesetzesbegründung noch gibt es einschlägige Entscheidungen der sich immerhin seit mehr als 100 Jahren mit der Frage der Amtsträgereigenschaft beschäftigenden höchstrichterlichen Judikatur. Gemeint ist die seit 1997 für grundsätzlich möglich erachtete Einbeziehung von privatrechtlich organisierten Unternehmen (GmbH, AG etc.), die ausschließlich (oder anteilig) von der öffentlichen Hand (mit-)getragen werden, in den Kreis der „sonstigen Stellen“. Der BGH interpretiert das Merkmal der „sonstigen Stelle“ in Zusammenhang mit privatrechtlich organisierten Unternehmungen des Staates bzw. unter staatlicher Beteiligung anhand von Kriterien, denen – zu Recht – nachgesagt wird, dass sie sich nicht aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 2c und auch nicht aus der Gesetzessystematik oder aus Sinn und Zweck der Amtsträgerregelungen des Allgemeinen Teils in Verbindung mit dem (den) Schutzzweck(en) der §§ 331 ff. ergeben.[53]
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So berechtigt dieser Einwand und alle sonstige Kritik an der Amtsträger-Rechtsprechung des BGH auch sein mögen,[54] diese Rechtsprechung gilt und ist daher aus der Perspektive der Strafverteidigung ernst zu nehmen.
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Dies hat nicht zuletzt die Entwicklung in den letzten Jahren unter Beweis gestellt: Die Rechtsprechung lässt zwar aufgrund der Vagheit der von ihr verwendeten Kriterien durchaus Argumentationsspielraum; die Rechtsprechung hat jedoch in den meisten Fällen auch ein „Argument“ gefunden, „im Zweifel“ eine „sonstige Stelle“ zu entdecken.
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Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung[55] können grundsätzlich auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Unternehmen der öffentlichen Hand „sonstige Stellen“ sein.[56] Allerdings ist dies „nicht bereits dann der Fall, wenn sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Hinzukommen müssen vielmehr weitere aussagekräftige Unterscheidungskriterien, um privates von staatlichem Handeln abzugrenzen“.[57]
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Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob eine Person „Amtsträger“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c ist, kann daher nicht sein, ob sie in einem Unternehmen tätig ist, das Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, sondern ob die fragliche Person bei einer „sonstigen Stelle“ zur Wahrnehmung solcher Aufgaben bestellt ist.[58] Dass die „Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben“ nicht das maßgebliche Kriterium sein kann, ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass fast alle (ehemals) „öffentlichen“ Aufgaben zur Disposition einer völligen, d. h. einer sog. „materiellen“ Privatisierung stehen.
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Prinzipiell „öffentliche Aufgaben“ der Daseinsvorsorge nimmt z. B. auch ein Energieversorgungskonzern wahr, der sich im alleinigen „Eigentum“ von privaten Aktionären befindet – eine „sonstige Stelle“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c kann ein solches Unternehmen gleichwohl nicht sein. In Zusammenhang mit Einrichtungen und Unternehmungen der (oder unter Beteiligung der) öffentlichen Hand, die als juristische Personen des Privatrechts organisiert sind, oder – grundsätzlich privatrechtlich organisierten – Unternehmen, an denen die öffentliche Hand im Sinne einer „Public-Private-Partnership“ beteiligt ist, sollen unter „sonstigen Stellen“ – ohne Rücksicht auf ihre Organisationsform – „behördenähnliche Institutionen“ zu verstehen sein, „die zwar keine Behörden im organisatorischen Sinn, aber rechtlich befugt sind, bei den Ausführungen von Gesetzen und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken“.[59]
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Nach der (angeblich) lediglich einer weiteren Klarstellung bzw. Präzisierung dienenden, inzwischen aber notorisch als Definition verwendeten Formel sollen privatrechtlich organisierte Einrichtungen „sonstige Stellen“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c sein, wenn sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben „derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie bei Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale gleichsam als ‚verlängerter Arm‘ des Staates erscheinen“.[60] Ob diese Definition, die die „Gleichsetzbarkeit“ eines privatrechtlichen Unternehmens mit einer „Behörde“ (d. h. einer Trägerin öffentlicher Gewalt) der „Gesamtbewertung“ überantwortet, ob eine Einrichtung „gleichsam“ als „verlängerter Arm“ des Staates „erscheint“, vor dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG standhält, ist – soweit ersichtlich – immer noch nicht erprobt, versteht sich aber in Ansehung des gleichnisartig verwendeten Bildes nicht von selbst. An der Analogieträchtigkeit des Bildes vom „verlängerten Arm“ ändert im Übrigen auch nichts, dass die auf BGHSt 43, 370, 377 folgenden einschlägigen Entscheidungen die Formel zwar ausnahmslos verwenden, aber sämtlich auf das ins Auge stechende „gleichsam“ in der ursprünglichen Formel verzichten. Im Gegenteil – der weggelassene Hinweis auf den Vergleich spricht eher dafür, dass die sprachliche Begradigung die Offenheit der Analogie verbergen soll.
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Der Sache nach