Zur Fremdrechtsanwendung im Wirtschaftsstrafrecht. Christina Konzelmann
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III. Fremdrechtsanwendung in Literatur und Rechtsprechung
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Die Thematik der Fremdrechtsanwendung im Strafrecht fand in den letzten Jahren aufgrund europarechtlicher Einflüsse wieder vermehrt Eingang in wissenschaftliche Arbeiten.[1] Dass es sich dabei aber um kein neuartiges Phänomen des Strafrechts handelt, zeigen Untersuchungen um den Einfluss außerstrafrechtlicher ausländischer Rechtssätze schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts, die sich im Hinblick auf die Vorgehensweise der Ausfüllung zivilrechtsakzessorischer Merkmale unterscheiden.
Anmerkungen
Vgl. etwa Mosiek StV 2008, 94, 94 ff.; Mankowski/Bock ZStW 2008, 705 ff.; Altenhain/Wietz NZG 2008, 569 ff.
Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › III. Fremdrechtsanwendung in Literatur und Rechtsprechung › 1. Die Untersuchung von Neumeyer
1. Die Untersuchung von Neumeyer
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Bereits 1903 widmete sich Neumeyer der Untersuchung über die verbotene Handlung im internationalen Strafrecht.[1] Er stellte dabei fest, dass die Tatbestandshandlung entweder in ihren einzelnen Merkmalen oder auch die Handlung als Ganzes in ihrer Rechtswidrigkeit von ausländischen Gesetzen bestimmt werden kann. Das Strafrecht schütze grundsätzlich Güter, die anderen Rechtsgebieten angehören und für die das IPR die zuständige Rechtsordnung bezeichne. Die Rechtswidrigkeit im Sinne des Strafrechts könne daher durchaus nach dieser lex causae[2] bemessen werden. Das Gesamtinteresse, das Schutzobjekt der Strafdrohung sei, befinde sich in Abhängigkeit von dem angegriffenen Sondergut, wobei das Maß dieser Abhängigkeit aber verschieden sein könne. So könne die Rechtswidrigkeit einer Handlung, die das Gesamtinteresse an der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung berührt, einerseits auf sich gestellt und lediglich den einschlägigen Strafdrohungen zu entnehmen sein, andererseits aber auch von der Zulässigkeit der Handlung nach dem für das beteiligte Sonderinteresse maßgebenden Recht, mithin von der lex causae abhängen. Welcher Gruppe die einzelne Strafbestimmung angehöre, könne nur anhand einer Einzelfallbetrachtung festgestellt werden. Die kriminelle Rechtswidrigkeit einer Handlung bemesse sich stets nach dem Recht des Staates, der die Handlung bei Strafe verbiete. Sofern die Rechtswidrigkeit aber außerstrafrechtlich begründet sei, müsse diejenige Rechtsordnung herangezogen werden, die materiell über erlaubt oder verboten entscheide und die dabei auch eine ausländische sein kann.[3]
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Neumeyer gelangt damit zu dem Ergebnis, dass in den Fällen, in denen die Rechtswidrigkeit einer Handlung von ihrer Unzulässigkeit nach dem materiell maßgebenden Recht abhängt, Internationales Privat- oder Verwaltungsrecht darüber zu entscheiden habe, welche Gesetze Anwendung finden. Fehle es hingegen an einer materiellen Abhängigkeit der kriminellen Rechtswidrigkeit, bestehe auch keine Möglichkeit, der lex causae auf ihre Abgrenzung Einfluss zu gewähren.[4] Bereits kurz nach Inkrafttreten des BGB wurde damit von Neumeyer die Funktionsweise des Internationalen Strafrechts und insbesondere zutreffend erkannt, dass außerstrafrechtliche Vorfragen mithilfe des Internationalen Privatrechts zu lösen sind.
Anmerkungen
Neumeyer ZStW 1903, 436 ff.
Zum Begriff der lex causae siehe v. Bar/Mankowski IPR, § 1 Rn. 21.
Ganzer Absatz Neumeyer ZStW 1903, 436, 442 ff.
Neumeyer ZStW 1903, 436, 445.
Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › III. Fremdrechtsanwendung in Literatur und Rechtsprechung › 2. Die Untersuchung Nowakowskis
2. Die Untersuchung Nowakowskis
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1971 nahm sich Nowakowski der Untersuchung über die Anwendung des inländischen Strafrechts auf außerstrafrechtliche Rechtssätze an.[1] Er gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass die Rechtsordnung, auf die durch normative Tatbestandsmerkmale verwiesen wird, nicht einheitlich bestimmt werden könne, sondern vielmehr vom Geltungsbereich der jeweils angesprochenen Normen abhänge. Mithilfe des inländischen Rechts müsse zunächst ermittelt werden, ob sich der Schutz der Strafdrohung auf ausländische Rechtsgüter erstrecke und sodann sei zu klären, ob und inwieweit diese Interessen am Tatort beeinträchtigt werden können. Sofern es von positivrechtlichen Bestimmungen abhänge, ob die von der Strafdrohung geschützten Interessen rechtens überhaupt bestehen, müsse jenes Recht herangezogen werden, das im Einzelfall darüber entscheidet. Das zur Ermittlung heranzuziehende Tatortrecht sei dabei jenes Recht, das durch die Vorschriften über den Geltungsbereich berufen wird und bei zivilrechtlichen Fragen damit das IPR.[2] Dabei gelte es stets, die Schranke des ordre public zu beachten.[3]
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Damit stehe der Beurteilung des betreffenden Lebenssachverhalts einer Auslandstat nach ausländischem Recht auch nicht der Grundsatz entgegen, dass der deutsche Strafrichter nur deutsches Strafrecht anwenden dürfe. Die Vorschriften des internationalen Strafrechts schalten den räumlichen Geltungsbereich außerstrafrechtlicher Rechtssätze nicht aus. Vielmehr bestimme gerade der Geltungsbereich dieser Rechtssätze, dass bei Auslandssachverhalten ausländisches Recht angewendet werden könne. Dies liege darin begründet, dass die Beurteilung, ob ein schützenswertes Rechtsgut vorliegt, nicht durch das Strafrecht vorgenommen werde. Zwar werde der Begriff „Rechtsgut“ oft so definiert, dass er von vornherein nur auf die strafrechtliche Tatbestandsmäßigkeit bezogen sei. Rechtsgüter seien aber vielmehr Lebens- und Interessenbereiche des Einzelnen und der Allgemeinheit, die wegen ihrer sozialen Bedeutung geschützt werden, wobei die Strafdrohung nur eine mögliche Form des Schutzes darstelle. Das Strafrecht habe jedoch nicht die Funktion, den schon anderwärts gegebenen Rechtsgüterschutz zu überlagern und zu verstärken, sondern sei davon losgelöst autonom, weshalb die Begriffe, die es gebrauche, auch nicht notwendig mit denen des Zivil- oder Verwaltungsrechts übereinstimmen müssten. Zu beachten sei jedoch immer das „Prinzip der Einheit der Rechtsordnung“. Die Verletzung von Interessen, die das Strafrecht sanktioniere, sei in der Regel auch außerhalb des Strafrechts als Unrecht gekennzeichnet und unter Strafandrohung gestellt. Darum liege es nahe, das internationale Strafrecht nur auf die Sanktionsnormen zu beziehen, die das Strafrecht im eigentlichen Sinne ausmachen. Die Bestimmung, ob und in welchem Umfang das geschützte Rechtsgut am Tatort als solches anerkannt ist, werde von der Rechtsordnung entschieden, die durch die jeweiligen Normen des IPR oder über den Geltungsbereich der in Frage kommenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen