Besteuerung von Unternehmen II. Wolfram Scheffler

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ist es nach deutschem Bilanzrecht nicht zulässig, die Bilanzierung und Bewertung so zu gestalten, dass sie ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens–, Finanz- und Ertragslage vermitteln, wenn dadurch gegen den Wortlaut einer bestimmten Vorschrift verstoßen wird.

      Beispiel:

      Die Anschaffungskosten eines unbebauten Grundstücks belaufen sich auf 500 000 €. Zwischenzeitlich ist sein Wert auf 2 000 000 € gestiegen. Der Ausweis des aktuellen Verkehrswerts von 2 000 000 € würde zwar der Einblicksforderung besser gerecht. Nach § 253 Abs. 1 S. 1 iVm § 252 Abs. 1 Nr 4 HGB bilden aber die Anschaffungskosten des Grundstücks die Wertobergrenze. Deshalb ist der Ansatz des höheren Tageswerts unzulässig.

      63

      Nach der zurzeit vorgenommenen Interpretation der gesetzlichen Regelung wird die Bedeutung der Einblicksforderung noch weiter eingeschränkt. Wahlrechte und Ermessensspielräume müssen nicht so ausgeübt werden, dass der Jahresabschluss die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage am besten widerspiegelt. Die Unternehmen können sich vielmehr für jeden Wert innerhalb der gesetzlich zulässigen Bandbreite entscheiden. Ergebnis der herrschenden Meinung ist, dass die Einblicksforderung für die Praxis der handelsrechtlichen und der steuerrechtlichen Rechnungslegung fast keine Bedeutung hat. Es handelt sich nahezu um eine Leerformel. Durch den Vorrang der (speziellen) Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung vor der (allgemeinen) Einblicksforderung wird gegen die Informationsfunktion der externen Rechnungslegung verstoßen. Dies gilt nicht nur für die Handelsbilanz, sondern auch für die Steuerbilanz. Damit verbunden ist, dass die Zahlungsbemessungsfunktion – Ermittlung der Bemessungsgrundlage für gewinnabhängige Zahlungen (Ausschüttungen, Erfolgsbeteiligungen, Ertragsteuern) – höher gewichtet wird als die Informationsfunktion.

      Im internationalen Bereich wird die Bedeutung der Einblicksforderung demgegenüber wesentlich höher gewichtet, weil entweder gefordert wird, dass Wahlrechte und Ermessensspielräume so auszuüben sind, dass die Einblicksforderung nicht verletzt wird, oder weil die Einblicksforderung als Generalnorm interpretiert wird, aus der die konkreten Bilanzierungs- und Bewertungsentscheidungen abzuleiten sind (so insbesondere nach den US-GAAP). Nach Ansicht des EuGH bildet der Grundsatz der Bilanzwahrheit und damit die Einblicksforderung bei der Auslegung der in der 4. EG-Richtlinie (heute Rechnungslegungsrichtlinie) enthaltenen Bilanzierungs- und Bewertungsregeln die wichtigste Leitlinie. Diese Aussage ist deshalb so bedeutsam, weil die 4. EG-Richtlinie die Grundlage für die im Handelsgesetzbuch enthaltenen Vorschriften zum Jahresabschluss bildet. Über die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz ist die 4. EG-Richtlinie mittelbar auch für die steuerliche Gewinnermittlung bedeutsam.

      Anmerkungen

       [1]

      Siehe hierzu auch EuGH vom 3.10.2013 (GIMLE), ECLI:EU:C:2013:632.

      64

      Das Verständnis des Inhalts der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung wird dadurch erschwert, dass in der Literatur für die zahlreichen Teilprinzipien unterschiedliche Bezeichnungen verwendet werden und dass den Unterteilungen verschiedene Systematisierungsprinzipien zugrunde liegen. Dies ist eine Konsequenz daraus, dass in den mehrstufigen Prozess der Festlegung des Inhalts der GoB zahlreiche subjektive Elemente einfließen.

      Abb. 6: Systematik der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung

Grundsatz Charakterisierung
Dokumentationsgrundsätze grundlegende Anforderungen an die dem Jahresabschluss zugrunde liegende Buchführung
Rahmengrundsätze Prinzipien, die für jede Form betriebswirtschaftlich sinnvoller Informationsvermittlung gelten
Systemgrundsätze Basisannahmen für den Jahresabschluss als spezielles Rechnungslegungsinstrument
Grundsätze der Periodisierung (insbesondere Realisationsprinzip) Grundsatz der vorsichtigen Gewinnermittlung (Vorsichtsprinzip iwS)
Konventionen zur Beschränkung von gewinnabhängigen Zahlungen (Imparitätsprinzip und Grundsatz der Bewertungsvorsicht)

      65

      

      Die Dokumentationsgrundsätze formulieren die grundlegenden Anforderungen an die Buchführung. Die Rahmengrundsätze beinhalten darauf aufbauend Prinzipien, die für jede Form der betriebswirtschaftlichen Informationsvermittlung und damit auch für die handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung erfüllt werden müssen. Die Systemgrundsätze (Konzeptionsgrundsätze) beziehen sich auf den Jahresabschluss als spezielles Instrument der Informationsvermittlung. Sie repräsentieren die Basisannahmen der externen Rechnungslegung und dienen als Klammer zwischen den Zielen der Bilanzierung und den anderen Teilgrundsätzen.

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      Der Grundsatz der vorsichtigen Gewinnermittlung (Vorsichtsprinzip iwS) bildet das wichtigste Element innerhalb des Systems der GoB. Das Vorsichtsprinzip unterteilt sich in die Grundsätze der Periodisierung und die Konventionen zur Beschränkung von gewinnabhängigen Zahlungen. Zu den Periodisierungsgrundsätzen (Definitionsgrundsätze für den Jahreserfolg) gehören die allgemeinen Regeln der Gewinnermittlung. Sie legen fest, in welchem Wirtschaftsjahr ein Geschäftsvorgang ertrags- oder aufwandswirksam zu erfassen ist.

      67

      

      Die Konventionen zur Beschränkung von gewinnabhängigen Zahlungen (Kapitalerhaltungsgrundsätze) ergänzen die Periodisierungsgrundsätze. Durch sie werden Regeln vorgegeben, wie Ausschüttungen und andere gewinnabhängige Zahlungen (insbesondere Gewinnbeteiligungen und Ertragsteuern) durch die Verrechnung von bestimmten Aufwendungen auf den Betrag begrenzt werden, der dem Unternehmen entzogen werden kann, ohne die Erhaltung des bilanziellen Eigenkapitals zu gefährden. Zu den Grundsätzen einer vorsichtigen Gewinnermittlung zählt auch der Grundsatz der Bewertungsvorsicht (Vorsichtsprinzip ieS). Er sieht für die Behandlung von unsicheren Sachverhalten vor, dass eher von einem für das Unternehmen ungünstigen Verlauf auszugehen ist.

      68

      

      Hinsichtlich ihrer Aufgaben lassen sich die verschiedenen Gruppen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung wie folgt charakterisieren: Die Dokumentationsgrundsätze, die Rahmengrundsätze und die Systemgrundsätze dienen gleichzeitig allen Aufgaben der externen Rechnungslegung, dh der Dokumentations–, Informations- und Zahlungsbemessungsfunktion. Die Periodisierungsgrundsätze stehen primär mit der Informationsfunktion (Rechenschaft) in Zusammenhang, indem sie Regeln formulieren, wie der Erfolg und das Vermögen des Unternehmens zu erfassen sind. Die Zahlungsbemessungsfunktion ist insoweit angesprochen, als durch die Periodisierungsregeln die

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