Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz. Eva-Maria Kremer

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Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz - Eva-Maria Kremer Heidelberger Kommentar

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Entscheidung der Behörde über die Auswahl unter mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Personen darf nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere nicht offenbar unbillig sein (VGH München U 1.7.1998 – 22 B 98.198, juris = NVwZ-RR 1999, 99; OVG Bautzen U 11.1.1999 – 2 S 518/98, juris = NVwZ-RR 1999, 788; VGH Mannheim B 25.3.2003 – 1 S 190/03, juris = NJW 2003, 2550; BFH U 11.3.2004 – VII R 52/02, juris = NJW 2004, 3061; OVG Greifswald B 17.11.2003 – 1 M 169/03, juris = LKV 2004, 230; VGH München B 14.8.2003 – 22 ZB 03.1661, juris, ZUR 2004, 51 L; OVG Hamburg U 4.5.2001 – 1 Bf. 388/98, juris = NVwZ-RR 2002, 458; VG Chemnitz B 29.1.1997 – 1 K 1996/96, juris = NVwZ-RR 1998, 414; VG Schleswig U 14.6.2004 – 14 A 344/02, juris, NVwZ-RR 2005, 86 L).

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      In den Leistungsbescheiden, die an mehrere Adressaten gerichtet sind, muss die Gläubigerbehörde nicht wörtlich auf die gesamtschuldnerische Haftung hinweisen. Sie sollte es zwar tun. Aber für die gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG hinreichende Bestimmtheit eines Leistungsbescheides genügt es, wenn sich durch seine Auslegung eindeutig ermitteln lässt, dass der geforderte Betrag von jedem Adressaten in voller Höhe geschuldet wird, jedoch insgesamt nur einmal zu zahlen ist (BVerwG B 25.3.1996 – 8 B 48/96, juris Rn. 6 = = NVwZ-RR 1997, 248).

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      Eine selbstschuldnerische Haftung scheidet aus, wenn die Inanspruchnahme des Betreffenden grob unbillig wäre (vergleichbar §§ 1579, 1611 Abs. 1 BGB). Dann läge nämlich eine unbillige Härte vor. So haftet zum Beispiel die Tochter nicht für die Bestattungskosten bei dem Tod ihres Vaters, den sie niemals gesehen und der auch nie Unterhalt für sie gezahlt hat (OVG Münster B 2.2.1996 – 19 A 3802/95, juris =NVwZ-RR 1997, 99). In einem solchen Fall ist das Ermessen der Behörde derart auf „Null“ reduziert, dass sie davon absehen muss, ihre Bestattungskosten geltend zu machen.

      Die Entscheidung der Behörde über eine unbillige Härte ist nach Feststellung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes zwar von den Gerichten nach den für Ermessensentscheidungen geltenden Grundsätzen zu prüfen. Jedoch kommt es zu einer weitgehenden Nachprüfbarkeit. Denn der Maßstab der Billigkeit bestimmt Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens (GmS-OGB B 19.10.1971 – GmS-OGB 3/71, juris = BVerwGE 39, 355).

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      Mitunter ist unklar, wer Pflichtiger und damit Vollstreckungsschuldner ist. Dieser muss einwandfrei bestimmt sein. Denn er ist Adressat des Leistungsbescheides nach § 3 Abs. 2 Buchst. a. Eine solche Ungewissheit besteht zum Beispiel, wenn die Eigentumsverhältnisse an einem Grundstück nicht feststehen, auf welches sich der Vollzug bezieht. Man denke an Kosten einer Ersatzvornahme. Dann wird zweckmäßigerweise dem Betroffenen eine angemessene Frist gesetzt, diese zivilrechtliche Vorfrage gerichtlich klären zu lassen (VGH München B 9.4.2003 – 20 CS 03.525, juris = NVwZ-RR 2003, 542).

      Bei einer Bestattung im eiligen Notfall durch eine Gemeinde kann regelmäßig nicht gleich ermittelt werden, wer für die Bestattung primär verpflichtet ist und folglich deren Kosten zu tragen hat. Sobald die Behörde den Verantwortlichen gefunden hat, nimmt sie ihn als Selbstschuldner in Anspruch.

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      Vollstreckungsschuldner ist nach Absatz 1 Buchst. b ferner der Haftungsschuldner. Er haftet persönlich und grundsätzlich auch unbeschränkt an Stelle des Selbstschuldners oder neben ihm für dessen gesetzliche Leistungsschuld (BVerwG U 29.6.2000 – 1 C 25/99, juris Rn. 12 = NVwZ 2000, 1424). Die Haftung kann auch gesamtschuldnerisch sein.

      Gegen den Haftungsschuldner kann nur vollstreckt werden, wenn die Gläubigerbehörde gegen ihn einen Verwaltungsakt erlassen hat, mit dem seine Haftungsschuld begründet ist. Dieser Verwaltungsakt ist ein Leistungsbescheid nach § 3 Abs. 2 Buchst. a (Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG § 2 Rn. 3; App/Wettlaufer, § 5 Rn. 17; zum entsprechenden § 20 Abs. 2 Nr. 2 ThürVwZVG VG Meiningen B 11.5.1998 – 5 K 1261/97, juris = NVwZ-RR 1999, 220). Der Leistungsbescheid ist notwendig. Denn er ist die grundsätzliche Voraussetzung für die Einleitung der Vollstreckung (§ 3 Rn. 9, 28).

      Beispiele für Haftungsschuld:

Haftung des überlebenden Ehegatten bei Gesamtgutverpflichtungen der fortgesetzten Gütergemeinschaft: § 1489 BGB.
Erbschaftskauf: § 2382 BGB.
Erwerb eines Handelsgeschäfts: § 25 HGB.
Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns: § 28 HGB.
Haftung des Gesellschafters der OHG: § 128 HGB.
Haftung der Komplementäre der KG: § 161 Abs. 2, § 128 HGB.
Haftung des Kommanditisten: § 171 Abs. 1 HGB.
Kostenhaftung des Ausländers und anderer Personen: § 66, § 68 AufenthG (BVerwG U 14.6.2005 – 1 C 11/04, juris = BVerwGE 123, 382; BVerwG U 14.6.2005 – 1 C 15/04 –, juris = BVerwGE 124, 1; VGH München B 8.9.2006 – 24 ZB 06.1326, juris = DÖV 2006, 1010).

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      Eine besondere Haftungsschuld gibt es bei der Einziehung von Kurbeiträgen in Badeorten. Für diese sind die Kurgäste beitragspflichtig. Jedoch können nach Satzungsrecht auch Personen oder Unternehmen, die Personen beherbergen, verpflichtet sein, die Kurbeiträge einzuziehen und an den Staat abzuliefern (VGH Kassel B 22.2.1995 – 5 N 2973/88, juris = NVwZ 1996, 1136; OVG Lüneburg U 13.6.2001 – 9 K 1975/00, juris = NVwZ-RR 2002, 456; OVG Lüneburg U 22.11.2010 – 9 LC 393/08, juris = NdsVBl 2011, 84; VGH München U 12.2.2004 – 5 N 02.1674, juris = NVwZ-RR 2004, 895; OVG Koblenz U 17.5.2011 – 6 C 11337/10, juris = NVwZ-RR 2011, 778). Der Kurbeitragspflichtige und der Wohnungsgeber können als Gesamtschuldner haften (OVG Lüneburg B 29.3.2005 – 9 LA 33/05, juris = NVwZ-RR 2005, 567).

      Neben Übernachtungsgästen können auch Tagesgäste kurbeitragspflichtig sein, falls sie kostenaufwendige Einrichtungen des Kurortes in Anspruch nehmen (OVG Lüneburg B 10.6.2011 – 9 LA 122/10, juris = NVwZ-RR 2011, 784).

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      Bei Schuldübernahme nach § 414 BGB oder Bürgschaft nach § 765 BGB entsteht keine öffentlich-rechtliche Haftungsschuld zugunsten der Behörde gemäß Absatz 1 Buchst. b. Denn hierbei handelt es sich um privatrechtliche Verträge zwischen dem Übernehmenden oder Bürgen und der Behörde. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 54 VwVfG scheidet aus, weil die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen den Vertragsparteien

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